Champions League

BVB "zu lieb" - Zorc echauffiert sich über den Referee gegen Tottenham

Spurs bestrafen Dortmunds Naivität

BVB "zu lieb" - Zorc echauffiert sich über den Referee

Nach vorne mutig, nach hinten naiv: Pierre-Emerick Aubameyang & Co. unterlagen Tottenham verdient.

Nach vorne mutig, nach hinten naiv: Pierre-Emerick Aubameyang & Co. unterlagen Tottenham verdient. imago

Peter Bosz und englische Gegner - das ist bislang keine Liebesbeziehung. In der Vorsaison verlor der Niederländer, damals noch als Trainer von Ajax Amsterdam, das Finale der Europa League mit 0:2 gegen Manchester United. Am Mittwoch unterlag der von ihm gecoachte BVB mit 1:3 im Wembley-Stadion gegen Tottenham Hotspur. Beide Niederlagen hatten nicht nur die Herkunft des Gegners gemein, sondern auch die Art des Zustandekommens: Sowohl Uniteds Coach José Mourinho, der gegen Ajax fast ausschließlich mit langen Bällen operieren ließ, als auch Tottenhams Trainer Mauricio Pochettino rückten in den Duellen mit Bosz mal mehr, mal weniger freiwillig von ihrer eigentlichen Spielidee ab - und behielten am Ende die Oberhand.

Fünf Umstellungen gegenüber Freiburg

"Tottenham hat eine ähnliche Philosophie wie wir. Auch sie pressen hoch und wollen Fußball spielen", hatte Bosz rund 24 Stunden vor der Partie in London gesagt und seiner Mannschaft einen klaren Auftrag mitgegeben: "Ich will sehen, dass wir mutig sind, dass wir Fußball spielen, dass wir Druck machen und dass wir versuchen, unsere Spielweise durchzusetzen." Und seine überraschenderweise auf fünf Positionen umgestellte Elf gehorchte vor allem in der ersten Hälfte.

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Der BVB hatte die Kontrolle über das Spiel, verzeichnete in den ersten 45 Minuten 67 Prozent Ballbesitz und hatte mehr Chancen auf dem Konto als Tottenham. Das Problem war allerdings: Die Spurs führten dennoch mit 2:1. Denn so mutig und fußballspielend sich die Gäste im Wembley-Stadion präsentierten, so naiv verteidigten sie in der Anfangsphase gegen Tottenhams so starke Offensivkräfte.

Son trifft gegen seinen Lieblingsgegner

Es waren keine vier Minuten gespielt, da erlebte die Bosz-Elf einen Rückfall in die erste Phase der Sommervorbereitung. Mit einem Ball war die weit aufgerückte BVB-Defensive ausgehebelt, der Weg für Heung-Min Son gegen seinen Lieblingsgegner frei. Der Südkoreaner marschierte aufs Dortmunder Tor zu, wurde dabei höflichst vom nicht angreifenden Sokratis begleitet und auch von Roman Bürki nicht an seinem Treffer in die Torwartecke gehindert. Schon war sie dahin, die Hoffnung von Nuri Sahin, "dass wir auch gegen Tottenham stabil stehen".

Da waren wir zu lieb.

Peter Bosz über das 1:2 durch Harry Kane

Die Spurs konnten es sich anschließend leisten, Dortmund den Ball zu überlassen und sich bis zur Pause auf einige wenige Umschaltaktionen zu konzentrieren. Ihre ureigenen Stärken, die Bosz am Vortag beschworen hatte, waren nicht von Nöten. Erst recht, nachdem sie den herrlichen Ausgleichstreffer (11.) von Dortmunds Startelfdebütanten Andrey Yarmolenko durch ihren Top-Torjäger Harry Kane fast postwendend gekontert hatten (15.). Auch diesmal war die BVB-Defensive wieder zu passiv gewesen, nachdem Kane erst Sokratis, dann Nuri Sahin durch einen zwar robusten, aber im Bereich des Erlaubten liegenden Körpereinsatz aus dem Weg geräumt hatte. Boszs Urteil fiel anschließend dann auch deutlich aus: "Da waren wir zu lieb."

Zwei BVB-Tore zählen nicht: Eines zu Recht, eines zu Unrecht

Offensiv sah es zwar vor allem in der ersten Hälfte ansehnlich aus, was der BVB auf den Platz brachte. Doch im letzten Drittel fehlte die Kaltschnäuzigkeit, die Kane auf der Gegenseite zeigte. Sowohl Christian Pulisic als auch Pierre-Emerick Aubameyang agierten bei ihren scharfen Hereingaben zu ungenau, als dass es für die Spurs richtig gefährlich hätte werden können. Und wenn der Ball dann doch einmal im Tor von Hugo Lloris zappelte, entschied der italienische Schiedsrichter Gianluca Rocchi auf Abseits Aubameyang. Einmal zu Recht (45.), einmal zu Unrecht (56.). Kurz danach war die Partie durch Kanes zweiten Treffer, bei dem er durch eine einfache Bewegung die Dortmunder Abwehr mattsetzte, entschieden (60.).

Zorcs Schiedsrichter-Schelte

"Der Schiedsrichter hatte nicht das Niveau dieser Spielpaarung", echauffierte sich BVB-Sportdirektor Michael Zorc über Rocchi. "Kein Mensch weiß, warum das Tor von Aubameyang nicht gegeben wurde. Ich hätte gerne gesehen, wie das Spiel dann weitergelaufen wäre." Und auch Bosz zeigte sich "enttäuscht, weil mehr drin war". Doch zur Wahrheit gehörte auch, dass der BVB am Ende noch zufrieden sein konnte, nur drei Gegentreffer kassiert zu haben. So klar überlegen spielte Tottenham in der letzten halben Stunde des Spiels. "Da haben wir unser wahres Niveau gezeigt und konnten unser Spiel aufziehen", bilanzierte Pochettino zufrieden.

Während sich seine Spurs über den Bruch des Wembley-Fluchs freuten und den ersten Saisonsieg in ihrem Ausweich-Stadion feierten, stehen Bosz und der BVB bereits nach nur einer gespielten Partie in der Königsklasse unter Druck.

Start mit einer Pleite: gutes Omen?

Im Rückspiel muss ein deutlicher Sieg mit zwei oder mehr Toren Unterschied her, um den direkten Vergleich gegen die Londoner noch gewinnen zu können. Denn genau in diesem Vergleich dürfte sich entscheiden, wer neben dem Topfavoriten Real Madrid noch ins Achtelfinale einziehen kann. Hoffnung macht dem BVB zumindest die Statistik: Bereits dreimal zuvor starteten die Borussen mit einer Niederlage in die Gruppenphase – jedes Mal kamen sie nach sechs Spielen weiter (1995, 2002, 2013).

Matthias Dersch

Spieltagsbilder Vorrunde, 1. Spieltag 2017/18