EM

"Das war unsere große Titelchance"

Interview mit Torsten Frings (31)

"Das war unsere große Titelchance"

Torsten Frings, Michael Ballack

Zwei 31-Jährige - Torsten Frings und Michael Ballack (re.). Was kommt nun noch? imago

kicker: Nach dem Halbfinal-Trauma gegen Italien 2006 nun die Endspiel-Niederlage gegen Spanien. Ist es ein Trost, dass die Mannschaft sowieso vielleicht erst 2010 den Zenit erreicht, Herr Frings?

Torsten Frings: Im Moment natürlich nicht. Das war unsere ganz große Titelchance, dementsprechend ist jetzt unsere Enttäuschung. Aber wir werden auch bald wieder nach vorne schauen. Wir wollen uns weiterentwickeln und 2010 bei der Weltmeisterschaft in Südafrika erneut hohe Ziele erreichen.

kicker: Dass Sie bis zur nächsten WM weitermachen, hatten Sie vor der EURO schon klargestellt.

Frings: So klar habe ich mich nie geäußert. Aber die WM 2010 ist mein nächstes großes Ziel mit dem Team. Doch ich werde sicher nicht bis zum Karriereende in der Nationalelf spielen, das steht fest.

kicker: Wieso?

Frings: Meine letzte Saison will ich unbedingt für Alemannia Aachen spielen. Ich fände es selbst komisch, da noch Nationalspieler zu sein.

kicker: Sie waren in den letzten Monaten oft verletzt. Machen Sie sich auch deshalb Gedanken?

Frings: Sicher spielt das eine Rolle. Im Turnier habe ich schon gemerkt, dass ich in der Saison sieben Monate gefehlt habe. Grundsätzlich muss man bei den vielen Spielen in der Liga und der Champions League genau abwägen, ob es für den Körper sinnvoll ist, auch noch Länderspiele zu bestreiten.

kicker: Ist es noch sinnvoll?

Frings: Im Moment sähe ich darin keinen Grund, um aufzuhören.

kicker: Im Finale spielten Sie mit angebrochener Rippe. Ein Risiko?

Frings: Nein. Gegen die Türkei ging es sehr gut, und ich habe schon mit schlimmeren Verletzungen gespielt: Einem Kreuzbandriss oder einem Wadenbeinbruch, weil ich die Verletzungen zunächst gar nicht registriert hatte. Nach dem Rippenbruch konnte ich nun mit dem Schmerz umgehen, nur ein Einsatz gegen Portugal wäre unmöglich gewesen, weil ich zu wenig Luft bekam.

kicker: Vorm Halbfinale stoppte Sie zunächst der Bundestrainer. Sie sollen sehr enttäuscht gewesen sein.

Frings: Natürlich wollte ich spielen, unbedingt. Es war einfach total bitter für mich, nach der Sperre 2006 schon wieder ein Halbfinale zu verpassen. Darüber vergisst man dann schon einmal, was eigentlich das Beste für die Mannschaft ist und denkt zu sehr nur an sich selbst.

kicker: Wie lange brauchten Sie, um die Sache so zu verarbeiten, dass Sie noch mal an Löws Tür klopften, um ihm mitzuteilen, Sie hätten als Trainer genauso entschieden?

Frings: Nicht lange. Ein, zwei Stündchen. Ich hatte ja selbst Restzweifel und hätte gar nicht sagen können, wie lange ich durchhalte.

Konkurrenz? "Aktuell sehe ich da keinen"

kicker: Thomas Hitzlsperger und Simon Rolfes hatten gegen Portugal zudem keinen Anlass gegeben, etwas zu ändern. Spüren Sie den Atem der Jüngeren im Nacken?

Frings: Konkurrenzkampf wird und muss es immer geben. Und sicher hat die Mannschaft gegen Portugal ein gutes Spiel gemacht. Aber mit mir hat sie viele gute Spiele gemacht. In einem Fünfer-Mittelfeld ist es zudem etwas leichter, die Räume zu schließen, als im 4-4-2, wenn nur Michael Ballack und ich vor der Abwehr spielen.

kicker: Klingt nicht so, als sähen Sie Ihren Stammplatz gefährdet.

Frings: Ganz sicher nicht! Ich habe immer gesagt, es muss erst mal einer kommen, der auf Dauer besser ist. Aktuell sehe ich da keinen.

kicker: Im Turnierverlauf hat die Mannschaft zwei Gesichter gezeigt. Vor allem ein mentales Problem?

