Bundesliga

Die Jagd auf den Fußball

Konflikt mit Kartellamt könnte weitreichende Konsequenzen haben

Die Jagd auf den Fußball

Bosse in Bedrängnis: Liga-Chef Dr. Reinhard Rauball und DFB-Präsident Dr. Theo Zwanziger.

Bosse in Bedrängnis: Liga-Chef Dr. Reinhard Rauball und DFB-Präsident Dr. Theo Zwanziger. imago

Das DFB-Pokalfinale zwischen Borussia Dortmund und Bayern München am 19. April in Berlin stand bis zum Donnerstag der vergangenen Woche vor der Absage - ebenso die beiden letzten Testspiele der Nationalelf vor der EURO 2008 gegen Weißrussland (27. Mai in Kaiserslautern) und Serbien (31. Mai in Gelsenkirchen). Nach aktuellem Stand muss der DFB die Frauen-Weltmeisterschaft 2011 an die FIFA zurückgeben! Für die DFL ist die zentrale Vermarktung des neuen Fernsehvertrages ab 2009 gefährdet (kicker exklusiv am 10. März). Die ab 2009 geplante Einführung eines einheitlichen Ligaballes ist bereits ausgesetzt worden (kicker exklusiv am 27. März). Selbst die seit Generationen bei Kindern beliebten Panini-Sammelbilder der Stars stehen auf dem Spiel.

An der Spitze mit Christof Vollmer, Leiter der Sonderkommission Kartellbekämpfung, jagt das Kartellamt den Fußball. Bemerkenswert: Dr. Bernhard Heitzer, Präsident der Bonner Behörde, soll erst durch die Medien von den Einsätzen seines Soko-Chefs Vollmer Kenntnis erhalten haben.

Das Vorgehen der Kartellwächter hatte Silke Kaul, die Sprecherin des Amtes, nach den Hausdurchsuchungen am 26. Februar erklärt: "Es besteht ein begründeter Verdacht, dass der Wettbewerb um Sponsoren zwischen DFB, DFL und Vereinen ausgeschaltet wurde." Ein Vorwurf, der von führenden Funktionären der genannten Parteien als "absolut absurd" bezeichnet wird.

Keine Verhandlungen bis zur Entscheidung des Kartellamts

Ein Beispiel dafür, was das Kartellamt als Wettbewerbsverstoß ansieht: Der DFB sucht Sponsoren für die Frauen-WM 2011. Die Bahn AG, schon Sponsor bei der WM 2006 in Deutschland, zählt zu den interessanten Kandidaten. Die Bahn AG ist aktuell Hauptsponsor von Hertha BSC. Allein ein Hinweis des DFB an Hertha-Manager Dieter Hoeneß, dass der DFB die Bahn AG ansprechen wird, stellt nach Auffassung des Kartellamtes eine wettbewerbswidrige Absprache dar!

Derartige Vorgänge können mit Geldbußen bis zu zehn Prozent des Jahresumsatzes des Verbandes geahndet werden. Deshalb hat der DFB jetzt alle Sponsoren-Bemühungen für die Frauen-WM vorerst eingestellt, fürchtet sogar, die Ausrichtung der WM nicht gewährleisten zu können.

In der vergangenen Woche eilten die Funktionäre durch Krisensitzungen.

Der Dienstag:

DFB-Präsident Dr. Theo Zwanziger rief zu einer "Elefantenrunde": Mit ihm tagten Vizepräsident Dr. Rainer Koch, Generalsekretär Wolfgang Niersbach, die DFB-Abteilungsdirektoren, Ligapräsident Dr. Reinhard Rauball, DFL-Chef Christian Seifert und die Anwälte von DFB und DFL. In einer emotionsvollen Rede wies Zwanziger darauf hin, dass ohne eine entsprechende Genehmigung des Kartellamtes das Pokalfinale und die beiden letzten Tests der Nationalelf vor der EURO abgesagt werden müssen. Für den schlimmsten Fall wurde ein Termin für eine weitere DFB-Präsidiumssitzung am 11. April festgelegt. Hintergrund für dieses "Worst-Case"-Szenario: Das vom Kartellamt angedrohte Ordnungswidrigkeitsverfahren gegen die Verbände und ihre führenden Funktionäre. Vom Tage der Hausdurchsuchungen an griff nach den Vorschriften des Kartellamtes eine "Informationssperre" für die Funktionäre von DFB und DFL. Im Klartext: Die DFB- und die DFL-Funktionäre dürfen nicht über Sponsoren miteinander reden. Obwohl im DFB-Präsidium vier Mitglieder der Liga sind, obwohl die Liga ein Mitgliedsverband des DFB ist.

