Bundesliga

Platzt der TV-Vertrag?

Die DFL zittert

Platzt der TV-Vertrag?

zwei Fragen bewegen derzeit die 36 Profi klubs: Platzt der zwischen der Deutschen Fußball Liga (DFL) und dem Medienzaren Leo Kirch (81) geschlossene Vertrag, der über die Kirch-Tochter KF 15 die Vermarktung der Fernsehrechte ab 2009 vorsieht? Und: Untersagt das Bundeskartellamt die Zentralvermarktung der Medienrechte ab dem 1. Juli 2009?

Ein Schreiben von Dr. Ralph Langhoff, dem Vorsitzenden der 6. Beschlussabteilung des Bundeskartellamtes, hat für helle Aufregung in der Liga gesorgt. Elf Tage nach dem Alleingang von Bayern- Boss Karl-Heinz Rummenigge zu der Bonner Behörde (kicker berichtete exklusiv) und vier Tage nach Eingang der zwischen DFL und KF 15 geschlossenen Verträge bei den Kartellwächtern, wurde allen Lizenzklubs ein vier Seiten umfassender Fragebogen zugeschickt. Dieses Papier liegt dem kicker vor. Wie dringend dem Kartellamt die Sache ist, beweist folgende Vorgehensweise: Noch kurz vor Feierabend ließ Dr. Langhoff am vergangenen Dienstag den Fragebogen via Telefax den Vereinen schon mal vorab zukommen, ehe die Schreiben tags darauf per Post eingingen. „Mir ist bewusst, dass die Beantwortung der gestellten Fragen mit erheblichen Arbeitsaufwand verbunden sein wird, dennoch bitte ich Sie – auch im Interesse eines beschleunigten Verfahrens – um eine Beantwortung bis zum 19. März 2008“, schreibt Langhoff an die Klubs.

Was das Kartellamt in seinem 12-Fragen-Katalog fordert, geht teils über das hinaus, was die 36 im Ligaverband vereinten Klubs und Kapitalgesellschaften an Zahlen und Fakten in ihrem eigenen Lizenzierungsverfahren offenlegen müssen. Die Liga muss die Hosen runterlassen, wird gegenüber der Behörde gläsern. Nach Meinung des Kartellamts verstößt die Zentralvermarktung „gegen Art. 81 Abs. 1 EG bzw. § 1 GWB, da dadurch die Vereine daran gehindert werden, eigenständig mit Fernseh- und Radiobetreibern und/oder Sportrechteagenturen zu verhandeln und ihre Rechte eigenständig zu verwerten. Die Zentralvermarktung von Medienrechten hat dieselbe Wirkung wie ein Preiskartell.“ Eine Freistellung und damit die Fortführung der Zentralvermarktung sei nur dann zu gewähren, wenn die kleineren Vereine stärker an den TV-Honoraren beteiligt werden.

Genau das Gegenteil fordert Rummenigge, der für Bayern München mehr Geld reklamiert. Mit dem Hinweis, dass der Rekordmeister über die eigene Vermarktung der TV-Rechte „locker 100 Millionen Euro pro Jahr“ erzielen könnte. In dieser Saison darf der FC Bayern etwa 27 Millionen Euro aus der Vermarktung der Bundesligarechte erwarten.

Das Kartellamt will binnen zwei Wochen von jedem Verein unter anderem wissen: _ Welche Rechte wurden seit 2003 mit welchen Rechteverwertern selbst abgeschlossen? _ Welche Umsatzerlöse erzielte der Verein mit den selbst vermarkteten Rechten und wie hoch ist deren Anteil an den Gesamterlösen? _ Mit welchen Agenturen kooperiert der Verein und wie hoch sind die Provisionen, die er zahlt? _ Welche Aufgaben hat der Verein bei Eigenvermarktung zusätzlich zu erfüllen und wie viele Voll- oder Teilzeitstellen wären dafür erforderlich? _ Welche Rechte wurden für den Fall der Einzelvermarktung schon an welche Agentur abgetreten? Welche Einnahmen und welche Kosten entstehen bei einer Einzelvermarktung? _ Wie könnte im Fall der Einzelvermarktung ein Ausgleichsmechanismus geschaffen werden?

