Bundesliga

Wichniarek: "Ich habe den falschen Pass"

Berlin: "Beenhakker war arrogant hoch acht"

Wichniarek: "Ich habe den falschen Pass"

Artur Wichniarek

Zurück im Hertha-Trikot: Artur Wichniarek nimmt den zweiten Anlauf bei der "Alten Dame". imago

kicker: "In Bielefeld habe ich den Spaß am Fußball zurückbekommen." Das ist ein Satz von Ihnen. Warum verlassen Sie mit 32 die Komfortzone, Herr Wichniarek?

Artur Wichniarek: Ich hätte meinen Status als "König Artur" in Bielefeld genießen und dort meine Karriere beenden können. Aber mein Ziel im Leben ist nicht, es möglichst bequem zu haben.

kicker: Bielefelds Sport-Geschäftsführer Detlev Dammeier sagt, er habe bis zuletzt um Sie gekämpft. Hatte er eine realistische Chance?

Wichniarek: Nein. Er hat nicht um mich gekämpft, sondern um die Ablöse. Mein Anspruch war von Anfang an, weiter Bundesliga zu spielen. Ich bin 32, ich habe keine Zeit mehr für die 2. Liga. Außerdem gefiel mir zuletzt manches nicht.

kicker: Was genau?

Wichniarek: Mit Roland Kentsch (ehemals Geschäftsführer Finanzen, inzwischen beurlaubt, d. Red.) wurde ein Schuldiger für den Abstieg ausgemacht. Das war nicht okay, damit haben es sich ein paar andere zu leicht gemacht.

kicker: Sie sagten einst, nach Ihrer ersten Zeit bei Hertha seien Sie "am Boden gewesen". Jetzt sind Sie zurück in Berlin. Warum tun Sie das sich und den Hertha-Fans an?

Wichniarek: Ich war sehr überrascht, als das Angebot von Hertha kam. Aber ich musste nicht überlegen. Eine zweite Chance im Leben kriegt man nicht oft. Die will ich nutzen.

kicker: Sie haben sogar einen Teil der Ablöse gezahlt, damit Sie freikommen. Ist Ihnen Hertha so viel wert? Wichniarek: Als die Chance bestand, habe ich alle Mittel genutzt.

kicker: Sie sagen, Sie seien reifer als damals. Sind Sie auch besser?

Wichniarek: Ich habe mehr Erfahrung, das ist im Fußball wichtig.

kicker: Auch mehr Klasse?

Wichniarek: In jedem Fall deutlich mehr Selbstbewusstsein.

kicker: Nach Ihrem Abschied 2006 machten Sie Dieter Hoeneß und Huub Stevens für Ihr Scheitern verantwortlich. Haben Sie es sich nicht etwas zu leicht damit gemacht?

Wichniarek: Ich habe nie gesagt, dass nur die anderen schuld sind. Ich habe damals meine Chance nicht genutzt. Vielleicht stand ich mir auch selbst etwas im Weg, weil ich es besonders gut machen wollte.

kicker: Sie hatten Probleme mit Gerland, von Heesen, Stevens, Götz. Sind Sie schwierig zu führen?

Wichniarek: Nein. Einige stören sich daran, dass ich immer die Wahrheit sage. Aber wenn der Rasen grün ist, werde ich nie erzählen, dass er blau ist, nur weil es einer hören will.

kicker: Werden Sie unterschätzt - oder warum wollte Sie aus der Bundesliga nur Hertha BSC?

Wichniarek: Es gab Interesse anderer Klubs, aber denen war die Ablöse zu hoch. Mir fehlt die Lobby.

kicker: Wie meinen Sie das?

Wichniarek: Ich habe den falschen Pass. Ich kenne keinen deutschen Klub, der fünf Millionen Euro für einen Polen ausgibt - nicht mal für einen Shooting-Star wie Lech Posens Robert Lewandowski, an dem Dortmund dran war. Deutsche Klubs holen lieber für mehr Geld Spieler aus Holland.

kicker: Sind Sie frustriert?

Wichniarek: Nein, ich bin mit mir im Reinen. Seit dem Tod meiner Mutter im letzten Sommer weiß ich, dass Fußball nur ein Spiel ist.

kicker: In Berlin sollen Sie Pantelic und Voronin ersetzen. Kann das einer allein überhaupt leisten?

Wichniarek: Das probiere ich erst gar nicht. Hertha hat in der vergangenen Saison als Mannschaft überragend funktioniert. Jetzt will ich ein Teil des Ganzen werden.

kicker: Pantelic, Voronin und Simunic sind weg. Könnte Ihnen Ihre Erfahrung im Abstiegskampf bei Hertha noch nützlich werden?

Wichniarek: Simunic war eine Institution. Aber dass Hertha im Frühjahr bis kurz vor Schluss um den Titel mitgespielt hat, lag bestimmt nicht nur an diesen drei Jungs.

kicker: In Bielefeld holten Sie sich die Bälle teilweise aus dem Mittelfeld. Stellen Sie Ihr Spiel jetzt um? Wichniarek: Wir fahren am Freitag ins Trainingslager, da wird viel Zeit sein für taktische Details und Gespräche. Ich bin ein Typ, der sich gern fallen lässt oder über außen kommt. Das weiß auch Lucien Favre.

kicker: Was denken Sie über ihn?

Wichniarek: Ich bin gerade dabei, ihn kennenzulernen. Bisher hat er in Berlin alles richtig gemacht.

kicker: Rechnen Sie damit, dass der Klub noch einen Stürmer holt?

Wichniarek: Das weiß ich nicht. Wir brauchen einen breiten Kader, weil wir in drei Wettbewerben spielen.

kicker: Sie haben sich im Vorjahr mit Ex-Manager Dieter Hoeneß ausgesprochen. Ist für Sie auch eine Versöhnung mit Polens Nationaltrainer Leo Beenhakker denkbar?

Wichniarek: Ich bin nicht nur als Fußballer, sondern auch als Mensch gereift. Ich brauche keine Feinde mehr. Aber was Beenhakker angeht: Er war arrogant zu mir - arrogant hoch acht. Wenn du zurückkehrst in die Nationalelf und der Trainer, der dich zum ersten Mal berufen hat, nicht mal zwei Minuten Zeit für ein Gespräch mit dir findet, dann ist das respektlos. Unter ihm spiele ich nicht mehr für Polen.

Interview: Steffen Rohr