Champions League

FC Bayern München nach der Hinspiel-Niederlage gegen Real Madrid im Halbfinale der Champions League: Eine Frage der Qualität

Nach Bayerns Hinspiel-Niederlage gegen Real Madrid

Eine Frage der Qualität

Enttäuschung bei Bayern München: Gibt der FCB im Rückspiel eine positive Antwort auf die Qualitätsfrage?

Enttäuschung bei Bayern München: Gibt der FCB im Rückspiel eine positive Antwort auf die Qualitätsfrage? imago

Niklas Süle schaute erst verdutzt, dann setzte er zum Widerspruch an: "Wir werden Woche für Woche gelobt, dass wir viele Tore schießen, auch in Leverkusen (6:2 im Pokal, d. Red.), das ein schweres Spiel war und wo wir eine Bombenleistung abgeliefert haben. Wir haben wirklich ein gutes Spiel gemacht. Da hat das Glück im Abschluss gefehlt." So lautete die Replik des Innenverteidigers auf die Frage, ob das Auslassen der vielen Torchancen eine Qualitätsfrage sei.

Gut gespielt, Pech gehabt, Chancen nicht genutzt. Aber ist es so einfach? Lügt sich der FC Bayern da nicht in die Tasche? Thomas Müller wollte diese Qualitätsfrage nicht abschließend beurteilen, sondern das Rückspiel am Dienstag in Bernabeu abwarten. "Dann wird man sehen, ob es fehlende mentale Qualität ist."

Natürlich hat die Chancenverwertung etwas mit Können zu tun

Denn natürlich hat die Chancenverwertung etwas mit Können zu tun - und genau deshalb hinkt Süles Vergleich mit Leverkusen. Auch Bayer hatte genügend Chancen, aber eben keinen Marcelo oder Marco Asensio, die ihre chirurgisch präzise ausnutzten. Bayerns Siege in der heimischen Liga, die Dominanz, alles schön gut, aber eben auch trügerisch. Auf höchstem internationalen Niveau nutzen Gegner wie Real Madrid kapitale Patzer wie den Rafinhas eben zum Sieg bringenden 2:1 aus - mit einem perfekt ausgespielten Konter, wie man ihn in der Bundesliga selten sieht.

Die Null steht nicht - Bayern hätte einen Lewandowski in Topform gebraucht

Und: In den entscheidenden Spielen der Champions League schafft es der FC Bayern schon seit Jahren nicht mehr, dass hinten die Null steht. Siehe 2014 beim 0:4 gegen Real oder auch 2016, als ein Konter Atletico Madrid das entscheidende Auswärtstor für den Finaleinzug bescherte. Und vorne? Robert Lewandowski ist der beste Stürmer seiner Generation - in der Bundesliga. Als es am Dienstagabend darauf ankam, war von dem Polen allerdings nicht viel zu sehen, er vergab eine Kopfballchance (45+1) und später noch einmal überhastet frei vor Real-Torhüter Navas. Lewandowski hat in den jüngsten vier K.-o.-Spielen keinen Treffer mehr erzielt, doch gerade ihn in Topform hätten die Münchner in diesem Hinspiel mehr als alles andere gebraucht.

Wo eine Bundesliga-Abwehr vermutlich irgendwann eingebrochen wäre, warf sich vor allem der bärenstarke Sergio Ramos in jeden Schuss und hielt seine Abwehr zumindest so zusammen, dass sie nicht mehr als ein Gegentor kassierte. Widerstand, den die Bayern aus der Liga nur noch selten entgegengebracht bekommen.

Das Beispiel Juventus macht Bayern Mut

Trotzdem hätte die Partie natürlich anders ausgehen können, wenn auch nicht 5:2 (Süle) oder gar 7:2, wie Joshua Kimmich fast trotzig entgegnete. Deshalb sprechen sich die Bayern Mut zu. Warum auch nicht? Im Vorjahr führen sie unter identischen Voraussetzungen nach 90 Minuten auch mit 2:1 in Madrid, ehe sie ein der Verlängerung ausschieden (2:4).

"Wenn wir nochmal so eine Leistung bringen und die Tore machen, dann ist alles drin", sagte Süle, der für den verletzten Jerome Boateng in die Startelf rücken wird. Auch das Beispiel Juventus macht den Bayern Mut, die Juve führte bis in die Nachspielzeit hinein mit 3:0 nach einem 0:3 im Hinspiel, das Ende ist bekannt. Süle: "Wir haben eine bessere Ausgangsposition. Wir haben gesehen, wie wir Real packen können, wie sie hinten anfällig sind, wie wir gegen diese Welt-Offensive gutstehen. Wir müssen die Kleinigkeiten abstellen, das wird auf dem Niveau sofort bestraft." Doch genau diese Kleinigkeiten sind auf allerhöchstem Niveau eine Frage der Qualität.

Frank Linkesch