Neben den 36 Klubs ist auch Premiere – gegen den Widerspruch der DFL – über einen Beiladungsbeschluss Teilnehmer an dem Verfahren. Schon im November äußerte sich der Pay-TV-Sender erstmals gegenüber der Behörde. Premiere, das seit 17 Jahren die Bundesliga überträgt, geht es nicht um ein Aushebeln der erfolgreich praktizierten zentralen Vermarktung. Der Sender wehrt sich aber dagegen, dass ab 2009 alle Pay-TV-Anbieter ein von der DFL gemeinsam mit dem Kirch-Unternehmen „Sirius“ komplett produziertes Programm übernehmen müssen, ohne dabei selbst redaktionell und gestalterisch tätig sein zu dürfen.

Der Streit zwischen Fußball und Kartellamt tobt schon über ein Jahrzehnt. Am 11. Dezember 1997 hatte der Bundesgerichtshof auf Klage des Kartellamtes dem DFB die zentrale Vermarktung der Heimspiele der deutschen Klubs im Europacup untersagt. Nach einem heftigen Krach in der Liga mit Bayern, Dortmund und Leverkusen als Verfechtern der Einzelvermarktung und allen anderen Klubs nebst DFB als Befürworter der bis dahin nur in Deutschland praktizierten Zentralvermarktung beschloss der Bundestag im Mai 1998 eine Novelle des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkung (GWB) zugunsten des Sports. Dieter Wolf, damals Kartellamtspräsident, sprach nach der vom Bundestag verabschiedeten „Ausnahmeregelung Sport“ von einer „schmerzhaften Amputation“. Bayern-Präsident Franz Beckenbauer schimpfte: „Das ist ein Kasperltheater, bei dem es nur um die Kompetenz einiger Leute geht, die Gefallen haben, die Liga zu traktieren.“

Folgt ein Jahrzehnt später eine „schmerzhafte Amputation“ des Fußballs und des gesamten Sports? In allen europäischen Ligen außer Italien und Spanien ist inzwischen die Zentralvermarktung ebenso eingeführt worden, wie in der Champions League und im UEFA-Cup. 2010 will zudem die kränkelnde Serie A in Italien die Einzelvermarktung abschaffen, die die Reichen noch reicher und die Armen noch ärmer gemacht hat, und die Zentralvermarktung einführen.

Das Beispiel Italien bemüht Martin Bader, Manager des 1. FC Nürnberg: „In Italien hat die Einzelvermarktung der Attraktivität der Liga mehr geschadet als genutzt.“ Die Zentralvermarktung hält Bader „für ein wichtiges Regulativ, um bei den zum Teil krass unterschiedlichen wirtschaftlichen Möglichkeiten in der Liga zumindest ansatzweise eine Chancengleichheit herzustellen.“ Nicht nachvollziehbar sind für Bader Forderungen nach einer noch höheren Beteiligung der Topklubs: „Vereine, die in internationalen Wettbewerben vertreten sind, erzielen ohnehin höhere Einnahmen durch Zuschauer, Sponsoren, Fernsehgelder im Europacup und Transfererlöse.“

Vor allem die 18 Zweitligaklubs verfolgen mit höchster Sorge den Verteilungskampf und das Verfahren das Kartellamtes. Sollte es zur Einzelvermarktung kommen, bekämen sie nach internen Berechnungen zusammen wohl 50 Millionen Euro weniger an TV-Geld. Im günstigsten Fall 30 Millionen statt der aktuell ausgeschütteten 84,42 Millionen Euro pro Jahr. Karl-Heinz Rummenigge betonte nach seinem Besuch beim Kartellamt gegenüber dem kicker: „Die Bundesliga ist eine wunderbare Veranstaltung und die zentrale Vermarktung ein wichtiges Gut. Aber wir müssen darauf achten, dass die deutschen Spitzenklubs in der Champions League mitspielen können.“ Womöglich „müssen wir Parameter überprüfen“. Rummenigge sagte es durch die Blume, doch die Konkurrenz hat die Botschaft verstanden. Zentralvermarktung ja – wenn Bayern mehr Honorar bekommt. Rolf Dohmen, Manager des Karlsruher SC, ist klar für die Zentralvermarktung. Zur Anregung, die Verteilung zu ändern, sagte er: „Wenn für uns mehr herausspringt, dann ja.“ Konkret fordert Bochums Aufsichtsratschef Werner Altegoer als „eindeutiger Befürworter der Zentralvermarktung“ einen neuen Verteilungsschlüssel: „Es muss insofern geändert werden, dass er weniger kopflastig zugunsten der in der Tabelle oben angesiedelten Vereine ausgerichtet wird. Rummenigges Wünsche gehen zudem am Thema vorbei, denn die nationalen TV-Gelder haben mit den internationalen Wettbewerben nichts zu tun.“

