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Philippe Coutinho - war was? Die merkwürdige Freundlichkeit der Liverpool-Fans

Klopp, Coutinhos überraschender Empfang - und die Abwehr

Die merkwürdige Freundlichkeit der Liverpool-Fans

Ein Problem, das sich in Luft auflöste: Jürgen Klopp wechselt Philippe Coutinho gegen Sevilla ohne Komplikationen ein.

Ein Problem, das sich in Luft auflöste: Jürgen Klopp wechselt Philippe Coutinho gegen Sevilla ohne Komplikationen ein. picture alliance

Freundlicher Applaus bei der Einwechslung, lauter Jubel bei der ersten Ballberührung: Als Philippe Coutinho am Dienstag in der Champions League gegen den FC Sevilla (2:2) eine knappe Viertelstunde vor Schluss eingewechselt wurde, schien es, als betrete da ein hochmotivierter Rekonvaleszent den Rasen an der Anfield Road, den es nach langer Leidenszeit liebevoll zu beklatschen galt. Tenor: Unser Mann! Schön, dass du wieder da bist!

Und irgendwie war Coutinho ja auch ein hochmotivierter Rekonvaleszent mit langer Leidenszeit: hochmotiviert, das Liverpool-Trikot bald gegen das des FC Barcelona zu tauschen; Rekonvaleszent, weil ihm seine ominöse, vorübergehende Rückenproblematik diesem Ziel hatte näher bringen sollen. Und Leidenszeit? Nun, man ließ ihn nicht weg.

Sogar die Arsenal-Fans pfiffen bei Sanchez

Nicht mit allen, aber doch mit sehr vielen Mitteln hatte er versucht, seinen Wechsel durchzusetzen, Barça dankte ihm sogar für seine Mühen . Haben Liverpools Fans das vergessen? War es ihnen egal? Oder waren jene, die sein Vorgehen missbilligen, einfach kaum im Stadion? Ousmane Dembelé wäre in Dortmund jedenfalls kaum bejubelt worden, selbst das oft als unkritisch verschriene Arsenal-Publikum pfiff Alexis Sanchez beim Comeback unlängst mehrheitlich aus.

"Ich war wirklich glücklich darüber, wie ihn die Fans empfangen haben", sagte am Freitag Jürgen Klopp, der selbst öffentlich noch kein schlechtes Wort über Coutinhos Verhalten verloren hat; und seine Mimik ließ nicht genau erkennen, ob es ihn überrascht hatte oder nicht. "Für ihn", wusste er nur, "war es gut." Und für ihn, Klopp, ist es das natürlich auch: Dieses Problem, mit dem viele in Liverpool gerechnet hatten, seit feststand, dass Coutinho nicht würde gehen dürfen - es hat sich in Luft aufgelöst. Klopp hat genügend andere.

Liverpool ist ohne Mané nachweislich schlechter - auch 2017/18?

Das eine, nämlich dass Sadio Mané nach seiner Roten Karte gegen Manchester City (0:5) drei Spiele gesperrt fehlt, hat unmittelbar mit Coutinho zu tun: Er könnte den Senegalesen gegen Burnley am Samstag (16 Uhr) auf der linken Offensivseite ersetzen. Auch Neuzugang Alex Oxlade-Chamberlain ist ein Kandidat, obwohl er ja auch deswegen nach Liverpool wechselte, um öfter im Zentrum spielen zu dürfen. Oder Roberto Firmino rückt nach außen und Daniel Sturridge dafür neu ins Sturmzentrum.

Welchen Plan auch immer Klopp ausheckt: Er muss gegen eine bedrohliche Statistik ankommen. Denn mit Mané schossen die Reds im Schnitt 2,3 Tore, ohne ihn nur 1,5. Mit ihm holten sie in der Premier League 2,1 Punkte pro Spiel, ohne ihn nur 1,6. In der laufenden Saison hat der Flügelflitzer in vier Spielen schon drei Tore markiert, mehr als jeder andere Liverpooler.

Gäbe es ein Qualitätsproblem und hätten wir dafür eine Lösung gesehen, dann hätten wir etwas unternommen.

Jürgen Klopp über die Abwehrschwächen

Die Werte allerdings basieren naturgemäß auf der Vorsaison, und seitdem hat sich ja etwas getan: Mit Mohamed Salah und Oxlade-Chamberlain ist Klopp jetzt deutlich besser gerüstet für Zeiten ohne Mané - das war auch eine der wichtigsten Lehren aus der Frühjahrskrise, als der 44-malige Nationalspieler beim Afrika-Cup weilte und später auch noch mit einer Knieverletzung ausfiel. "Wir können viele Dinge machen", sagt Klopp jetzt stolz. "Wir haben viele Optionen." Coutinho zum Beispiel, der "überragend trainiert, seit er wieder hier ist", und dem das Sevilla-Spiel "geholfen" habe, auch wenn sein Auftritt nach der langen Pause nicht "perfekt" gewesen sei.

Aber was war am Dienstag schon perfekt: Wieder einmal riss Klopps Elf hinten ein, was sie vorne wirbelnd aufgebaut hatte. Rächt sich die Transferphase, in der es bei allem Bemühen nicht gelang, einen Innenverteidiger zu verpflichten? "Es ist unser Fehler, dass wir euch die Chance gegeben haben, darüber zu sprechen", wehrt sich Klopp. Er sehe "kein Qualitätsproblem", behauptet er, obwohl er unverhohlen - und verbrieft - um Southamptons Virgil van Dijk geworben hatte . "Gäbe es eins und hätten wir dafür eine Lösung gesehen, dann hätten wir etwas unternommen."

Gegen Sevilla seien dem finalen Fehler vor dem 0:1 fünf andere vorausgegangen

Anscheinend müsse es immer irgendwas geben, "über das wir uns ärgern können", wundert sich Klopp lieber und fragt sich, ob das auf der Welt nun einmal so ist oder nur in Liverpool. Er wittert gerade gar eine "Self-fulfilling prophecy", so oft seien die Abwehrschwächen in den letzten Wochen thematisiert worden.

Als Abwehrspieler, setzt Klopp sein Plädoyer, seine leidenschaftliche Verteidigerverteidigung fort, sei es nun einmal so: "Du kannst ein Weltklasse-Spiel machen, aber dann machst du im falschen Moment einen Fehler und es fällt ein Gegentor." Die Probleme gegen Sevilla? "Defensivprobleme, ja, aber nicht zwingend Probleme der Innenverteidiger." Beim ersten Gegentreffer beispielsweise "haben wir vor dem finalen Fehler fünf Fehler gemacht".

Klopps Worte klingen verdächtig nach der Vorsaison

Wahre Worte, die allerdings einigen aus der Vorsaison verdächtig gleichen - genau wie Dejan Lovrens individueller, "finaler" Fehler vor dem 0:1. Nur ein "Mangel an Konzentration", sagt Klopp. Aber fällt derlei nicht gemeinhin auch unter Qualität? Und wollte er nicht genau deswegen einen wie van Dijk?

Burnley, unter anderem mit einem 3:2 bei Chelsea und einem 1:1 bei Tottenham auswärts geradezu sensationell gestartet (2016/17 nur sieben Auswärtspunkte insgesamt), könnte nun als Vorbild im Kleinen dienen: "Sie haben zu 100 Prozent einen klaren Plan, und du kannst ihn in jedem Spiel sehen", lobt Klopp: Dort nämlich würden alle Spieler zu jeder Zeit gemeinschaftlich verteidigen.

jpe