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Trotz Sieg in Tschechien: Die Experimente von Bundestrainer Joachim Löw sind missglückt - Kommentar

Kommentar von kicker-Chefreporter Oliver Hartmann

Trotz Sieg: Löws Experimente sind missglückt

In ungewohnter Position seiner Stärken beraubt: DFB-Kapitän Thomas Müller.

In ungewohnter Position seiner Stärken beraubt: DFB-Kapitän Thomas Müller. imago

Tschechien gegen Deutschland, das war 1996 in Wembley ein EM-Finale, auf das die Fußball-Welt schaute. 21 Jahre später bot die nur rund 20000 Besucher fassende und trotzdem längst nicht ausverkaufte Eden Arena einen vergleichsweise tristen Rahmen für dieses Nachbarschafts-Duell um WM-Qualifikationspunkte. Es nahm zwar den Ausgang, den man bei den Gastgebern befürchtet und beim Weltmeister erwartet hatte. Aber es war ein glanzloser Sieg in einem über weite Strecken zähen Spiel, das Mats Hummels, der mit Abstand beste Akteur auf dem Platz, mit seinem späten Kopfballtor entschied . Deutschland bewahrte durch das 2:1 mit dem siebten Sieg im siebten Spiel seine weiße Weste in der Gruppe C, kann am Montag gegen Norwegen im Idealfall schon den vorzeitigen Gruppensieg perfekt machen.

Es war das erste Vereinigungsspiel der etablierten Weltmeister und der Confed-Cup-Gewinner, die den Rest der Startelf stellten. Joachim Löw erschwerte allen Beteiligten das Zusammenfinden, indem er sein Personal in einem ungewohnten System mit extrem weit aufgerückter Abwehr und Toni Kroos als einzigem Sechser antreten ließ. Und der Bundestrainer wartete mit einer weiteren Überraschung auf, indem er Thomas Müller als eine Art zentralen Ballverteiler hinter den beiden Spitzen Timo Werner und Lars Stindl aufbot.

Müller war in neuer Rolle seiner Stärken beraubt

Beide Experimente gingen nicht auf. Müller blieb in neuer Rolle wirkungslos, weil seiner eigentlichen Stärken als Lückensucher im gegnerischen Strafraum beraubt. Und die deutsche Mannschaft fand trotz der extrem offensiven Ausrichtung und der frühen Führung selten zu ihrem Kombinationsfußball, fand kaum einmal eine Lücke im Fünferriegel der clever und massiv verteidigenden Tschechen. Über weite Strecken mangelte es dem Spiel des Weltmeisters an Balance und Struktur.

kicker-Chefreporter Oliver Hartmann

Die Konsequenz etlicher Ballverluste der aufgerückten deutschen Mannschaft boten dem Gegner bedenklich große Freiräume, die ein besserer Kontrahent gewiss konsequenter genutzt hätte als die offensiv meist harmlosen Tschechen. Löw kann es sich angesichts der souveränen Tabellenführung erlauben, selbst in Pflichtspielen solche System-Experimente zu wagen. Die Frage, auf welcher Position er den diesmal als Kapitän nominierten Müller künftig auflaufen lassen soll, wird ihn noch ein Weilchen beschäftigen. In der Rolle vom Freitag jedenfalls ist der Münchner zu weit vom gegnerischen Tor entfernt.

Spieltagsbilder 7. Spieltag 2016/17