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Sheffield FC: Ältester Klub will zurück nach Hause

Crowdfunding-Projekt soll beim Stadionbau helfen

Sheffield FC: Ältester Klub will zurück nach Hause

Derzeit im Exil in Dronfield: Sheffield FC, gegründet 1857, will endlich in seine Heimat zurückkehren.

Derzeit im Exil in Dronfield: Sheffield FC, gegründet 1857, will endlich in seine Heimat zurückkehren. kicker

Wer erfahren will, wie klein die große, weite Fußballwelt doch ist, der muss nur durchs Tal der Hoffnung fahren. Er nimmt am besten den Zug der "Hope Valley Line" in östlicher Richtung nach Sheffield. Von der Manchester City Academy etwa, mit den streng bewachten 16,5 Spielfeldern überwiegend aus Kunstrasen, bis zum Sandygate Ground braucht es so keine zwei Stunden. Eine Holztür in einer uralten Steinmauer bildet den Hintereingang zum Hallam FC, es ist die Pforte des Hallam Cricket Club. Sandygate hat ausreichend Rasen für zwei Sportarten. Schief in der Landschaft hängen beide Plätze.

Zwischen den Fußballtoren hat am Abend der Hallam FC gegen den Sheffield FC gespielt. Eine Halbzeit hoch, die zweite runter. Es heißt, die leichten Erhebungen in den Fünfmeterräumen rührten von den Urnen mit der Asche Ehemaliger her. Der zweitälteste Verein der Welt empfing den ältesten Klub der Welt im ältesten Stadion der Welt zum ältesten Derby der Welt. So wie erstmals am Boxing Day 1860. Das 155. Duell nun ging im Elfmeterschießen an die Gastgeber.

In der Stahlstadt Sheffield ist die Geschichte des Fußballs greifbar

Wer auf der Fußballseite des Sandygate Ground heraustritt, den erwartet direkt gegenüber das Pub "The Plough". Es diente über viele Jahrzehnte auch als Umkleidekabine. Es braucht kein Pint im "Pflug", um auf die Frage zu kommen, warum es in Sheffield kein offizielles Kulturerbe des Fußballs gibt. Schließlich ist die Geschichte des "beautiful game" nirgendwo so greifbar wie in der Stahlstadt im südlichen Yorkshire. Eine Antwort findet sich in London, wo die Football Association ihre Gründung am 26. Oktober 1863 betont und den Ur-Klub Sheffield FC, geboren am 24. Oktober 1857, geflissentlich übersieht.

Der Antrieb, dies endlich zu ändern, kommt vor allem auch aus Deutschland. In dieser Woche startete ein Crowdfunding-Projekt auf der Internetplattform www.indiegogo.com . Das Ziel ist, dem Sheffield FC, im Vorort Dronfield im Exil, die Rückkehr an seine alte Heimat "Olive Grove" in der Stadtmitte zu ermöglichen. "Dort, wo der Fußball erfunden wurde, soll der Verein wieder ein kleines Stadion haben", sagt Jan-Henrik Gruszecki (30).

Der Fußball ist eine der größten Erfindungen der Menschheit, aber von den Jungs, die den ersten Klub gegründet und die ersten Regeln geschrieben haben, weiß keiner was.

Robert Zitzmann, Initiator

Gruszecki, BVB-Fan und Filmautor, hat schon die Dokumentation über den Dortmunder Vereinsgründer Franz Jacobi erfolgreich über Crowdfunding finanziert. Hinter der neuen Spendenaktion steckt die Idee, "dem Verein ein Geschenk zu machen, der uns den Fußball geschenkt hat", wie Robert Zitzmann es ausdrückt. Er hat sich der Sache des SFC "aus totaler Überzeugung" verschrieben, seit er vor vier Jahren dessen Präsidenten Richard Tims auf einer Fan-Veranstaltung beim FC St. Pauli kennenlernte.

"Der Fußball ist eine der größten Erfindungen der Menschheit, aber von den Jungs, die den ersten Klub gegründet und die ersten Regeln geschrieben haben, weiß keiner was." Zitzmann weiß alles. Der 31-jährige Hamburger verwaltet das Tagebuch von Nathanial Creswick, einem der beiden Pioniere von Sheffield. Dessen 88-jähriger Großneffe Geoffrey Norton hat es Zitzmann kürzlich überlassen, "weil niemand in Sheffield sich so sehr dafür begeistert. Nimm es und erzähl die Geschichte".

Zitzmann hat das Tagebuch "sofort versichert, nicht versilbert". Die Prämien bezahlt er aus der eigenen Tasche. Überhaupt, das Geld. Der FC Sheffield ist als Stiftung organisiert und, wie anno 1857 verewigt, dem Amateurgedanken verpflichtet, zahlt seinen Spielern keinen Cent. Der Achtligist hegt keine sonderlichen Aufstiegsambitionen. Aus der Jugendabteilung des SFC bedienen sich die großen Klubs der Stadt, Wednesday und United. Die Frauen sind in die 2. Liga aufgestiegen.

Sheffield FC zu Gast beim DFB

Zu Gast beim DFB: Die Mannschaft der Sheffield FC mit Präsident Richard Tims (r.). Getty Images

Für Präsident Tims steht die Rückkehr dorthin, wo alles begann, über allem. Die Angebote arabischer Investoren, das ersehnte Stadion mit vielleicht 10 000 Plätzen an alter Stätte zu errichten, haben Tims und Zitzmann abgelehnt. Sie wollen die "spirituelle Heimat des Weltfußballs glaubwürdig und mit den alten Werten" schaffen.

Unterstützung aus Deutschland - Fünf Jahre Zeit für die Rückkehr

Auf deutsche Unterstützung können sie bauen. Der SFC war unlängst auf Deutschland-Tour, beim DFB zu Gast, spielte gegen den TuS Haltern, gegen eine Essener Auswahl und trat in Dortmund zu einem Rückspiel gegen den von Europacup-Gewinner Siggi Held gecoachten BVB III mit Champions-League-Sieger Lars Ricken an. Die Beziehung zu den Schwarz-Gelben währt schon länger, Puma wurde so zum Ausrüster der Rot-Schwarzen. Gruszecki hofft, "dass in jedem Klub der Welt der Betrag in der Landeswährung in Höhe des Gründungsjahres zusammenkommt". Für Rot-Weiss Essen zum Beispiel wären das 1907 Euro. RWE-Geschäftsführer Michael Welling meint: "Wenn jeder nur einen Euro gibt, könnten unsere Mitglieder 5000 Euro aufbringen. Ich finde Fußball gut, deshalb finde ich den FC Sheffield gut. Es ist wichtig, die Werte des Spiels auch jenseits der Institutionen und der Kommerzialisierung zu pflegen."

Fünf Jahre. Für diesen Zeitraum hat die Stadt Sheffield das "Olive Grove"-Grundstück wieder zur Verfügung gestellt, damit der Traum vom Kulturerbe in Erfüllung gehen kann. Dort, wo die ersten Regeln in einem Gewächshaus aufgeschrieben wurden. "Wir trauen uns jetzt", sagt Robert Zitzmann. "Wenn wir es jetzt nicht probieren, dann werden wir nie mehr herausfinden, ob es klappt."

Jörg Jakob