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Islands Spirit versetzt Vulkane

Im Schatten der Stars: Sigurdssons kessen Worte vor Frankreich

Islands Spirit versetzt Vulkane

Die Bauherren von Islands erfolgreichem Werk: Der stoische Lars Lagerbäck (li.) und Zahnarzt Heimir Hallgrimsson.

Die Bauherren von Islands erfolgreichem Werk: Der stoische Lars Lagerbäck (li.) und Zahnarzt Heimir Hallgrimsson. picture alliance

Im April 2010 machte Gary Lineker schon einmal Erfahrung mit einem isländischen Vulkan. Just als der Eyjafjallajökull ausgebrochen war, war der ehemalige Nationalstürmer Englands durch eine Aschewolke von der britischen Insel abgeschnitten - und musste nun einen Umweg nehmen, um rechtzeitig aus seinem Kurzurlaub auf Teneriffa zu einer BBC-Sendung zurück in London zu sein. Linekers Husarenritt über Madrid und Paris glückte - und er analysierte vor laufenden Kameras einen Premier-League-Spieltag, den er gar nicht gesehen haben konnte.

Am späten Montagabend hatte Lineker wieder mit Vulkanen zu tun. Via Twitter entsandte er die zynische Nachricht in die Welt: "Die schlimmste Niederlage unserer Geschichte. England wird von einem Land geschlagen, das mehr Vulkane als professionelle Fußballer hat." Ein Mann wie Lineker, der derlei große Meriten um die Three Lions hat, ist befugt, sich ein solch hartes Urteil zu erlauben. Und er war ja seiner journalistischen Sorgfaltspflicht nachgekommen: 31 aktive Vulkane zählt Island, der EM-Kader umfasst 23 Spieler.

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So eine Hürde zu überwinden, verändert deine Mentalität als Fußballer.

Islands Trainer Heimir Hallgrimsson

Diesen gelang es am Montag im Stade de Nice an der Côte d'Azur mit purem Glauben, Vulkane zu versetzen. Nach dem imposanten 2:1 gegen England konnte sich der Boulevard den Kalauer freilich nicht verkneifen und schrieb: "Natürlich erzielt Sigthorsson das Siegtor."

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Kolbeinn Sigthorsson spielt in Nantes. Vor dem Turnier war er wohl nicht einmal Lineker, sondern allenfalls Experten des französischen Vereinsfußballs ein Begriff. Bei der EM ist der Angreifer integraler Teil eines Kollektivs, das pflichtbewusst die Ideale des Fußballs in Erinnerung ruft. Als verschworene Einheit, wie elf Freunde, rennen, kämpfen und köpfen die Isländer. Das Team hat keinen zu Allüren neigenden Star, Altmeister und CL-Sieger Eidur Gudjohnson hat den Zenit seines Schaffens längst überschritten und schmort auf der Bank, allenfalls der Ex-Hoffenheimer Gylfi Sigurdsson sticht etwas heraus.

Mit Namenlosen in der Runde der letzten Acht

Eine Einheit: Mannschaft und Fans feiern im Stade de Nice minutenlang die Zulassung für das Viertelfinale.

Eine Einheit: Mannschaft und Fans feiern im Stade de Nice minutenlang die Zulassung für das Viertelfinale. picture alliance

Verantwortet wird die Mannschaft von Lars Lagerbäck, einem stoisch anmutenden 67-jährigen Schweden, und Heimir Hallgrimsson, einem Zahnarzt in Teilzeit. Die beiden sind ein gleichberechtigtes Trainergespann, ein ungleiches Paar auf der Bank, das die Truppe der Namenlosen in die Runde der letzten Acht geführt hat.

"So eine Hürde zu überwinden", erklärte Hallgrimsson nach dem historischen Triumph über England, "verändert deine Mentalität als Fußballer. Du wirst selbstbewusster." Und auch wenn diese These keines Beweises bedurfte, lieferte ihn sein Schützling Ragnar Sigurdsson mit Blick auf das Viertelfinale gegen Frankreich.

Sigurdsson: Gegen Frankreich "etwas dominanter spielen"

Der Torschütze zum zwischenzeitlichen 1:1 sagte auf dem Podium im Medienraum des schmucken Stadions in Nizza: "Die Franzosen haben bisher noch nicht ihren besten Fußball gezeigt", urteilte Sigurdsson - und fügte kess an: "Aber wir auch nicht." Wer nun glaubte, seinen Ohren nicht trauen zu können, musste den Worten des Innenverteidigers nur weiter lauschen. Am Sonntag im Nationalstadion in St. Denis, führte Sigurdsson weiter aus, wolle Island noch "etwas dominanter spielen" als gegen England.

lei

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