Rummenigges Vorstoß beim Kartellamt, der auf einer Telefonkonferenz des Ligavorstandes in der vergangenen Woche mächtig diskutiert wurde, hat die Konkurrenz irritiert. Sein Hinweis, dass der FC Bayern als Aktiengesellschaft „den Interessen der Aktionäre verpfl ichtet“ sei, ruft Hans-Joachim Watzke, Geschäftsführer der Borussia Dortmund GmbH & Co. KGaA, als Vertreter des einzigen börsennotierten Fußball- Unternehmens in Deutschland auf den Plan: „Bayern hat die Interessen von zwei Aktionären, dem eingetragenen Verein Bayern München und Adidas, zu wahren, wir die von rund 50 000 Aktionären. Insofern muss man sorgfältig abwägen, in welcher Konstellation wir wirtschaftlich am erfolgreichsten sind.“

Kurzfristig könne eine Änderung des bestehenden Systems „interessant sein, langfristig jedoch eine Umverteilung zu einem Spannungsabfall in der Liga führen – und uns damit schaden.“ Auch unter dem Aspekt „einer gewissen Solidarität in der Liga“ befürwortet Watzke die Zentralvermarktung, sieht aber „das gegenwärtige Modell sicher optimierbar, vielleicht sollte man über eine stärkere Erfolgskomponente in den Verträgen nachdenken.“ Vorstandsvorsitzender Martin Kind von Hannover 96 kämpft momentan für eine Mehrheitsbeteiligung von Investoren in deutschen Klubs und gegen die 50+1-Regel, wonach der Stammverein die Mehrheit halten muss: „Rein ordnungspolitisch wäre ich für die Einzelvermarktung, selbst wenn sie für Hannover 96 im Moment von Nachteil wäre.“ Kind warnt aber davor, die Sache zu überstürzen: „2009 wird es nach meiner Einschätzung noch nicht so weit sein.“ Er regt die Bildung einer Arbeitsgruppe an, die sich zu befassen habe „mit den Ansätzen, die Bayern München einbringt“. Vorstandsboss Jürgen L. Born von Werder Bremen ist für die Zentralvermarktung, der neue Verteilungsschlüssel müsse „intern bei der DFL beraten werden“.

Duisburgs Boss Walter Hellmich appelliert an die Solidarität: „Bisher ist man fair miteinander umgegangen, das sollte so bleiben.“ Für Hertha-Manager Dieter Hoeneß ist „die zentrale Vermarktung notwendig, über die eine oder andere Modifi kation kann man in den Gremien diskutieren“. Die Vorstandsvorsitzenden Dirk Grabow (Rostock) und Ulrich Lepsch (Cottbus) sind „mit dem bestehenden Verteilungsschlüssel zufrieden“ und gegen die Einzelvermarktung. Auch Wolfburgs Manager Felix Magath und Bielefelds Geschäftsführer Gerhard Kentsch sind ebenso gegen Änderungen wie Liga-Vizepräsident und Schalke-Geschäftsführer Peter Peters, der am vergangenen Montag beim Kartellamt für den Fortbestand der Zentralvermarktung geworben hat. Nur der Hamburger SV gab bei der kicker-Umfrage unter allen Bundesligaklubs keine Stellungnahme ab.

„Man sollte Denkansätze nicht kategorisch ablehnen, grundsätzlich halte ich die zentrale Vermarktung aber für den richtigen Weg“, sagt Erwin Staudt. In den Augen des Präsidenten des VfB Stuttgart ist „ein Grund für die Beliebtheit der Bundesliga die Tatsache, dass die Kleinen immer wieder für Überraschungen sorgen. Das ist unter anderem darauf zurückzuführen, dass bei der Verteilung der Fernsehgelder die Interessen aller Klubs gewahrt werden.“ Gegen neue Systeme sind auch Frankfurts Vorstandschef Heribert Bruchhagen („Die Geldschere geht schon heute zu weit auseinander“) und Leverkusens Geschäftsführer Wolfgang Holzhäuser: „Das System ist stimmig, weil es erfolgsabhängig honoriert.“ Am Ende aber entscheidet das Kartellamt mit – deshalb zittert die Liga.

Rainer Franzke