Bundesliga

Berndroth: "Dann werfe ich halt den Turbo nochmal an"

SV98-Interimscoach über seine Berufung und Jupp Heynckes

Berndroth: "Dann werfe ich halt den Turbo nochmal an"

Leitet die sportlichen Geschicke beim SV Darmstadt 98: Interimscoach Ramon Berndroth.

Leitet die sportlichen Geschicke beim SV Darmstadt 98: Interimscoach Ramon Berndroth. imago

Auf einem stark verkürzten Feld spielten drei 7er Teams abwechselnd gegeneinander, es ging lautstark und intensiv zur Sache beim SV Darmstadt 98. Anschließend sprach der 64-jährige bisherige Darmstädter Nachwuchskoordinator Berndroth unter anderem über seine überraschend späte Berufung als Bundesliga-Coach, sein Faible für Spezialaufgaben und mögliche Maßnahmen vor dem kommenden Spiel in Freiburg am Samstag.

Ramon Berndroth über...

...seine späte Berufung ins Rampenlicht Bundesliga: "Es war keine Überzeugungsarbeit nötig. Ich bin hier bei Darmstadt 98 schon öfter für Sonderaufgaben verwendet worden. Unter anderem musste ich mal im März nach China, Trainer ausbilden. Das hat Tradition. Wenn die Herren kommen und sagen, wir haben nun diese Aufgabe für mich, da zeige ich mich gerne flexibel. Zumal ich die Erfahrungswerte ja habe als Cheftrainer."

...die erste Trainingseinheit, in der es durchaus spaßig zuging: "Es ist eine dankbare Einheit. Die Jungs haben ihren Frust rausgelassen, der sich nach so vielen Niederlagen einfach da ist. Dass wir irgendwie probieren müssen, ein neues Wir-Gefühl zu schaffen, ist klar. Das geht eben nur über die Begeisterung für den Beruf."

Das ist harte Arbeit.

Ramon Berndroth

...mögliche Veränderungen vor dem Spiel gegen Freiburg: "Da gibt es einiges. Ich habe mich heute Morgen intensiv mit meinen jüngeren Trainerkollegen unterhalten. Insbesondere Dimo Wache (langjähriger Torwarttrainer; Anm.d.Red.) hat mich sehr positiv überrascht. Er war sehr gut vorbereitet und hat viele Vorschläge gemacht, die ich absolut nachvollziehen kann. Ich wusste diese Interna nicht, da hat er als Insider einfach den Informationsvorsprung. Wir wollen Abläufe ändern, die leistungsfördernd sind. Wie machen wir es in der Kabine, wann fahren wir los zum Spiel, wann treffen wir uns vor dem Training? Solche Dinge. Der Teufel steckt oft im Detail, solche logistischen Abläufe sind oft mitentscheidend, damit es anfängt mit den Verbesserungen."

Ramon Berndroth und Aytac Sulu

Im Gespräch mit Darmstadts Kapitän Aytac Sulu: Lilien-Interimscoach Ramon Berndroth. imago

...notwendige Schritte, damit Darmstadt 98 auf dem Platz wieder zu seiner Identität findet: "Die Überschrift ist Wir-Gefühl. Aber das muss sich auch taktisch zeigen. Das sind ganz handfeste Dinge. Als mein Kollege Maik Walpurgis vor seinem ersten Spiel hier in Darmstadt Interviews gegeben hat, habe ich gedacht, verdammt, der Mann liegt genau richtig. Er hat von Abständen gesprochen. Es ist zwar eine Fußballlehrer-Vokabel, trifft aber den Kern. Du musst schnell umschalten, um im richtigen Abstand deinen Mitspieler unterstützen zu können. Das ist harte Arbeit. Wir haben ein paar Spieler, die haben erstmal eine Schrecksekunde, bevor sie umschalten. Es ist ein Unterschied, ob du 18 oder acht Meter Abstand zu deinem Kollegen auf der Seite oder im Zentrum hast."

...seine Defensivorientierung von früheren Trainerstationen: "Ich hatte oft Mannschaften, die waren in der Liga eher die schlechteren. Da kommst du erstmal über die Disziplin. Wenn du dann noch gute Stürmer hattest, warst du oben. Aber das nur nebenbei. Du musst immer erstmal über die Kompaktheit kommen. Es hilft einfach einer Mannschaft, wenn sie gut steht. Wir wollen in Freiburg das optimale Ergebnis. Das kenne ich jetzt noch nicht. Überspitzt gesagt, wenn wir 1:1 spielen, aber nur 80 Prozent abgeliefert haben, bin ich unzufrieden. Verlieren wir aber 0:3 und jeder hat sein Bestes gegeben und Freiburg einfach super gespielt hat, wäre es trotzdem ok."

Meinen ehemaligen Chef Jupp Heynckes hat Uli Hoeneß damals auch nochmal gerufen, als er schon fast Rentner war.

Ramon Berndroth

...das folgende Programm mit Spielen gegen die Bayern und bei der Hertha: "Daran denken wir nur bedingt. Dimo (Wache; Anm.d.Red.) ist zwar gerade nach München zum Champions-League-Spiel geflogen, weil wir daran denken müssen, aber für mich zählt erstmal nur Freiburg. Dort muss sichtbar sein, dass eine neue Truppe auf dem Feld steht."

...seine persönlichen Emotionen auf der Bundesliga-Bühne: "Lassen wir Bundesliga mal weg. Angenommen wir wären in der 4. Liga, dann würde ich auch einspringen. Von Haus aus ist das meine Kernkompetenz, das habe ich 35 Jahre lange gemacht. In allen Ligen übrigens, in der Bundesliga war ich ja auch als Co-Trainer. Das ist das, was ich kann. Das habe ich gesagt, wenn ihr wollt, dass ich es nochmal mache, dann werfe ich halt den Turbo nochmal an. Seit fünf Jahren begleite ich ja eher jüngere Trainer nach oben. Das hat und wird mir auch wieder Spaß machen. Aber, wenn man selber nochmal gefragt ist, macht man es eben. Meinen ehemaligen Chef Jupp Heynckes hat Uli Hoeneß damals auch nochmal gerufen, als er schon fast Rentner war. In den fünf Jahren war er dann erfolgreicher als jemals zuvor."

Ich bin stolz, dass ich meinen Job von der Pike auf gelernt habe:

Ramon Berndroth

...sein prägendes Trainervorbild: "Das war der allererste. Lothar Buchmann war mein Mentor, als ich selbst noch Spieler war. Der hat mir das Türchen in den Trainerjob geöffnet, weil er den Fußball ganz anders betrachtet hat. Auch heute noch, mit fast 80, sieht der Mann Phänomene im Fußball, da kommen wir nicht mit. Zudem bin ich familiär vorbelastet. Mein Vater war Jugendtrainer bei Mainz 05. Ansonsten habe ich auch von vielen Amateurtrainern, die sie wahrscheinlich gar nicht kennen, einiges mitgenommen. Ich bin stolz, dass ich meinen Job von der Pike auf gelernt habe. Im unteren Amateurbereich und in der Jugend gibt es so viele tolle Trainer. Sie sehen es ja an Julian Nagelsmann, was viele Leute aus dem Bereich drauf haben."

Aufgezeichnet von Carsten Schröter