Champions League

Real vs. Reds - "Mann, es ist das Finale!"

Kiew vor dem Showdown in der Champions League

Real vs. Reds - "Mann, es ist das Finale!"

Nicht zu übersehen: Die UEFA nimmt Kiew in Beschlag.

Nicht zu übersehen: Die UEFA nimmt Kiew in Beschlag. picture alliance

Aus Kiew berichtet Martin Gruener

Ist diese Begrüßung nun verlockend - oder schlicht nur interessant? Vor dem Kiewer Flughafen Borispol steht ein in Würde gealterter Bus und wirbt um die gerade Angekommenen. Passend in grellgelben Lettern steht dort auf schwarzem Lack: "Chernobyl - Exclusive Tour". Der unglückselige Ort, wo 1986 ein Kernreaktor in die Luft flog, liegt schließlich nur 90 Kilometer von Kiew entfernt.

Die Fahrt an den Rand der Sperrzone kostet dieser Tage 100 statt der sonst üblichen 76 Dollar, die Attraktion in Kiew aber ist an diesem Wochenende freilich das Finale der Champions League zwischen Real und Liverpool. Seit Mittwoch strömen langsam aber sicher die Fans in Rot und Weiß in die Vier-Millionen-Einwohner-Metropole am Dnjepr. Die allermeisten von ihnen sind zum ersten Mal in der Ukraine, dem Land das allein in den vergangenen 14 Jahren nicht nur zwei politische Revolutionen erlebte, sondern seit einiger Zeit einen militärischen Konflikt im Osten des Landes austrägt. Vom Verlust der Krim, die Russland 2014 völkerrechtswidrig annektierte, ganz zu schweigen.

"Believe in Klopp"

Luke ist Liverpool-Fan seit über 40 Jahren und aus Dublin angereist. "Ich finde, die Stadt ist ein sehr spezieller Rahmen, um Geschichte zu schreiben", sagt er, "genauso wie damals Istanbul." Überall in Cafés und Bars haben sich Menschen in roten Trikots samt ihrer Transparente niedergelassen. "Believe in Klopp", steht auf einem, der Glaube an den deutschen Coach ist groß. Gleich nebenan schmettern ergraute Spanier ihr "Hala Madrid!" Die Atmosphäre in der Innenstadt wirkt entspannt, auch die Sonne tut ihr übriges. Überhaupt nicht passt da ins bislang so friedliche Bild, dass in einer Kneipe am Stadion offenbar Vermummte auf Fans von Liverpool eingeprügelt haben.

Kiew kann trotz seiner unzähligen Kirchen und prachtvollen Bauten auch seine sowjetische Vergangenheit nicht verleugnen. Es bröckelt der Putz von hässlicher Architektur, das Pflaster auf den Gehsteigen stellt bisweilen gefährliche Stolperfallen. Und man braucht Geduld in Kiew. Vor der Dusche lässt man das Wasser lieber eine oder zwei Minuten laufen, um nicht unter einer braunen Brühe zu stehen. Das Geldwechseln auf der Bank kann auch schon mal ein Weilchen dauern, ehe schließlich doch ein halber Meter Papier als Quittung aus dem Nadeldrucker rattert. Die in die Jahre gekommene U-Bahn ist auch ohne Endspiel ständig überfüllt und in der Metrostation des Olimpijskyi-Stadions zudem eine der zwei Rolltreppen gerade kaputt, was schon am Tag vor dem Finale für Rückstaus bis auf den Bahnsteig sorgt.

UEFA-Fanfest im Zentrum

"Superstore": Fanartikel gibt es in Kiew natürlich auch.

"Superstore": Fanartikel gibt es in Kiew natürlich auch. picture alliance

Die Stimmung verdirbt das den meisten Fans allerdings nicht, denn auch morbider Charme ist schließlich Charme. Und schließlich lockt das große Finale. Die UEFA hat sich mit ihrem Fanfest im Zentrum der Stadt niedergelassen. Auf dem sechsspurigen Khreshchatyk Boulevard geht man in gut einer Viertelstunde vom berühmtesten Platz der Stadt, dem Maidan, zum Stadion. "Freedom is our Religion" steht auf einem gigantischen Plakat, das eine Baustelle verhüllt, darauf gesprengte Ketten - Liebesgrüße nach Moskau.

