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Serie Football Britannia: Die Schlechtesten der Insel

kicker-Reportagereihe "Football Britannia", Teil 4: Fort William FC

Die Schlechtesten der Insel

Der Adler bringt die Eckfahnen: James "The Eagle" Annett, Jugendtrainer bei Fort William.

Der Adler bringt die Eckfahnen: James "The Eagle" Annett, Jugendtrainer bei Fort William. Stuart Roy Clarke

Claggan Park ist ein grandioses Fleckchen Erde am Fuße des majestätischen Ben Nevis, dem mächtigsten Berg der Britischen Inseln, mit 1344 Metern über dem Meeresspiegel. Es gibt in ganz Großbritannien keinen malerischeren Ort für einen Kick. Claggan Park ist ein Fußballplatz, doch der ist schlecht. Dem Fort William Football Club gehört der Platz nicht. In einer der nassesten Städte des Königreichs liegen die Temperaturen von Dezember bis März selten über dem Gefrierpunkt. Das Wetter verursacht Chaos im Spielplan. Neun Partien mussten in dieser Saison bereits abgesagt werden. Fort William hat jedes Jahr mehr Neuansetzungen als Punkte.

Die Resultate sind scheußlich. In fünf der letzten sechs Spielzeiten der Highland League hat "The Fort" keine zweistellige Punktzahl erreicht, aber zum Himmel schreiende Tordifferenzen: -86, -81, -140, -105 und -112. Wenig überraschend also, dass die Männer in Gelb und Schwarz ständig am Ende stehen - 20 Jahre ist es schon her, dass sie einmal besser abschlossen als auf dem drittletzten Platz.

Die Highland League wurde in den 1890er Jahren für die Menschen im Norden des Landes gegründet. Bis zur nationalen Spielklassenreform 1994 war der FC Aberdeen das nördlichste Team der Scottish Football League. Mit der Aufnahme der zwei Hochland-Klubs Inverness Caledonian Thistle und Ross County (aus Dingwall) änderte sich das. Inverness spielt heute in der Scottish Premier League. County ist auf dem besten Weg, in die 1. Liga aufzusteigen. Für Fort William ist das alles weit weg. Der jüngste Erstrundenauftritt im Pokalwettbewerb endete für den Fünftligisten mit einem 0:4 gegen die Amateure von Bo'ness United.

Für die meisten Auswärtsspiele brauchst du über zwölf Stunden.

Danny Conlon, Trainer

In Fort William, der zweitgrößten Stadt im Hochland, drohen die 10 000 Einwohner bisweilen unter den 100 000 Bergsteigern und Mountainbikern unterzugehen, die pro Jahr auf den Ben Nevis hochwollen. Der Name der Stadt am Loch Linnhe geht auf Wilhelm von Oranien zurück, und sie hat die beste Shinty-Mannschaft Schottlands. Das ist das nächste Problem: Shinty. Das traditionelle Mannschaftsspiel mit Schlägern und Ball ist hier am populärsten. Der Fort William Shinty Club wurde 1802 gegründet, 91 Jahre vor dem Fußballverein. Der Kabarettist Billy Connolly schlug vor, dass Shinty den Fußball als Nationalsport ablösen sollte, weil es im schottischen Fußball so schlecht läuft - hier in Fort William konnten sie darüber kaum lachen.

"Die Stadträte unterstützen lieber Shinty", erzählt Klub-Präsident John Watssman dem kicker. "Als ein ehrenamtlich geführter Verein haben wir keinen Eigentümer, keiner wird bezahlt außer den Spielern und die überwiegende Mehrheit unserer Mannschaft stammt aus der eigenen Jugend. Die Auswärtsfahrten sind nicht einfach, bei den Verkehrsverhältnissen mit den einspurigen Straßen um Seen und Berge herum."

Aber der Platz ist das Hauptproblem. Verzweifelt sucht der Klub nach Spenden, um das Spielfeld im Claggan Park auf Vordermann zu bringen. Aber sie finden ja nicht einmal einen Trikotsponsor. Danny Conlon ist jetzt in der dritten Saison der Teammanager, in den 27 Jahren vorher war er Spieler und Coach, also Assistenztrainer. Er sagt: "Am schwierigsten ist es, eine unveränderte Mannschaft aufzustellen, meistens müssen wir drei, vier Spieler ersetzen. Wochentagsspiele sind besonders schlimm, weil du nie weißt, wann sich die Jungs von der Arbeit verabschieden können.Wir spielen in einer Halbprofi-Liga, aber die meisten unserer Spieler sind Amateure." Andererseits: "Die Hingabe der Spieler und Trainer ist hier so groß wie bei keinem anderen Klub. Sonst funktioniert es auch nicht, wenn du für die meisten Auswärtsspiele zwölf Stunden und mehr brauchst."

