Champions League

Ulreichs Mentaltrainer: "Mit Erfolg kann jeder Depp umgehen"

Thomas Baschab im kicker-Interview

Ulreichs Mentaltrainer: "Mit Erfolg kann jeder Depp umgehen"

Niedergeschlagen: Sven Ulreich unmittelbar nach dem Aus in Madrid.

Niedergeschlagen: Sven Ulreich unmittelbar nach dem Aus in Madrid. imago

Herr Baschab, wie hat Sven Ulreich auf seinen Patzer von Madrid reagiert?
Es tut ihm natürlich saumäßig leid, was am Dienstagabend geschehen ist. Er hat einen Fehler gemacht, den ersten in sieben Monaten, und dann passiert der im Halbfinale der Champions League. Das ist natürlich extrem bitter, entsprechend geknickt ist er.

Ist es ein Zufall, dass der Fehler ausgerechnet in diesem großen Spiel passierte?
Ja, das glaube ich. Sven war sehr gut drauf, er wusste genau, was auf ihn zukommt. Solche Fehler passieren jedem Torwart irgendwann mal.

Was rät der Mentaltrainer jetzt seinem Schützling?
Hinfallen ist erlaubt, nur liegenbleiben nicht! Der erste Schritt ist, die Situation anzunehmen. Er hat jetzt zwei Tage daran zu knabbern und das darf er auch tun, doch dann muss es weitergehen. Die Situation annehmen heißt, nicht wegzulaufen, sich auch der Öffentlichkeit zu stellen. Er darf nichts verdrängen. Der Fehler ist jetzt Teil seiner Story, der verschwindet nicht mehr aus der Vita. Aber aus einem solchen Fehler kannst du gestärkt vorgehen.

Wie? Indem er ab sofort noch mehr ackert nach dem Motto "Jetzt erst recht"?
Auf keinen Fall! Das wäre falsch. Da würde er dem Fehler, so bitter er war, ein zu hohes Gewicht verleihen. Der eine Bock macht ja seine Karriere nicht kaputt. "Jetzt erst recht" würde bedeuten, dass er sein Verhalten, seine Methoden ändern müsste, um seinen Frieden zu finden, doch das muss er nicht. Er muss einfach so weitermachen wie bisher. Das ist das Ziel. Den Fehler akzeptieren, ja, aber weitermachen. Oliver Kahn hat seine Karriere nach dem Patzer im WM-Finale 2002 auch nicht beendet. Mit Erfolg umgehen kann jeder Depp. Die großen Persönlichkeiten lernen am meisten aus ihren Niederlagen.

Er kennt Sven Ulreich: Thomas Baschab.

Er kennt Sven Ulreich: Thomas Baschab. picture alliance

Packt Ulreich das?
Davon bin ich überzeugt, zu 100 Prozent. Die Geschichte wird ihn noch stärker machen. Der Sven ist ein super Typ. Alle mögen ihn! Er ist bodenständig, nett, und er reagierte auch nicht abgehoben, als es bei den Bayern plötzlich so sensationell für ihn lief. Viele Sportler sind für solche Situationen anfällig, er war es nicht. Daher weiß ich, dass ihn jetzt auch dieser Rückschlag nicht umwerfen wird. Hinzu kommt, dass ihn die Mannschaft gut auffängt. Sie gibt ihm nicht die Schuld. Er hat sie ja schon oft gerettet.

Wie passierte dann der Fehler?
Im Kopf. Sven will den Ball mit den Händen aufnehmen, doch in dem Moment, in dem er runtergeht, merkt er, dass es dann ein unerlaubter Rückpass wäre. Außerdem glaubt er, dass Karim Benzema vor ihm an den Ball kommen kann. Also will er mit dem Fuß klären, doch den Transfer kriegt er in der Kürze der Zeit nicht mehr hin. Schon ist es passiert. Das war nicht einfach zu sehen, auch für mich nicht.

Kimmich, Hummels, Lewandowski – Sie alle werden in der nächsten Saison die Chance bekommen, es besser zu machen. Sven Ulreich muss nach der Rückkehr Manuel Neuers damit rechnen, dass ein so großes Spiel nie wieder auf ihn wartet. Erschwert das die Situation nicht ungemein?
Es macht sie nicht leichter. Aber wer weiß schon, was passiert? Sven hatte auch in Stuttgart schwierige Phasen und sein Start bei Bayern war auch nicht leicht. Er hat sich durchgeboxt und zu einem Höhenflug angesetzt, den kaum einer für möglich gehalten hat. Du weißt nie, was die Zukunft bringt. Er wird natürlich hoffen, dass er eines Tages die Chance bekommt, diesen Fehler wiedergutzumachen. Vielleicht erhält er sie ja tatsächlich. In zweieinhalb Wochen ist das DFB-Pokalfinale. Bis dahin wird er wieder der Alte sein.

Interview: Bernd Salamon