Jan und Kai sitzen im Schatten und essen Eis. Die beiden Sachsen sind mit zehn Kumpels aus zwei Bayern-Fanklubs aus Annaberg-Buchholz und Claußnitz in Kiew unterwegs. Seit 2010 fahren sie gemeinsam fast Jahr für Jahr zum Endspiel. "Es ist wie Urlaub, unser Saisonabschluss", sagt Jan. Karten fürs Finale haben sie keine, "macht aber nix. Bayern ist ja leider nicht dabei". Die Stadt und die Atmosphäre gefallen ihnen trotzdem. "Ich kann noch nichts Schlechtes über Kiew sagen", meint Kai. "Das Wetter ist bombig, das Bier billig, die Leute sind sehr, sehr freundlich." 180 Euro zahlt jeder von ihnen für insgesamt sechs Nächte in einer privaten Unterkunft, der halbe Liter Bier ist in Kiew meist für rund einen Euro zu haben, auch Essen kostet eher wenig.

"Wenn Neuer gegen uns gespielt hätte..."

Es geht freilich auch anders. In einer Bar nahe des Stadions sitzen Edgardo und Javier in der Sonne und rauchen Shisha. Hinter ihnen läuft Bayern gegen Dortmund auf einem Fernseher, das Finale von 2013. Eben pariert Manuel Neuer gegen Jakub Blaszczykowski, Javier nimmt einen tiefen Zug und sagt: "Wenn Neuer gegen uns gespielt hätte, wären wir jetzt nicht hier." Über Warschau sind sie am Donnerstag von Madrid eingeschwebt, 890 Euro kosteten die Flüge, pro Nacht zahlen sie bis Montag 300 Euro für ein Doppelzimmer von rund acht Quadratmetern, die Toilette auf dem Gang. "Das ist sehr teuer klar, aber Mann, es ist das Finale!", ruft Javier und zieht wieder. Nie hätten sie daran gedacht, ihre Tickets zurückzugeben, wie rund 1000 andere Fans von Real Madrid, aus Protest gegen Abzocke bei Unterkunft und Flügen.

Längst gebuchte Zimmer wurden durch Hotels storniert, weil angeblich ein Wasserschaden oder Ungeziefer eine Reparatur dringend nötig machen würden. Seltsamerweise war das Zimmer umgehend zum vierfachen Preis wieder im Angebot. Taxifahrer verlangen plötzlich 50 statt der üblichen 12 Euro vom Flughafen in die Stadt. In England saßen am Freitagabend noch mehrere Hundert Fans fest, weil ihre Flüge gestrichen wurden, offenbar auch wegen fehlender Landeslots für die Flugzeuge. All das ist keine Werbung für Kiew, die UEFA bekam als Veranstalter auch bereits Beschwerdebriefe von Real und dem FC Liverpool.

Problem Korruption: Dynamo Kiew im Blickpunkt

Die Korruption ist ein immer stärker grassierendes Problem im Land. Auch im Fußball. Vizemeister Dynamo Kiew beispielsweise, das 1999 nur knapp am FC Bayern im Halbfinale der Champions League scheiterte, hat seit 2007 keinen Finanzbericht mehr veröffentlicht, was bei der UEFA aber offenbar niemand stört. Klubeigentümer Igor Surkis ist der Bruder Grygoryi Surkis, der bis 2012 Chef des ukrainischen Verbandes war und zudem noch Vizepräsident des europäischen Verbands ist.

Ein kürzlich aufgedeckter Skandal reicht sogar bis in die Bundesliga: Denn Dynamo vereinbarte beim 25 Millionen Euro teuren Wechsel von Andriy Yarmolenko zu Borussia Dortmund, die eigentlich vom BVB fällige Ausbildungsentschädigung in der Ukraine teilweise zu übernehmen. Nun aber kam heraus: Dynamo überwies die 150.000 Euro nicht an die Akademie Junost, wo der Stürmer groß wurde. Sondern gründete eigens eine Gesellschaft gleichen Namens. Nun untersucht die Kriminalpolizei, wo das Geld genau landete. Bei den Kindern in Junost bislang jedenfalls nicht.

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