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kicker-Kolumne "Wenn ich Bundestrainer wäre...": Mit Sami Khedira, Mesut Özil und Marco Reus - aber ohne Julian Draxler

kicker-Kolumne: "Wenn ich Bundestrainer wäre..."

Mit Khedira, Özil und Reus - aber ohne Draxler

Gefordert gegen Schweden: Mesut Özil und Sami Khedira.

Gefordert gegen Schweden: Mesut Özil und Sami Khedira. imago

Jetzt alles umwerfen? Neues System? Verändertes Personal? Sicher, eine Dreierabwehr mit Süle-Boateng-Hummels wäre hilfreich, um die defensiven Räume nachhaltiger zu besetzen und die beiden hoch stehenden, bevorzugt nach vorne orientierten Außenverteidiger abzuschirmen. Ein weiterer Vorteil dieser Formation: Hinter einer einzigen Spitze, Timo Werner, könnten Thomas Müller aus der halbrechten und Marco Reus aus der halblinken Position heraus ihren Drang nach innen gewinnbringend ausleben und sich häufiger in Richtung Tornähe aufmachen, während Joshua Kimmich und Jonas Hector die Freiflächen rechts und links für ihre Läufe entlang der Bande nutzen könnten. Die Wege nach hinten wären für sie in diesem Falle nicht so lang und weit.

Und im Zentrum könnte sich Toni Kroos gestalterisch betätigen, unterstützt von einem Partner, der - mit einem vor allem defensiven Auftrag - weiterhin Sami Khedira hieße, mit einem betont nach vorne gerichteten Ilkay Gündogan oder Leon Goretzka. Gündogan stellte eher die spielerische Variante dar, er ist der - im Idealfall - Mann für das schnelle, vertikale und finale Zuspiel an den gewiss wie ein Gartenzaun aufgereihten schwedischen Abwehrbeinen vorbei. Goretzka würde - wieder im Idealfall - mehr mit entschlossenen, dynamischen Läufen aus dem Zentralbereich in die erste Linie und in den Strafraum vorpreschen. Die nach dem 0:1-Fehlstart gegen Mexiko in der Öffentlichkeit besonders gescholtenen Mesut Özil und Khedira wären damit geopfert.

Spielersteckbrief Özil
Özil

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Weltmeisterschaft - Vorrunde, 2. Spieltag
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Weltmeisterschaft - Tabelle - Gruppe F
Pl. Verein Punkte
1
Mexiko Mexiko
6
2
Deutschland Deutschland
3
Schweden Schweden
3

Vertrauen und Selbstvertrauen sind fundamental

Aber ist eine solche Radikalrotation nach diesem einen missratenen Spiel nötig? Nein. Für eine derart wichtige Auseinandersetzung sind Vertrauen und Selbstvertrauen fundamental. Statt Aktionismus braucht es den Glauben an das Bewährte, beim Personal wie bei der Strategie. Nur so ist in der Vorbereitung auf die heikle Aufgabe gegen Schweden die Verunsicherung abzuschwächen. Denn es handelt sich um eine höchst zugespitzte Situation, die die Spieler am Samstag entschärfen müssen. Die 2014er Weltmeister erlebten vor vier Jahren in höchster Intensität, was Druck bedeutet. Sie haben diese Prüfungen glorreich gemeistert, zuletzt im Finale gegen Argentinien, da sogar mit Verlängerung, 1:0. Sie wissen also, was da auf sie zukommen wird. Es gibt keinen Grund, an ihnen nun komplett zu zweifeln. Sie haben diese - zumindest eine - Chance zur Besserung und Wiedergutmachung verdient, inklusive Khedira und Özil.

Khedira trug zum italienischen Titelgewinn seines Arbeitgebers Juventus Turin in 26 Liga-Einsätzen neun Tore bei. Diese persönliche Bilanz besticht, birgt aber auch eine Gefahr: Seine erste Pflicht ist der Sicherheitsdienst im Mittelfeld, neben und hinter Kroos. Er muss sich also nicht als Torjäger empfehlen, sondern sich zuallererst als Sechser begreifen, als Ordnungshüter in der defensiven Mittelfeldzentrale, sodann als Achter, der mit Querfeldeinläufen vor dem und im gegnerischen Sechzehner Turbulenzen verursachen kann.

Das gesamte Gefüge muss zügig mit zurückarbeiten

Genauso haben die beiden Außenverteidiger taktische Disziplin zu wahren. Bei allem ehrenwerten Bemühen, den Aufbau zu forcieren, müssen Joshua Kimmich und Jonas Hector, der nach auskuriertem Infekt für Marvin Plattenhardt wieder seine linke Position einnehmen wird, zunächst ihre Abwehrarbeit erledigen.

