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Traurige Fiorentini

Kolumne von Oliver Birkner

Traurige Fiorentini


Dabei ist ein Weg durch Florenz in diesen Tagen selbst nach einigen Martinis kein wirklicher Spaß. Es sei denn, man beobachtet japanische Touristen mit sieben Einkaufstüten hektisch hinter dem Sonnenschirm der Reiseführerin herhecheln und schert sich nicht um Fußballresultate. Wer nun aber in der Wiege der Renaissance beheimatet ist, und wem die Ergebnisse des Calcio sehr wohl am Herzen liegen, der liegt emotional brach. "Heute sind wir alle im Silenzio Stampa", sagte die Besitzerin meiner Frühstücksbar am Freitagmorgen, wo ich im vergangenen Jahr kein einziges Mal eine derartige Stille beim Verzehr der Brioches und Cappuccini erlebt hatte.

Zumindest hatten sie es aus dem Bett geschafft. Denn manch anderer war einfach liegen geblieben. Tagelang hatten sich die Fiorentini auf das Halbfinal-Rückspiel im UEFA-Pokal gegen die Rangers gefreut, wie immer ihre viola Flaggen aus den Fenstern wehen lassen, um nach 18 Jahren wieder in ein europäisches Finale einzuziehen. Dann kommen diese Schotten, spielen eine Art 9-0,5-0,5-System und schaffen es doch tatsächlich übers Elfmeterschießen ins Endspiel. Zur Krönung verlor die Fiorentina am Sonntag dann auch noch in Cagliari, und damit den vierten Platz an Milan.

Marco Donadel

Enttäuschung allenthalben: Nicht nur Marco Donadel schlurft in Florenz derzeit traurig umher. imago

Am Ende, fürchten viele, wird man trotz einer sensationellen Saison mit leeren Händen dastehen. Dann würde man mit dem viertjüngsten Kader der Serie A letztlich der Tatsache Tribut zollen, dass kein Team dermaßen viele Pflichtspiele zu absolvieren hatte wie Florenz. 56 Partien werden es am Ende der Saison sein. Mit einer Gehaltsobergrenze von 1,5 Millionen Euro pro Jahr, wenigen Rotationsmöglichkeiten und seiner strikten Jugendphilosophie würde sich am Fall Fiorentina beweisen lassen, dass Geld letztlich eben doch oft Erfolge kauft.

Nun ist das natürlich ein Gesetz des Marktes, Fußballromantisch aber einfach schade. Florenz arbeitet schuldenfrei, brachte neben den Routiniers Frey, Ujfalusi und Mutu zuletzt exzellente Youngster hervor, und spielt unter dem formidablen Coach Prandelli seit drei Jahren attraktiven Offensiv-Fußball. Ein löbliches Beispiel der Vereinsführung, nachdem der größenwahnsinnige Ex-Präsident Cecchi Gori den Klub 2002 zum finanziellen Kollaps und somit in die vierte Liga getrieben hatte.

In den vergangenen beiden Jahren qualifizierte man sich sportlich zweimal für die Champions League, beide Male blieb Florenz die Königsklasse wegen des Manipulationsskandals mit heftigen Punktabzügen aber verwehrt. Mittlerweile hat die letzte gerichtliche Instanz den Verein offiziell von allen Beschuldigungen entlastet, doch die Zeit kann eben nicht mehr zurückgedreht werden.

So wäre ein Scheitern auf der Zielgeraden zum dritten Mal in Serie doppelt tragisch. Doch vielleicht gibt es nach den letzten beiden Partien ja doch noch ein romantisches Finale. Dann gäbe es in meiner Bar wieder ausgelassenere Frühstücke und meine Mutter müsste beim nächsten Besuch nicht fragen, warum die Fiorentini denn so traurig durch die Straßen schlurfen.

Oliver Birkner lebte bereits von 1993 bis 1999 in Bologna. Nach seiner Zeit beim kicker in Deutschland (2004 - 2007) entschloss er sich aus Nostalgie, wieder auf die Halbinsel zurückzukehren. Nun berichtet er als Korrespondent für kicker Print und Online aus seiner neuen Heimat Florenz.