Bundesliga

Warum "MV" zurückschießt

Stuttgart: Der Aufsichtsrats-Vorsitzende Bandke hatte Horrorszenario beschrieben

Warum "MV" zurückschießt

Es war so etwas wie ein neuer Anfang. Ein halbes Dutzend Niederlagen hatte der VfB (bei zwei Siegen in Duisburg und gegen Bayern) in den ersten acht Spielen des Jahres 2000 davongetragen und so UEFA- Pokalplatz sechs mit Rang zehn vertauscht. Der desolaten Leistung beim 0:3 auf Schalke vor Wochenfrist folgten fünf Tage, in denen alles aus dem Ruder zu laufen drohte. Im Kreis der Mannschaft, wo Krassimir Balakov sein Amt als Kapitän abgeben (der kicker berichtete) und Thomas Berthold wegen harscher Kritik an Trainer Ralf Rangnick und dessen Spielsystem beim 0:2 gegen Frankfurt 15 000 Mark Geldstrafe berappen musste. Aber auch im Umfeld. Dort fühlte sich der Aufsichtsrats-Vorsitzende Heinz Bandke, viele Jahre lang ein treuer Weggefährte Gerhard Mayer-Vorfelders, durch die neuen Machtstrukturen im Verein angestachelt, aus allen Rohren gegen den noch amtierenden Präsidenten zu schießen und das Horrorszenario eines fast bankrotten Vereins an die Wand zu malen. Schließlich in der Sportlichen Leitung, wo Sportdirektor Karlheinz Förster trotz eines winzigen Drei-Punkte-Rückstands auf den Tabellensechsten Werder Bremen erklärte, ein sechster Platz sei "einfach unrealistisch".

Nun, seit Samstag, 17.15 Uhr, sieht die Welt auf dem Cannstatter Wasen wieder anders aus. Für die Mannschaft, die in einem "sehr wichtigen Spiel", so der neue Kapitän Zvonimir Soldo ("Das ist für mich eine große Ehre, aber ich bin nicht froh über die Umstände, die mich dazu gemacht haben"), Nervosität und Verunsicherung verriet, aber auch Tugenden zeigte, die ihr häufig allzu leichtfertig abgesprochen werden: Charakter und Willensstärke. Stark, wie Pablo Thiam seine Mitspieler aus dem defensiven Mittelfeld heraus mitriss, wie Soldo in seiner neuen Rolle als Abwehrchef auftrat, wie sich Krassimir Balakov nach seiner Entmachtung in den Dienst der Mannschaft stellte, wie Sean Dundee die Chance seines Einsatzes von Anpfiff an nutzte.

Doch auch im Umfeld rührte sich etwas. Nach Wochen der Wortlosigkeit wehrte sich Mayer-Vorfelder gegen die "Kampagne", die gegen ihn geführt werde. "Ich lasse nicht zu, dass man den Eindruck erweckt, als knalle ich den VfB gegen die Mauer", sagte der Präsident und machte deutlich, dass diese Mannschaft durchaus "das Potenzial für höhere Aufgaben" habe. Von wegen Rang sechs als Utopie.

Allein, die Verletzung Soldos und ein Platzverweis trübten die Freude. Die Rote Karte für Viorel Ganea brachte Rangnick meterhoch auf die Palme; mit Recht, auch wenn Neuendorf in jener Szene überaus unsportlich und theatralisch umkippte. "Eine doppelt ärgerliche Karte", so der VfB-Trainer, "weil ich schon beim ersten Handgemenge mit Herzog dazwischen gegangen war." Dem Rumänen droht nun eine vereinsinterne Geldstrafe.