Weniger ist da mehr, wenn es um die Offensive in dieser Rolle geht - und klüger. Schon naiv ist es, wenn beide Außenverteidiger - wie gegen Mexiko oder Saudi-Arabien - gleichzeitig in die Regionen jenseits der Mittellinie hasten. Die beiden ehrgeizigen WM-Novizen sollten sich da schnellstens lernfähig zeigen, allerdings von den vorgeschalteten Partnern auf ihrer Seite aufopferungsvoll unterstützt werden, wenn sie hinten in Not geraten. Gegen Saudi-Arabien und Mexiko vernachlässigten Müller und Draxler diesen Job. Ohnehin muss sich das gesamte Gefüge flotter nach hinten bewegen und geordneter verdichten, damit so die Lauf- und Passwege verstellt werden.

Schweden kann befreit aufspielen: Der Weltmeister muss gewinnen

Denn die Schweden werden auf Konter lauern. Die ihnen angenehme tabellarische Konstellation nach ihrem 1:0-Erfolg gegen Südkorea wird das Vorgehen der Skandinavier diktieren: Forsberg und Co. können, im gewohnten 4-4-2-System aufgestellt, abwarten, weil die Deutschen gewinnen müssen. Und das effiziente Abwehrhandwerk beherrschen die Skandinavier, wie sie in den beiden gegentorlosen Play-offs gegen Italien (1:0; 0:0) nachgewiesen haben. Sie haben in ihrer Qualifikationsgruppe A die Niederlande hinter sich gelassen und den Gruppensieger Frankreich vor einem Jahr zu Hause mit 2:1 niedergehalten. Die deutsche Mannschaft wird diese zweite WM-Partie mit Geduld und Köpfchen angehen müssen, um diese Breitwandabwehr zu löchern. Dazu sind beherzte, gegen Mexiko ausgesparte Dribblings nötig; schnelle und direkte Passfolgen, der überraschende Ball in die Lücke, nicht fades Quergeschiebe, wie - noch einmal - gegen Mexiko.

Dazu braucht es zunächst Marco Reus, der bisher zwar nicht als Mentalitätsmonster berühmt wurde, aber als großartiger Stürmer, der alles kann: gewandt im hohen Tempo und engen Slalom dribbeln, präzise und hart schießen. Er hätte schon gegen Mexiko zur Startelf zählen müssen, dieses Versäumnis darf nicht noch einmal passieren - also: Reus für Draxler, der auch beim WM-Start ein ziemlich leeres Versprechen blieb. Ein Übersteiger, dafür viele Quer- und Rückpässe, sorry, das reicht bei so viel Talent nicht.

Özils Fähigkeiten sollten die vielen Fragen beantworten

Klar, auch Özil muss es besser machen als am vorigen Sonntag in Moskau. Aber ihm sind nach 91 Länderspielen 23 Tore und 39 Vorlagen gutgeschrieben - ein üppiges Guthaben, in das seine viel diskutierte Körpersprache natürlich nicht eingerechnet ist. Da Özil das Sprechen neuerdings ohnehin verweigert, sollte er nun mit einer seinem Talent entsprechenden Leistungsschau die vielen Fragen beantworten. Nur so bringt er die Kritik gegen sich und seine verfehlte Erdogan-PR-Aktion zum Verstummen. Die Nummer 10 in der DFB-Delegation befähigen die geschmeidige Ballan- und –mitnahme, die abrupte Körperbewegung in unerwartete Richtungen, der spontane Pass, der Lücken in die Defensive fräst. Er ist in der Lage, für Müller, Werner oder Reus den richtigen Service in die Spitze zu liefern.

Mannschaft

Als Mannschaft gefragt: Der Weltmeister steht unter Druck. kicker

Mehr, schneller und gezielter laufen müssen alle. Aber mangelnde Motivation wird sich nach diesem Fehlstart - schlechter geht es eigentlich nicht - kein deutscher Spieler mehr gönnen. Nach den heftigen in- und externen Debatten, die dieses mexikanische 1:0 auslöste, kann nur eine Jetzt-erst-recht-Reaktion erfolgen. Das gelebte Miteinander. Die praktizierte Bereitschaft. Und das förderlich, nicht überheblich interpretierte Wissen: Wir sind der Weltmeister!

Sollten dann alle Bemühungen der Elf auf dem Feld nicht fruchten, kann Joachim Löw - früher, einfallsreicher und nachhaltiger als gegen Mexiko - eingreifen, mit Wechseln beim Personal oder im System. Die sofortige Umstellung auf drei Verteidiger und zwei oder drei Stürmer gehört ja zum reichhaltigen, im Vorlauf immer wieder getesteten Repertoire. Hilfsmaßnahmen von außen, um es auszuschöpfen, sind da im Notfall effizienter als coole Symbol-Bildchen an der Sotschi-Strandpromenade.

Spielen Sie Bundestrainer! Stellen Sie jetzt die Elf auf, die Sie am Samstag zum zweiten WM-Spiel der deutschen Mannschaft gegen Schweden auf das Feld schicken würden.

Karlheinz Wild

Schwedischer Fan-Rekord und zwei gute Omen