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Mahner Klopp: "Was wäre dann los gewesen?"

Liverpools Trainer sieht Karius "schon auf einem guten Weg"

Mahner Klopp: "Was wäre dann los gewesen?"

Auch nach dem 6:1 über Watford sieht Jürgen Klopp Verbesserungsbedarf bei den Reds.

Auch nach dem 6:1 über Watford sieht Jürgen Klopp Verbesserungsbedarf bei den Reds. imago

Aus Liverpool berichtet Carsten Schröter

"Natürlich bin ich sehr glücklich, aber wir sind immer noch früh in der Entwicklung und haben noch viel zu verbessern", sagte Klopp nach dem rauschenden Fußballfest, das ihm die erste Pole Position in der Tabelle seit 1128 Tagen (nach einem 0:2 in Gladbach am 8. Spieltag der Saison 2013/14 büßte Dortmund Rang eins ein) und den Reds nach 914 Tagen (damals im Mai unter Brendan Rodgers) bescherte. Es war ihm erkennbar daran gelegen, verbal auf die Euphoriebremse zu treten.

"Es ist zwar die beste Position, die ich mir vorstellen kann, aber wir bleiben cool, weil einfach noch nichts passiert ist", sagte Klopp angesichts erst elf absolvierter Spieltage und mit Hinweis auf die starke Konkurrenz: "Wir haben Chelsea am Samstag gesehen (5:0 gegen Everton) – ziemlich beeindruckend. Wir haben ManCity gegen Barcelona gesehen (3:1) – ziemlich beeindruckend. ManUnited - schreibt sie niemals ab. Tottenham ist ein starkes Team."

Arsenal, das mit seinem 1:1 im Nord-London-Derby gegen Tottenham am Sonntagmittag die Steilvorlage für die Liverpooler Gipfelerklimmung gegeben hatte, komplettiert die Liste der ärgsten Widersacher. Klopp: "Es gibt hier viele starke Mannschaften. Da kannst du eine richtig gute Saison spielen und andere sind trotzdem besser. Dann wirst du Fünfter oder Sechster und keiner ist wirklich glücklich." Seine Devise lautet deshalb: "Cool bleiben, die Dinge nehmen, wie sie sind, so gut wie möglich spielen und Fußballspiele gewinnen."

Es gibt keine Garantien. Das Einzige, was wir offensichtlich haben, ist ein ganz gutes Fußballteam. Also lasst uns versuchen, das zu nutzen.

Jürgen Klopp

Als er vor etwa einem Jahr an den River Mersey kam, habe er um "Zeit, Geduld und Glauben und einige weitere Dinge" gebeten. Nun würden alle nach nur elf Partien nach Garantien fragen. "Aber es gibt keine Garantien. Das Einzige, was wir offensichtlich haben, ist ein ganz gutes Fußballteam. Also lasst uns versuchen, das zu nutzen."

zum Spiel

Gegen ein zugegebenermaßen über weite Strecken harmloses Watford gelang das auf beeindruckende Weise. Die Hornets machten lange keinen Stich in diesem ungleichen Duell, weil sie von der furiosen Reds-Offensive regelrecht an die Wand gespielt wurden. Der Ex-Hoffenheimer Roberto Firmino als "falsche Neun" im Zentrum kam am Ende auf ein Tor und zwei Assists, sein Landsmann auf links, Coutinho, verbuchte einen Treffer und eine Vorlage, und Rechtsaußen Sadio Mané netzte zweimal ein. Während Zehner Adam Lallana den doppelten Zulieferer gab, köpfte der präsente Antreiber Emre Can zum 3:0 ein. Den Schlusspunkt setzte Georginio Wijnaldum nach einem abgewehrten Schuss des glücklosen und ebenfalls eingewechselten Daniel Sturridge, der zuvor zweimal die Latte getroffen hatte.

Ich muss daran erinnern, dass wir noch besser werden müssen. Ich weiß, wie das klingt.

Jürgen Klopp nach dem 6:1 über Watford

Chancen für ein zweistelliges Ergebnis waren also locker vorhanden. Das hätte Klopp bei allem Lob ("Wir haben ein richtig gutes Spiel gemacht, hatten noch richtig gute Spieler auf der Bank, die in richtig guter Verfassung sind.") aber auch gar nicht in den Kram gepasst. "Ich muss daran erinnern, dass wir noch besser werden müssen. Ich weiß, wie das klingt. Dabei geht es natürlich nicht darum, noch mehr Tore zu schießen. Dass wir nicht mehr geschossen haben, darüber bin ich übrigens sehr glücklich. Denn was wäre dann los gewesen?", so Klopp, der auf einen geringen Konzentrationsverlust in einige Szenen der zweiten Halbzeit hinwies: "Das ist normal. Dennoch ist Ballbesitz die beste Verteidigung. Ab und zu haben wir den Ball zu leicht hergegeben und mussten viel laufen, um ihn wieder zurückzuerobern. In einer Situation haben drei Mittelfeldspieler gegen fünf Verteidiger den Ball verloren und wir brauchten drei Minuten, um ihn wieder zurückzukriegen. Das ist harte Arbeit und Energieverschwendung in diesen Momenten." Gleichwohl gäbe es an diesem Tag natürlich nicht "viel zu kritisieren".

Karius: Luft nach oben, aber "schon auf einem guten Weg"

Vor allem auch nicht an der Leistung von Schlussmann Loris Karius, der sich trotz des Kantersieges etwa mit drei starken Paraden binnen fünf Minuten nach einer guten Stunde beim Stand von 5:0 auszeichnen konnte, dann aber bei Watfords Ehrentreffer durch Daryl Janmaat (75.) von seinen Vorderleuten im Stich gelassen wurde. "Er hat gut gespielt. Ich weiß, dass wieder einmal jeder Perfektion vom ersten Tag an erwartet, wenn ein neuer Spieler kommt. Natürlich kann er noch viel verbessern, aber er bringt alle Fähigkeiten mit, die es unserer Meinung nach für einen Torwart braucht", urteilt Klopp und schiebt nach: "In Liverpool zu sein, ist natürlich ziemlich beeindruckend, in diesem Stadion zu spielen, ist ziemlich beeindruckend. Wir alle erwarten, dass 22-, 23-, 24-jährige junge Männer für alle Dinge in der Welt bereit sind. Ich weiß, dass er besser werden kann, aber er ist schon auf einem guten Weg. Zusammen mit Simon (Mignolet, Anm. d. Red) haben wir ein wundervolles Torwart-Pärchen. Sie pushen sich gegenseitig hart und das wir sicherlich beiden helfen."

In der Defensive, in der der Ex-Schalker Joel Matip gegen Watford einen weitgehend souveränen Part als Abwehrchef spielte, schlummert wohl insgesamt noch das größte Verbesserungspotenzial bei den Reds. Wenn es Klopp gelingt, die Hintermannschaft im Verlaufe der Runde konstant auf ein ähnliches Topniveau wie seine Angriffsabteilung zu trimmen, könnte er womöglich auch am Ende der Saison noch "Jürgen Top" heißen und dann gestrost die Füße von der Euphoriebremse nehmen.

Carsten Schröter

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