EM

Cristiano Ronaldo giftet, Ricardo Carvalho wie verkatert

Portugal hadert nach dem Remis gegen Island

Cristiano Ronaldo giftet, Ricardo Carvalho wie verkatert

Scheiterte am isländischen "Mannschaftsbus": Portugals Superstar Cristiano Ronaldo.

Scheiterte am isländischen "Mannschaftsbus": Portugals Superstar Cristiano Ronaldo. Getty Images

Aus St. Etienne berichtet Thomas Hennecke

Sein Trainer Fernando Santos ging da deutlich mehr in die Tiefe, als er Portugals Auserwählten ihre dürftige Trefferquote vorhielt. "Wir sind selbst schuld, dass wir nicht mehr Tore erzielt haben", sagte er, "wir hätten geduldiger spielen müssen." Es stimmte Santos aus gutem Grund nachdenklich, dass Portugal 66 Prozent Ballbesitz und 27:4 Torschüsse nicht in einen überzeugenden Sieg ummünzen konnte. 37:23 Minuten der offiziell ermittelten Netto-Spielzeit von 56:55 Minuten führten seine Spieler den Ball - und verzweifelten am "pragmatischen Stil" der Isländer (Santos).

38.742 Zuschauer im Stade de Geoffroy Guichard erlebten am Dienstagabend einen Kampf der fußballerischen Kulturen. Hier die feinen Techniker des nach vorn ausgerichteten viermaligen EM-Halbfinalisten, dort die robusten Verteidigungskämpfer aus Island, die ihren Sport in erster Linie physisch interpretieren - und zur raschen Überbrückung des Mittelfeldes am liebsten lange Bälle schlagen. Dass Portugal über das erheblich größere Reservoir an Mitteln verfügt und St. Etienne doch unverrichteter Dinge wieder verließ, entlarvt Fußball einmal mehr als Spiel mit unvorhersehbarem Ausgang.

Halldorsson wird zu Portugals Schrecken

Trainer Santos zeigte sich gleichermaßen enttäuscht wie zuversichtlich, dass Portugal trotz des dienstäglichen Dämpfers für das Achtelfinale zugelassen werden wird. Seine Zuversicht fußt wohl auch darauf, dass im Tor des nächsten Gegners Österreichs möglicherweise kein derart fähiger Ballfänger wie Hannes Halldorsson steht, der seine Brötchen beim norwegischen FK Bodö/Glimt verdient. Der 1,93 m große Torhüter wurde zu Islands Held, als er in der 21. Minute Nanis Nahdistanz-Kopfball mit einem fantastischen Reflex entschärfte. "Wie er den gehalten hat", brummte Santos, "weiß er wohl selbst nicht." Nanis Führungstor zehn Minuten später hat Halldorsson dann nicht verhindern können.

Ronaldo und die kleiderschrankgroßen Verteidiger

Zu diesem Zeitpunkt war Champions-League-Gewinner Ronaldo noch guter Dinge, dass Portugal mit dem erhofften Sieg ins Turnier einsteigen würde. Joao Moutinho (AS Monaco) im Zentrum oder der bemerkenswert gute Neu-Dortmunder Raphael Guerreiro über die linke Seite transportierten die Bälle mit maschinenhafter Präzision in die Spitze. Dorthin hatte Island aber "den Mannschaftsbus gestellt", wie Ronaldo giftete, vier kleiderschrankgroße Verteidiger, die keinen Spaß verstanden.

"Wir hatten Ballbesitz, genug Chancen - und haben jetzt trotzdem nur einen Punkt", stöhnte der 36-jährige Abwehr-Altmeister Ricardo Carvalho (AS Monaco). Er wirkte verkatert, wie nach einer durchzechten Nacht, als er aus der Mixed Zone Richtung Bus schlurfte. Portugal wird am Mittwoch mit leichten Kopfschmerzen aufgewacht sein.

Bilder zur Partie Portugal - Island