Nationalelf

Mesut Özil - Genie oder Mitläufer?

Alle 114 Minuten eine Torbeteiligung

Mesut Özil - Genie oder Mitläufer?

Stand bei allen Turnierspielen seit 2010 in der Startformation: Mesut Özil.

Stand bei allen Turnierspielen seit 2010 in der Startformation: Mesut Özil. picture alliance

Özils Status in der Nationalmannschaft ist schnell geklärt, wenn man sich seine Statistik in der DFB-Elf anschaut. Er stand in allen Spielen bei den Weltmeisterschaften 2010 und 2014 sowie bei den Europameisterschaften 2012 und 2016 in der Startelf. Das sind insgesamt 23 Einsätze gewesen. Bei diesen vier Turnieren kommt weltweit kein anderer Spieler auf so viele Einsätze.

Da sollte man meinen, dass es keine zwei Meinungen geben kann. Auch beim FC Arsenal hat er eine traumhafte Saison mit 19 Assists und sechs Toren hingelegt. Und doch wird über Özil mehr diskutiert als über andere Spieler. Zuletzt sprudelten die sozialen Netzwerke an kritischen Kommentaren über, nachdem er seinen Elfmeter gegen die Slowakei verschossen hatte. Zudem verfehlte ein Volleyschuss haarscharf sein Ziel. Dass er trotzdem ein absoluter Aktivposten im Team war, wird gerne übersehen.

Spielersteckbrief Özil
Özil

Özil Mesut

Europameisterschaft - Tabelle - Gruppe A
Pl. Verein Punkte
1
Frankreich Frankreich
7
Wales Wales
6
Deutschland Deutschland
7

Kuntz: "Ich würde Özil nie aus dem Team nehmen"

Auch die Experten sind sich nicht immer einig. Klaus Augenthaler, Weltmeister 1990, äußerte bei "kicker.tv- Der Talk" den Wunsch, Özil mal auf die Bank zu setzen, dafür Julian Draxler im zentralen Mittelfeld aufzubieten und Leroy Sané über die Seite kommen zu lassen. "Ich habe viele Premier-League-Spiele gesehen, da hat er mir nicht gefallen." Zu langsam sei der Filigrantechniker und nicht robust genug. Dagegen brach Stefan Kuntz eine Lanze für Özil: "Wenn gar nichts mehr geht, wüsste ich immer, wem ich den Ball geben kann. Ich würde ihn nie aus dem Team nehmen."

Kritikpunkt ist oft, dass Özil über weite Strecken des Spiels untertaucht, zudem wird ihm seine mangelnde Körpersprache immer wieder vorgehalten. "Natürlich wünscht man sich bei so einem Kreativspieler immer, sein Spiel 90 Minuten zu erleben. Das ist aber selten", ergriff Thomas Schaaf zuletzt im Interview mit dem kicker Partei für seinen ehemaligen Schützling. "Die Kritik liegt aus meiner Sicht vor allem in seiner Körpersprache begründet, doch das hat Mesut erkannt und verbessert."

Alle 114 Minuten eine Torbeteiligung

Eine kleine Ladehemmung ist aber nicht von der Hand zu weisen. In 77 Länderspielen hat es Özil bisher auf 19 Tore und 36 Vorlagen gebracht, im Schnitt ist er damit alle 114 Minuten an einem Tor als Schütze oder Vorbereiter beteiligt. In den letzten drei Länderspielen war er allerdings ohne Tor oder Vorlage, eine längere Serie hatte er im Nationalteam nur einmal: von Oktober 2009 bis Juni 2010 waren es fünf Länderspiele am Stück ohne direkte Torbeteiligung.

Natürlich wünscht man sich bei so einem Kreativspieler immer, sein Spiel 90 Minuten zu erleben. Das ist aber selten.

Thomas Schaaf

Die Fans sind ohnehin gespalten. Allerdings ist Özil der König der sozialen Medien - auch wenn er dort vielfach angefeindet wird. Über 30 Millionen verfolgen seine Aktivitäten allein bei Facebook - damit steckt er seine Kollegen bei der Nationalmannschaft alle locker in die Tasche. Fein säuberlich wird zudem auf seiner Website Statistik geführt. Weltmeister, spanischer Meister, U-21-Europameister, deutscher und spanischer Pokalsieger ist er. Zudem wird für die Nationalmannschaft eine Passgenauigkeit von 89 Prozent (2925 Pässe) ausgewiesen.

Wenn Liebe unter die Haut geht

Doch viele Fans dürfte das weniger interessieren. Özil ist Weltstar und bedient seine Fans auf allen Kanälen, lässt sie teilhaben. Die "Liebe" geht mitunter sogar unter die Haut. Tattoos gehören bei den Stars der Szene fast schon zum guten Ton – auch bei Özil. Auf seinem rechten Oberarm hat er sich einen Löwen stechen lassen. Derzeit berichten Tattoo-Studio von mehreren Anfragen täglich, die sich das gleiche Motiv wie das große Vorbild unter die Haut malen lassen wollen.

Ob das Motiv einen neuen Boom erlebt, wird sicherlich vom kommenden Samstag abhängen, wenn es im Viertelfinale gegen Italien (21 Uhr) geht. Getreu seinem Motto "warum soll ich die Welt bezwingen, wenn ich sie verzaubern kann", was in Brasilien bei der WM schon geklappt hat, erwarten die Fans nicht weniger von ihm, als nun Europa im übertragenen Sinne zu bezwingen, ob er dabei zaubert, dürfte den meisten dann egal sein.

tru