Bundesliga

Peking geht vor: Rafinha lässt das Trainingslager sausen

Ringen um Olympia - Dr. Koch kritisiert die FIFA

Peking geht vor: Rafinha lässt das Trainingslager sausen

Rafinha

Zieht Olympia dem Ligastart vor: Rafinha. imago

Auf Schalke war heute bereits um 8.30 Uhr "High noon". Die Mannschaft startete ins Trainingslager nach Österreich, und bis Sonntagabend drehte sich alles um die Frage: Mit Rafinha (22) oder nicht? Der Brasilianer fehlte am Morgen als einziger! Er hatte sich schon am Samstag klar geäußert: "Ich fahre nicht ins Trainingslager, weil ich nach Paris muss. Zum Treffpunkt unserer Olympia-Auswahl. Ich will für mein Land spielen, und die FIFA hat entschieden, dass Schalke mich gehen lassen muss."

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Dabei hatte Rafinha 24 Stunden zuvor ganz anderes zu hören bekommen: "Am Freitag", berichtet Schalkes Manager Andreas Müller (45), "habe ich ihm nochmals erklärt: Wir sehen keine Abstellungspflicht und lassen ihn nicht fahren." Dass Rafinha den Standpunkt seines Arbeitgebers ignoriert, nahm Müller am Sonntag ungerührt zur Kenntnis: "Ich brauche nicht mehr mit ihm zu reden. Ich gehe davon aus, dass er pünktlich zu unserer Abfahrt erscheint." Über Sanktionen für den anderen Fall dachte er zu diesem Zeitpunkt deshalb nicht nach. Heute muss er das tun: "Wir werden jetzt gemeinsam mit der DFL prüfen, welche Möglichkeiten wir haben", erklärte Müller bei der Abfahrt nach Österreich.

Die DFL hatte wie der DFB die Rechtsansicht der Klubs am Sonntag gestärkt: "Es besteht keine Abstellungspflicht", so DFL-Geschäftsführer Holger Hieronymus (49), "wir prüfen, ob Spieler, die ohne Zustimmung der Vereine nach Peking reisen, fürs olympische Turnier gesperrt werden können." Die Antwort auf IOC-Präsident Jacques Rogge und FIFA-Sprecher Alain Leiblang, die am Freitag mit Sperren für bis zu 23-jährige Spieler gedroht hatten, die nicht abgestellt würden. Die Grundlage dafür blieb auch am Sonntag schleierhaft.

"Die FIFA muss endlich klar Position beziehen", fordert Dr. Rainer Koch (49), DFB-Vizepräsident für Recht- und Satzungsfragen, "es hieß bisher immer, dass die Spieler abgestellt werden sollen, aber nicht müssen." Denn: Olympia ist weder im FIFA-Kalender verankert noch wäre ein Sonderbeschluss des FIFA-Exekutivkomitees bekannt. Somit entfallen beide in den FIFA-Statuten festgelegten Voraussetzungen für eine Abstellungspflicht.

Die FIFA muss endlich klar Position beziehen.

Dr. Rainer Koch, DFB-Vizepräsident für Recht- und Satzungsfragen

Der öffentliche Zickzackkurs des Weltverbandes sorgt nun bei den Beteiligten ebenso wie beim neutralen Beobachter für größtes Unverständnis. Bremens Sportdirektor Klaus Allofs (51), dessen Mittelfeldstar Diego (23) wie Rafinha für Brasilien antreten will, äußert das drastisch, aber im Sinne aller: "Die FIFA hat versagt." Schalkes Geschäftsführer Peter Peters (46): "Die FIFA will dem IOC einen Gefallen tun und lädt ihre Verantwortung auf dem Rücken von Spielern und Vereinen ab." Diese wollen hart bleiben: Werder bei Diego und Dusko Tosic (23, Serbien), der HSV bei Vincent Kompany (22, Belgien), Leverkusen bei Constant Djakpa (21, Elfenbeinküste). Letzterer hat am Montag nach einem Gespräch mit Bayer erklärt, nicht am Olympischen Turnier teilnehmen zu werden. "Es war sicherlich eine der schwierigsten Entscheidungen in meiner bisherigen sportlichen Laufbahn. Aber ich respektiere die schwierige Lage des Vereins und akzeptiere damit die getroffene Vereinbarung", meinte Djakpa. Herthas Gojko Kacar (21, Serbien) verzichtet indes freiwillig: "Ich bin Profi."

Werder lässt Diego nicht beschatten

Werder-Spielmacher Diego hatte am Montag im Anschluss an das Trainingslager auf Norderney wie seine Teamkollegen trainingsfrei. Ob er vielleicht auch schon in Richtung Olympia abgereist ist, konnte Werder-Mediendirektor Tino Polster nicht beantworten. "Wir verfolgen Diego nicht auf Schritt und Tritt und haben auch keine Detektei auf ihn angesetzt. Wir gehen davon aus, dass er in Bremen ist." Es werde am Dienstag zwar ein Gespräch mit Diegos Vater Djair Cunha geben, doch dabei soll es "nicht explizit um Olympia gehen". "Es kann eines der Themen sein – mehr auch nicht", so Polster. Am Mittwoch soll Diego mit dem SV Werder ins Vorbereitungs-Camp nach Schruns aufbrechen.

Eigene Konsequenzen aus dem FIFA-Wirrwarr zog am Sonntag Hoffenheim. Die TSG erteilte dem Nigerianer Chinedu Obasi (22) die Freigabe für das Turnier, das am 7. August beginnt, stellt ihn aber erst nach dem Trainingslager in Leogang ab und fordert ihn 24 Stunden nach der letzten Partie bei Olympia zurück. Wobei Manager Jan Schindelmeiser (44) betont: "Wir fühlen uns dazu nicht verpflichtet und hätten auch vor einem Rechtsstreit mit der FIFA keine Angst." Doch war die Frage, was das Sinnvollste sei für Verein und Obasi, den der Druck von seinem Heimatverband spürbar belastet.

Derweil schließt Dr. Koch noch größeres Chaos durch die FIFA nicht aus: "Sollte sie bei Nicht-Abstellung eine weltweite Sperre verhängen, müsste diese der DFB umsetzen. Doch könnten die Klubs dann den internationalen Sportgerichtshof CAS in Lausanne anrufen, der auch relativ schnell entscheidet." Welch ein Trost!

Thiemo Müller