Bundesliga

"Lumpis" langes Leiden

Portrait Harald Spörl (Hamburger SV)

"Lumpis" langes Leiden

Wenn man so will, klebt Harald Spörl schon seit seinem Wechsel vom damaligen Bayernligis- ten VfL Frohnlach das Pech an den Füßen. Der HSV war gerade DFB-Pokalsieger geworden, als der 1,70 Meter kleine Franke im Sommer 1987 den großen Sprung ins seinerzeit mit Kaltz, Jakobs oder von Heesen hochkarätig besetzte Star-Ensemble wagte. Heute, 316 Bundesliga-Einsätze und 60 Tore später, erinnert sich Spörl: "Gute Mannschaften hatten wir öfter. Aber es ist wie verhext: Seit ich da bin, will es mit einem Titel einfach nicht mehr klappen."

Wie verhext - das richtige Stichwort auch für die aktuelle Situation des 33-Jährigen. Ausgerechnet in seiner 13. Profi-Saison an der Alster hat sich Spörl endgültig zum Unglücksraben entwickelt. Der Dauerbrenner vergangener Tage, auf Anhieb Stammkraft, 1991/92 sogar mit der Höchstzahl von 34 Bundesliga-Einsätzen, ist ein Langzeit- Leidender geworden. Vor gut einer Woche hatte Spörl in Dortmund gerade wieder einmal ein Comeback gefeiert, seinen zweiten 45-Minuten-Einsatz der laufenden Spielzeit. Am Freitag gegen Hansa Rostock, so versichert Trainer Frank Pagelsdorf, wäre Spörl sogar "von Anfang an dabei gewesen". Doch ganze 16 Stunden nach dem viel versprechenden Auftritt im Westfalenstadion wurde ein neues Kapitel der Leidensgeschichte aufgeschlagen: Beim Training blieb Spörl im Rasen hängen, es folgte "ein kurzer Ruck, schon war's passiert": Adduktoren- Teilabriss, Saison-Aus.

Was jetzt folgt, kennt der dienstälteste HSV-Profi zur Genüge: aussetzen, Reha, rankämpfen. "So geht es schließlich Schlag auf Schlag seit über einem Jahr." Genau seit dem 15. August 1998, dem Saisonauftakt in Nürnberg (1:1). Danach plagten Spörl erstmals Bandscheiben und Rückenmuskulatur, Comeback Ende Oktober. Insgesamt 188 Minuten zurück auf der Bühne Bundesliga, fiel drei Wochen später schon wieder der Vorhang: Diesmal spielten die Adduktoren nicht mehr mit, Pause bis März, danach noch ganze sieben (zumeist Kurz-)Einsätze. In die neue Saison startete Spörl hochmotiviert - und gesteht heute ein: "Ich wollte zu viel." Beim Test gegen eine Amateur- Auswahl gab es im September den nächsten Rückschlag: Muskelbündelriss im Oberschenkel. Erst ab Januar durfte Spörl im Mannschaftstraining und anschließend beim Trainingsla- ger in Portugal wieder Gas geben, wurde jetzt erneut schmerzhaft ausgebremst.

Die bange Frage, ob es überhaupt noch Sinn macht, stand für den Betroffenen selbst "nie" zur Debatte. "Im Gegenteil: Ich habe doch immer wieder gesehen, dass ich mithalten kann." Für außergewöhnlich anfällig hält sich Spörl deshalb nicht: "Wenn es einfach beim Laufen passiert wäre, würde ich die Sache auch anders sehen. Aber wenn du hängen bleibst, hat der Muskel keine Chance. Das hätte jeden treffen können."

"Ein, zwei Jahre" soll die Bundesliga-Karriere schließlich schon noch dauern. Darauf baut auch Pagelsdorf: "Harald ist auf Grund seiner Erfahrung wichtig im Mannschaftsgefüge, dazu immer noch torgefährlich." Dass Spörl, dessen im Sommer auslaufender Vertrag sich nur ab einer bestimmten Zahl von Einsätzen automatisch verlängert hätte, gehalten wird, ist nur noch Formsache. Ohnehin schon lange hat sich abgezeichnet, dass der treue "Lumpi" ("Selbst meine Frau nennt mich so. Aber keine Ahnung, woher dieser Spitzname kommt.") seine Laufbahn in Hamburg beenden würde: "Wenn ich mal ein anderes Angebot hatte, habe ich damit nie den Klub unter Druck gesetzt." Seine Karten hatte er beim letzten Verhandlungspoker indes gut ausgereizt, schon damals einen langfristigen Vertrag erzielt. Und: Im Anschluss an die Kicker-Karriere wird Spörl für mindestens drei Jahre in den Trainerstab übernommen.

Anerkennung für sportliche Verdienste - von der Spörl im Moment freilich nichts wissen will. "Wenn ich jetzt die Schlagzeile lese 'Spörl darf bleiben', klingt das so nach Gnadenbrot. Das tut schon weh." Doch im Gegensatz zu manchem Außenstehenden, ist Spörl überzeugt, "wissen die Vereinsverantwortlichen, was sie an mir haben. Ich komme schon auf meine Einsätze - und die Chancen auf einen Titel sind besser denn je." Dem Pechvogel des HSV winkt doch noch ein Happy End.

Thiemo Müller