Frings: Glaube ich nicht. Okay, die Kroaten haben wir nach dem sehr guten Start gegen Polen vielleicht etwas unterschätzt. Gegen Österreich musste man dann halt gewinnen, egal wie. Sonst wären wir auf Jahre hinaus die Deppen gewesen. Diesem Druck haben wir standgehalten. Gegen Portugal haben wir sehr, sehr gut gespielt. Das Kampfspiel gegen die Türkei haben wir angenommen und gewonnen. Gerade in der Endphase haben wir da unsere mentale Stärke gezeigt.

kicker: Der eigene Anspruch vom dominanten, vertikalen Spiel wurde aber selten umgesetzt.

Frings: Das ist doch völlig egal. Die Teams, die den vermeintlich schönsten Fußball gespielt haben, durften uns am Sonntagabend alle zuschauen. Im Turnier zählt es, hinten dichtzumachen, möglichst wenig zuzulassen. Das haben wir geschafft und die entscheidenden Tore geschossen. Über den Finaleinzug hätten sich ruhig auch die Journalisten mal freuen dürfen.

Frings, Lehmann

Auf der Linie geklärt: Torsten Frings, rechts Jens Lehmann. dpa

kicker: Über die Berichterstattung wurde teamintern viel diskutiert.

Frings: Allerdings. Schließlich sind wir im Ausland besser angesehen als zu Hause! Wir kommen binnen zwei Jahren ins WM-Halbfinale und ins EM-Finale - und müssen immer noch lesen, wie schlecht wir seien.

kicker: Dass er die Konstanz vermisste, räumt aber auch der Bundestrainer ein. Hat sich die Mannschaft seit 2006 weiterentwickelt?

Frings: Wir behaupten ja gar nicht, nur tolle Spiele gemacht zu haben. Aber wir haben umgesetzt, was wir angekündigt hatten. Wir sind abgeklärter geworden, geben Spiele nicht mehr so leicht aus der Hand.

kicker: Wie hat sich Joachim Löw vom Klinsmann-Assistenten zum erfolgreichen Chef entwickelt?

Frings: Da gab es sowieso nie Zweifel. Inhaltlich sind die Unterschiede gar nicht so groß. Klinsmann hat uns permanent gepusht, Jogi macht alles einen Tick ruhiger, entspannter. Und doch sehr motivierend.

kicker: In Wien saß Klinsmann auf DFB-Einladung auf der Tribüne.

Frings: Das freut uns sehr. Ebenso, dass Bernd Schneider da war. Platz zwei ist auch ihr Erfolg.

kicker: A propos Klinsmann - wird Bayern mit ihm übermächtig?

Frings: Ich hoffe eher, dass er ein paar Probleme bekommt. Nicht, weil ich ihm keinen Erfolg gönne, aber ich will ja mit Werder noch einiges erreichen. Bayern ist Top-Favorit. Doch ich hoffe, Werder holt noch Spieler, um mitzuhalten.

kicker: Speziell einen Stürmer?

Frings: Unter anderem. Aber ich denke, wir sollten in jedem Mannschaftsteil noch etwas tun.

kicker: Haben Sie sich auch persönlich um Lukas Podolski bemüht?

Frings: Natürlich spricht man über diese Dinge. Jetzt liegt es an Lukas.

Podolski und Schweinsteiger nach Bremen? "Das wäre das Allerbeste!"

kicker: Wie sind Werders Chancen?

Frings: Ich bin überzeugt, dass Lukas bei uns den Spaß am Fußball zurückgewinnen würde, den er bei der Nationalmannschaft auslebt, aber beim FC Bayern ein wenig verloren hat. In Bremen könnte er auf höchstem Niveau spielen und doch ohne großen Trubel leben.

kicker: Sollte Bastian Schweinsteiger dann nicht gleich mitkommen?

Frings: Das wäre selbstverständlich das Allerbeste!

kicker: Würden Sie zum Abschluss ein Geheimnis verraten?

Frings: Was denn?

kicker: Warum durfte niemand wissen, mit welchem Rippenschutz Sie spielten? Und: Wird er jetzt für einen wohltätigen Zweck versteigert wie Lehmanns Elfmeterzettel?

Frings: Es ist ein stinknormales Polster. Warum unsere Mediziner nichts verraten wollten, weiß ich selbst nicht. Vermutlich, um dem Gegner möglichst wenig Infos zu geben. Mit der Versteigerung bringen Sie mich aber auf eine sehr gute Idee ...

Thiemo Müller