Frauen

Schröder: "Der DFB hatte keinen Plan B"

Turbines Ex-Trainer über Potsdams Saison, Jones' Aus und Hrubeschs Berufung

Schröder: "Der DFB hatte keinen Plan B"

Um klare Worte nie verlegen: Turbine Potsdams Ex-Trainer Bernd Schröder.

Um klare Worte nie verlegen: Turbine Potsdams Ex-Trainer Bernd Schröder. imago

Er schlägt die Bildung einer Taskforce vor - und fordert die früheren Bundestrainerinnen Silvia Neid und Tina Theune auf, sich aktiver einzubringen.

Schröder hat gute Laune an diesem Mittwoch, und das liegt auch an Turbines Pokalerfolg in Frankfurt am Abend zuvor. Er war bis zu seinem Abschied 2016 insgesamt 45 Jahre Trainer bei Turbine. Auch wenn Trainer-Oldies wie Jupp Heynckes (72), Friedhelm Funkel (64) und eben Hrubesch (66) gerade schwer angesagt sind: Ein Comeback auf der Bank plant Schröder nicht, 2017 lehnte er eine Anfrage des chinesischen Verbandes ab.

Im Ruhestand ist er dennoch nicht. Sein Netzwerk ist intakt - und seine Liebe zum Fußball nicht erkaltet. Hrubeschs Debüt als Trainer der deutschen Frauen-Nationalmannschaft am 7. April in Halle/Saale gegen Tschechien (WM-Qualifikation) will Schröder live im Stadion verfolgen.

kicker: Turbine Potsdam ist mit einem 2:0 beim FFC Frankfurt souverän ins Halbfinale des DFB-Pokals eingezogen, obwohl Lia Wälti, Tabea Kemme, Caroline Siems und Felicitas Rauch fehlten. Hat Sie das Ergebnis unter diesen Vorzeichen überrascht, Herr Schröder?

Bernd Schröder: Nein. Turbines Kader umfasst inzwischen 24, 25 fast gleichwertige Spielerinnen. Wenn dann mal ein paar ausfallen, ist das nicht schlimm, wobei Lia Wälti schon sehr wichtig ist fürs Spiel. Aber Frankfurt ist auch nicht mehr die Macht früherer Jahre. Überragenden Individualistinnen wie früher Birgit Prinz, Renate Lingor, Celia Sasic oder Mandy Islacker hat der FFC nicht mehr.

kicker: Turbine ist als einziges Team in der Bundesliga noch ungeschlagen und käme mit einem Sieg im Nachholspiel gegen Duisburg bis auf zwei Punkte an den Zweiten Freiburg heran. Ruft die Mannschaft das ab, was in ihr steckt?

Schröder: Das tut sie. Der Kader ist tief besetzt, die Altersstruktur ist gesünder als bei der Konkurrenz, bei Standards ist Turbine eine Macht. Wir sind absolut auf Augenhöhe – auch mit Wolfsburg und Bayern.

kicker: Ist die Meisterschaft noch offen?

Schröder: Ja. Wolfsburg ist noch nicht durch und muss noch nach Potsdam. Turbine ist stark genug, um im Pokal und in der Bundesliga bis zum Ende mitzumischen.

kicker: Im Vorjahr, der ersten Saison nach Ihrem Abschied als Trainer, landete Turbine unter Matthias Rudolph auf Platz drei. Sehen Sie eine Entwicklung?

Schröder: In jedem Fall. Im Vorjahr führte Turbine lange die Liga an. Dann hat man sich ein bisschen in die Hosen gemacht, statt es ins Ziel zu bringen. Jetzt sind alle im Verein selbstbewusster und entschlossener. Das finde ich gut.

kicker: Der neue Frauen-Bundestrainer Horst Hrubesch schaute sich das Spiel in Frankfurt vor Ort an. Bayern-Coach Jupp Heynckes ist 72, Hrubesch 66: Wann greifen Sie wieder ein?

