EM

Nach der Niederlage: Wohltuender Realismus

Squadra Azzurra kann beruhigt nach Rom zurückkehren

Nach der Niederlage: Wohltuender Realismus

Das beste rausgeholt: Italien war trotz des Viertelfinalaus eine der positiven Überraschungen des Turniers.

Das beste rausgeholt: Italien war trotz des Viertelfinalaus eine der positiven Überraschungen des Turniers. imago

Aus Bordeaux berichtet Hardy Hasselbruch

2016 ist neuer Realismus eingezogen in Italien. Das Viertelfinal-Aus der Squadra gegen Deutschland im Elfmeterschießen (5:6) von Bordeaux rief zwar die direkte Enttäuschung bei den Haudegen wie Kapitän und Keeper Gianluigi Buffon (38) und Abwehrrecke Andrea Barzagli (35) hervor, dass ihnen vor laufender Kamera die Tränen in die Augen stiegen. Und dennoch relativierte auch der so ambitionierte Trainer Antonio Conte das Ausscheiden.

"Im Elfmeterschießen auszuscheiden, tut immer weh. Aber ich bin stolz auf meine Jungs. Es ist kein Abschied, sondern ein Auf Wiedersehen", verabschiedete sich Conte aus Bordeaux. Erhobenen Hauptes. Niemand der am Ende gebannt mit fiebernden Tifosi hätte vor der EM ein solch positives Turnier von diesem "Team Italia" erwartet.

Die Ansprüche waren bescheiden. Völlig unaufgeregt und unitalienisch. Zu durchschnittlich war dieser Kader von Antonio Conte besetzt. Während bei anderen Endrunden die Squadra mit glanzvollen Namen wie Pirlo, Balotelli oder del Piero und Baggio oder gar Riva und Rivera auflief, mussten diesmal mehr oder weniger Namenlose wie Stefano Sturaro oder Marco Parolo die Kastanien aus dem Feuer holen.

Klar, hinten stand die eiserne Juventus-Mauer um den immer noch überragenden Buffon und seinen Vorderleuten Barzagli, Bonucci und Chiellini, aber der Rest war halt nur biederer Durchschnitt. Und dennoch ein Kader, den Antonio Conte handverlesen für seinen Plan zurechtschneiderte. Handwerklich sauber, aber ohne den üblichen Schnickschnack und Firlefanz. Teamwork hieß die Conte-Maxime. "Ich habe 23 Spieler, die einen tollen Job machen. Ich habe Jungs, auf die ich mich verlassen kann", versprühte Conte ein nicht vorhandenes Credo.

Und das fand in Frankreich die Akzeptanz der Tifosi. Realismus statt Surrealismus! "Kopf hoch! Italien unbezähmbar mit immensem Herz und Organisation. Darauf lässt sich aufbauen. Wir haben eine heroische Partie verloren, nicht den Weg, der uns wieder nach oben führt", analysierte die Gazzetta dello Sport nüchtern und aufmunternd. "Grande Italia! Herz und Stolz, diese Mannschaft hat nicht verloren und verdient tosenden Applaus", lobte der Corriere dello Sport.

Auch Antonio Conte hatte das unglückliche Aus schnell verarbeitet. "Es ist schade, so auszuscheiden. Es ist eine Lotterie, und wir lagen vor dem vierten Elfmeter in Führung. Aber eine Spitzenmannschaft hat es geschafft, weiterzukommen. Ich habe ja schon vorher gesagt, dass Deutschland die stärkste Mannschaft der Welt ist", sah sich der Realist bestätigt. Wohltuend! Die Squadra jedenfalls kann nach dieser EM beruhigt nach Rom zurückkehren. Der Empfang dürfte freundlicher ausfallen, als bei vergleichbaren Momenten in der Vergangenheit.