DFB-Pokal

Nur der Trostpreis für Carlo Ancelotti und den FC Bayern

Ein Kommentar von kicker-Chefreporter Karlheinz Wild

Nur der Trostpreis für Ancelotti und die Bayern

Ein europäischer Supererfolg in seinem ersten Münchner Jahr blieb aus: Bayern-Trainer Carlo Ancelotti.

Ein europäischer Supererfolg in seinem ersten Münchner Jahr blieb aus: Bayern-Trainer Carlo Ancelotti. imago

Eigentlich sollte es das Triple werden. Wie seit dem Erstarken des FC Bayern in den 2010er Jahren peilen die Münchner in jeder Spielzeit den Gewinn der deutschen Meisterschaft, des DFB-Pokals und der Champions League an. Doch vom strahlenden Dreifachtriumph bleibt dem FCB allenfalls noch Platz 1 in der Bundesliga, also der Trostpreis, zu dem die deutschen Titelrekordler süß-sauer lächeln werden, wenn sie sich zur Feier auf dem Rathausbalkon nach dem letzten Spiel gegen den SC Freiburg von der roten Fanschar bejubeln lassen. Bei acht Punkten Vorsprung und lediglich noch vier Bundesliga-Aufträgen 2016/17 sollte dieser Titel fix sein. Es ist dann der fünfte in Serie in diesem Wettbewerb, der Ausbau der in der vorigen Saison gesetzten neuen Bestmarke - und deshalb aller Ehren wert.

Allerdings haben Carlo Ancelotti und seine Starvereinigung damit lediglich ihre Pflicht erfüllt, mehr nicht.

Aus der Champions League wurden sie in der vergangenen Woche von Real Madrid verabschiedet, im Viertelfinale. In der Gesamtabrechnung setzten sich Cristiano Ronaldo, Toni Kroos und Gefolge trotz der dröhnenden Debatten über die Schiedsrichterentscheidungen verdient durch. Und nun folgte der Knockout im deutschen Pokal, mit 2:3 nach 0:1-Rückstand und 2:1-Führung , die trotz bester Chancen für den Toptorjäger Robert Lewandowski und Arjen Robben nicht entscheidend erhöht werden konnte. So kamen die Dortmunder noch einmal zurück, dahin war die Bayern-Aussicht auf das Double, mit dem das international erfolglose Wirken Pep Guardiolas zweimal geschönt wurde, 2013/14 und 2015/16.

Ancelotti muss sich mit Fragen konfrontieren lassen

Ancelotti, vor allem auch mit der Hoffnung auf den europäischen Supererfolg verpflichtet, weil er weiß, wie man die Königsklasse als Primus abschließt, wird dieser versöhnliche Kompromiss nicht zuteil in seinem ersten Münchner Jahr. Der italienische Fußball-Lehrer hat zum Aus gegen Real Madrid mit fragwürdigen Auswechslungen beigetragen, die großen Torgelegenheiten gegen Dortmund hat der frühere professionelle Mittelfeldspieler nicht vergeben. Und auch für die arg hinderlichen Verletzungen seiner Leistungsträger Manuel Neuer, Robert Lewandowski oder Mats Hummels zum unpassendsten Saisonzeitpunkt kann er nichts.

Viel mehr muss er sich aber mit der Frage nach der Behandlung der Ersatzspieler konfrontieren lassen. Warum hat er die Talente, vor allem Joshua Kimmich und Kingsley Coman, nicht intensiver und individuell gefördert und für den Ernstfall präpariert, beim täglichen Üben wie mit Spielpraxis? Warum haben Spieler wie David Alaba, Thomas Müller und Douglas Costa in der nun ablaufenden Runde ihre Bestform verloren und nicht wiedergefunden?

Die Politik der ruhigen Hand, die der sympathische, coole, international renommierte Startrainer kultiviert, wird reformiert und intensiviert werden müssen. Das arg dosierte Training und die lange Leine bei der Wahrung der Disziplin werden diskutiert, intern wie extern. Ancelotti wird als durchaus zuhörender Gesprächspartner wahrgenommen, macht aber dennoch, was er für richtig hält.

Personelle Neuausrichtung: Gnabry und Brandt werden gehandelt

Es wird viel zu bereden geben beim deutschen Branchenprimus, vor allem auch über die personelle Neuausrichtung. Kapitän Philipp Lahm und Xabi Alonso, zwei weltmeisterliche Topspieler und große Persönlichkeiten, hören auf und reißen eine riesige Lücke, spielerisch auf dem Feld und hierarchisch in der Führung der Mannschaft. Manuel Neuer, Thomas Müller, Mats Hummels und Jerome Boateng sind da künftig noch mehr gefordert - allerdings muss Müller seine Qualitäten wieder ausspielen - und ausspielen dürfen, die derzeitige Nebenrolle des Ersatzspielers in großen Partien wird ihm auf Dauer nicht behagen. Der Trainer muss da direkt eine Lösung finden, für den begabten und unzufriedenen Kimmich ist es gemäß Planung die Position rechts außen in der Viererkette. Ein Ersatz-Mittelstürmer für den äußerst selten verletzten Lewandowski wird zwar emsig diskutiert, ist aber nicht nötig; ein wieder erstarkter Müller kann da in den seltenen Notfällen einspringen. Und in den Final-Hits nützt irgendeine Aushilfe nicht weiter.

kicker-Chefreporter Karlheinz Wild

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Hilfreich wäre ein Angreifer, der neben oder um Lewandowski herum spielen und dazu über den Flügel attackieren kann, wie der Chilene Alexis Sanchez vom FC Arsenal. Ein solcher Transfer macht Sinn, weil Franck Ribery und Arjen Robben in absehbarer Zeit ebenfalls aussteigen werden. Für die beiden Top-Außen der vergangenen Glanzzeit - das wird eine Herkulesaufgabe - braucht der FC Bayern internationale Spitzenkräfte, Talente wie die schon angestellten Coman und Costa oder die gehandelten Brandt oder Gnabry werden gegen Real, Barcelona oder Atletico noch nicht den Unterschied ausmachen können. Außerdem benötigen die Münchner noch einen wuchtigen, durchsetzungsstarken Mittelfeldakteur, wie ihn Leipzigs Keita verkörpert. Doch dieser schnelle, gewandte und robuste Topmann ist erst 2018 zu bekommen, für angeblich 55 Millionen Euro.

Ähnliche Reaktion wie nach der Saison 2011/12?

In solche Dimensionen wollen die Münchner bei ihren Investitionen in einen einzelnen Profi eigentlich nicht vorstoßen, doch 2012 haben sie für den international wenig renommierten Javi Martinez 40 Millionen Euro locker gemacht, weil der Trainer Jupp Heynckes von diesem spanischen Defensivallrounder überzeugt war. Zu Recht: Ein Jahr später, 2013, wurde das Triple gewonnen.

Wie hatte doch Präsident Uli Hoeneß nach dem verlorenen Finale dahoam und drei zweiten Plätzen in der Abschlusswertung 2011/12 gesagt: Er habe keine Lust, auf Dauer immer nur Zweiter zu werden. Also wurden starke Leute geholt, neben Martinez noch Mandzukic, Dante, Shaqiri.

Es ist gut denkbar, dass die FCB-Entscheider in diesem Jahr ähnlich reagieren. Auf Sicht wollen sie sicher nicht nur respektvoller Landesmeister werden, um in der Champions League auszuscheiden gegen die Giganten aus Spanien, wie jüngst viermal hintereinander.

Bilder zur Partie Bayern München - Borussia Dortmund