Die kicker-Serie "Football Britannia"

"Wer auch immer bei uns zu Gast ist, alle sind begeistert von der einzigartigen Lage unseres Spielfeldes, aber der schlechte Zustand beeinträchtigt natürlich unser Training", wirbt der Trainer um Verständnis. Trotz aller Rückschläge - Fort William hat es erst einmal auf den vorletzten Platz geschafft. Vor Strathspey Thistle, der Mannschaft aus Grantown-on-Spey. Mit ihr liegt "The Fort" seit drei Jahren am falschen Ende der Tabelle im Dauerclinch um die "Spitze": Wer wird nicht Letzter?

Vor dem Hinspiel im Claggan Park hat Fort William neun Spiele verloren, Strathspey zwölf. Das Match wird zur "Battle of Britain" stilisiert, zum Duell "der beiden schlechtesten Teams der Insel". "The winner takes it all", lautet der Spott. Radio-Moderator Danny Baker bittet in seiner landesweiten Frühstücks-Show jenen Zuschauer, der zum Spiel gehen werde, um einen Anruf im Studio. Aber keiner der trotzig-stolzen 160, die bei Wind und Regen hinpilgern, wird ihm heute diesen Gefallen tun.

Vor dem Anstoß besprechen Conlon und seine Assistenten im Mittelkreis die Taktik. Das Gras, an manchen Stellen mit Feinkies und Sand vermischt, ist ein bisschen zu hoch. Aber die Fleischpasteten und Wurströllchen sind heiß. Fraser Munro, dem bärtigen Kapitän der Gäste, ist von der Aufofahrt auf der "long and winding road" schlecht geworden. Fort-Spielführer Andrew Martin gewinnt die Seitenwahl. Bevor es dunkel wird, scheint hinter einem Tor noch mal die Sonne prächtig auf den Ben Nevis. Doch es ist kein Tag für Ablenkungen: Verlieren verboten!

Es geht 2:2 aus. Zweimal gleicht Fort William durch Danny Mackintosh und Logan Barker aus. Barkers erlösender Treffer in letzter Minute wird ausgiebig gefeiert. Eine Woche später schafft Fort William gar einen sensationellen Auswärtssieg in Rothes. Danach aber hagelt es wieder Niederlagen. 0:6, 0:4, 0:5. Auch im ersten Heimspiel des Jahres 2012 geht der Schuss nach hinten los: Gegen den Drittletzten Brora Rangers schießt Sean Ellis das Fort in Führung. Doch sein Cousin Michael wird vom Platz gestellt und Trainer Conlon wegen Meckerns auf die Tribüne verbannt. Fort William verliert noch 1:3.

Stuart Roy Clarke, der Fotograf, erzählt: "Hinter ehemaligen Schlachtfeldern liegt das Tor zu Fort William. Der Co-Trainer, mit den Händen in der Tasche, macht sich Sorgen vor dem Heimspiel gegen Strathspey Thistle. Die Ultras spielen hier Blechflöte. Die Spielführer sind nervös. Und hinterm Tor versammeln sich Verwandte, Reservespieler, Groupies. Anpfiff. Nach 3500 Spielen als Fotograf sitze ich auf Disteln und denke: Hier bin ich in meinem Element. Das ist wahre Fußball-Liebe."

Der Hoffnungsschimmer ist Strathspey, nach 22 Partien mit zwei Zählern Tabellenletzter. Die Jungs in Blau machen Fort William den ungeliebten Titel "Schlechteste Fußballmannschaft Großbritanniens" weiter streitig.

"Das Wichtigste ist in dieser Saison nicht der Tabellenplatz. Die Jugendspieler schlagen gut ein. Zehn von ihnen, alle jünger als 19, haben schon in der ersten Mannschaft gespielt. Wir machen Fortschritte", sagt Danny Conlon. Das Rückspiel, Strathspey gegen Fort William, ist für März vorgesehen. Dann wird über den Letzten der Highland League 2011/12 entschieden. Vermeidet Fort William eine Niederlage, geht der Kelch diesmal wohl vorüber. Das wäre ein Fortschritt, keine Frage.

Derweil betet Präsident Watssman, es möge sich endlich ein Mittel gegen die erbärmlichen Platzverhältnisse finden: "Wenn irgendjemand ein paar Euros übrig hat und Besitzer eines Fußballklubs werden will, soll er sich melden. Da die gesamte Struktur des schottischen Fußballs reformiert wird, ist es möglich, ab 2015 von der Highland League in die Football League und von dort in die schottische Premier League aufzusteigen und dann sogar nach Europa zu kommen. Vielleicht", ergänzt der Klub-Chef, "klappt das niemals - aber wir träumen davon."

Lance Hardy

Tapfere Kämpfer: Der Fort William FC

Dieser Text erschien am 27.02.2012 auf kicker.de.