Schröder: (lacht) Ich bleibe in der Beobachter-Rolle, keine Sorge. Ich denke, dass die Renaissance der Alten nur ein Aufflackern ist. Es gibt genügend junge, kompetente Trainer, auch wenn sich einige von denen zu sehr selbst gefallen.

Es gibt genügend junge, kompetente Trainer, auch wenn sich einige von denen zu sehr selbst gefallen.

Bernd Schröder

kicker: Ist Hrubesch der Richtige für den Job?

Schröder: Er soll es voraussichtlich nur für die beiden WM-Qualifikationsspiele Anfang April machen. Unter ihm wird das Team funktionieren, weil er Autorität mit Fingerspitzengefühl verbindet. Die Frauen werden ihm zuhören, Steffi Jones hörten sie nicht mehr zu. Ich schätze Hrubesch sehr, aber zum Frauen-Fußball brauchst du einen speziellen Zugang. Dass er die Lösung ist, ist ein trauriges Zeichen. Dass es mit Jones nicht funktioniert, wusste der DFB spätestens nach der EM im Sommer 2017. Es gab kein Erkenntnis-, aber ein Umsetzungsproblem. Der Schnitt war überfällig. Aber der DFB hatte keinen Plan B.

kicker: Woran ist Jones gescheitert?

Schröder: Sie fuhr einen Schlingerkurs: beim Personal und beim System. Die Mannschaft hat nicht an sie geglaubt, weil die Erfolge fehlten. Und die Spielerinnen haben sie im Stich gelassen. Der Auftritt beim SheBelieves-Cup war der Tiefpunkt in der Geschichte der deutschen Frauen-Fußball-Nationalmannschaft. Du darfst verlieren, aber nicht so.

Der Auftritt beim SheBelieves-Cup war der Tiefpunkt in der Geschichte der deutschen Frauen-Fußball-Nationalmannschaft. Du darfst verlieren, aber nicht so.

Bernd Schröder

kicker: Für die Zeit nach Hrubesch gelten Ralf Kellermann, Martina Voss-Tecklenburg und Maren Meinert als Kandidaten. Wen favorisieren Sie?

Schröder: Maren Meinert will und wird das nicht machen, sie fühlt sich im U-Bereich beim DFB gut aufgehoben. Ralf Kellermann hat in Wolfsburg eine Stellung auf Lebenszeit. Er wäre bescheuert, wenn er die aufgeben würde. Martina Voss-Tecklenburg ist die beste Lösung – mit jemandem wie Ralf Peter, der ein Frauen-Fußball-Fachmann und starker Analytiker ist, an ihrer Seite.

kicker: Was spricht für Voss-Tecklenburg?

Schröder: Sie hat als Spielerin und Trainerin Erfahrung auf hohem Niveau, macht in der Schweiz als Nationaltrainerin einen guten Job und ist in ihrer Art sehr konsequent. Sie ist unbequem, aber das spricht eher für sie. Mit ihr würde der deutsche Frauen-Fußball zu seinen Wurzeln zurückkehren.

kicker: Ist die WM-Qualifikation gefährdet?

Schröder: Nein. Obwohl wir ein Mentalitäts- und auch ein Qualitätsproblem haben: Diese Gruppe musst du schaffen. Trotzdem dürfen wir nicht zur Tagesordnung übergehen, sondern müssen die Kräfte bündeln. Das Olympia-Gold 2016 hat vieles kaschiert. Es ist Zeit, dass alle an einen Tisch kommen.

kicker: Was schlagen Sie vor?

Schröder: Der DFB sollte eine Taskforce bilden – mit den kompetentesten Köpfen aus Verband und Klubs. Auch unsere früheren Auswahltrainerinnen Tina Theune und Silvia Neid sollten dort ihre Erfahrungen und Ideen einbringen. Im Moment ist mein Eindruck, dass sich beide verstecken.

Interview: Steffen Rohr