Die möglichen drastischen Sanktionen bei Zuwiderhandlung: Geldbußen in Höhe von bis zu zehn Prozent des Jahresumsatzes der Verbände. Bußen, die auch persönlich gegen Zwanziger, Niersbach, DFB-Schatzmeister Horst R. Schmidt und DFB-Marketingdirektor Denni Strich ausgesprochen werden können. Bei etwa 80 Millionen Euro Jahresumsatz könnte auf dieses Quartett eine Buße in Höhe von acht Millionen Euro zukommen. Viel dramatischer ist die Situation für die DFL, die zuletzt einen Jahresumsatz von 1,75 Milliarden Euro ausgewiesen hatte. Da könnte ein Bußgeld bis zu 175 Millionen Euro verhängt werden! Die Anwälte erklären den Funktionären, dass bei eventuellen Verstößen nach dem 26. Februar die Geldbußen noch deutlich höher ausfallen können - bis zu einer halben Milliarde Euro! Präsident Zwanziger verhängte am Ende der Sitzung an diesem Dienstag ein Informationsverbot für alle Teilnehmer.

Der Mittwoch:

Dr. Rainer Koch reist zum Kartellamt, überreicht die Schreiben der Anwälte des DFB. Das Kartellamt sagt zu, bis Donnerstag, 17 Uhr, eine Stellungnahme abzugeben.

Beckenbauer und Jones

Franz Beckenbauer und WM-OK-Chefin Steffi Jones: Statt Startschuss droht der Frauen-WM 2011 der vorzeitige Abpfiff. imago

Der Donnerstag:

Beim DFB sitzt man auf heißen Kohlen. 17 Uhr verstreicht, erst am späten Abend kommt die Fax-Nachricht aus Bonn. Das Kartellamt beendet eine Rechtsunsicherheit, teilt mit, dass Pokalfinale und die beiden Länderspiele ausgetragen werden können.

Der Freitag:

DFB-Präsidiums- und Vorstandssitzung in Frankfurt. Die 15 Kollegen im Präsidium und die 53 Vorstandsmitglieder werden von Zwanziger und Rauball über die Situation unterrichtet. Eine der brisantesten Tagungen in der jüngeren Geschichte des DFB. Allen wird klar: Im Moment müssen die Verhandlungen über die neuen Fernsehverträge des DFB (Länderspiele, Pokal, Amateure) und der DFL (Bundesliga) ab 2009 ruhen. Die Vermarktung der Länderspiele nach der EURO (7. bis 29. Juni) in Österreich und der Schweiz muss abgebrochen werden. Die Frauen-WM muss an die FIFA zurückgegeben werden, wenn die bisherige Praxis der Sponsorensuche (siehe das Beispiel mit Hertha BSC) untersagt wird. Alle Verhandlungen in Sachen Zentralvermarktung wie zum Beispiel die Ausschreibung für den Ligaball müssen gestoppt werden, bis eine Entscheidung der Kartellwächter gefallen ist. Es bleiben viele offene Fragen, etwa die, ob die Bundesregierung angerufen werden soll.

DFB bestätigt kicker-Angaben

Der DFB bestätigte in einer Pressemitteilung am Montag, dass die vom kicker aufgeworfenen Fragen diejenigen seien, "denen sich die DFB-Spitze in den vergangenen Tagen auch stellen musste und die uns weiterhin bewegen." DFB-Mediendirektor Harald Stenger bestätigte zudem, dass "ein Ordnungswidrigkeits-Verfahren gegen den DFB und auch die DFL anhängig" sei und dabei "im ungünstigsten Fall persönliche Geldbußen gegen handelnde Personen des DFB verhängt werden" könnten. Mit dem Hinweis auf das schwebende Verfahren bat er um Verständnis, dass "keine weiteren Kommentare abgeben werden" können.

Rainer Franzke