Bundesliga

Kommentar: Herthas Stadionprojekt - Chronik eines angekündigten Versagens

Ein Kommentar von kicker-Redakteur Steffen Rohr

Herthas Stadionprojekt: Chronik eines angekündigten Versagens

Kein Neubau neben dem alt-ehrwürdigen Berliner Olympiastadion.

Kein Neubau neben dem alt-ehrwürdigen Berliner Olympiastadion. imago

Als Verlierer stehen beide Seiten da. Die Berliner Politik, die mit scheinbarem Vergnügen immer neue Steine und Steinchen ins Feld rollte und damit deutlich machte, was sie von dem Neubau-Projekt des Klubs in unmittelbarer Nähe des Olympiastadions hielt: nichts - oder zumindest nicht viel. Eine privat finanzierte, moderne Arena als unmittelbare Konkurrenz zum imposanten, aber aus der Zeit gefallenen Olympiastadion - daran waren Senat und Abgeordnetenhaus von Beginn an bestenfalls halbherzig interessiert.

Ideenlosigkeit

Das Land Berlin hat bis heute keine überzeugende Antwort auf die Frage gefunden, mit welcher tragenden Idee der unter Denkmalschutz stehende und in der Unterhaltung teure Olympiapark zukunftstauglich gemacht werden kann. Die immer wieder verblüffend unverhohlen vorgetragene Forderung des Eigentümers an den Mieter Hertha BSC, er möge sich bei der Erstellung eines Nachnutzungskonzepts für das Olympiastadion kräftig einbringen, illustrierte die Ideenlosigkeit des Landes Berlin. Hertha war dazu bereit, sich auch für die Zeit nach dem geplanten Auszug 2025 konzeptionell einzubringen - und sagte überdies eine Fertigstellungsbürgschaft für die Arena zu.

kicker-Redakteur Steffen Rohr

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Auch wenn der vom Verein auf dem Olympiapark-Areal angestrebte Neubau nicht zustandekommt - Hertha wird auf Sicht das wenig komfortable und bei halbleeren Rängen wenig stimmungsträchtige Olympiastadion dennoch verlassen. Der Klub will bauen - und er wird das vermutlich auch. Falls das in Berlin nicht möglich sein sollte, wird auch ein Umzug vor die Tore der Stadt wieder ein Thema, den die Klub-Mitglieder auf breiter Front ablehnen. Die jetzt hier und da aufkommende Schadenfreude aus den Reihen der Politik ist deplatziert. Mal wieder taugt ein Bauprojekt in Berlin als Schlagzeilen-Objekt - und Chronik eines angekündigten Versagens.

Kein gutes Bild

Hertha hat einige Hürden auf dem Weg zur neuen Arena unterschätzt - und in der Kommunikation wie schon in der Digitalisierungs-Offensive kein gutes Bild abgegeben. Trotz der offenkundigen Skepsis in Teilen der Stadt und bei vielen Entscheidern in der Politik nannte der Klub mit dem 25. Juli 2025 öffentlich einen Eröffnungstermin für das neue Stadion. Das war in der Wirkung vor allem eines: kontraproduktiv.

Der Ball liegt wieder in Herthas Hälfte

Stadion-Manager Klaus Teichert zerstreute Zweifel und Skepsis gern mit demonstrativ zur Schau getragener Siegesgewissheit. Das war viel Selbstbewusstsein - mitunter wohl zu viel. Mit Blick auf die 84 Anwohner aus den 24 Wohnungen, deren Eigentümer, die Genossenschaft 1892, Herthas Pläne jetzt durchkreuzt hat, lässt sich konstatieren: Die, auf die es eben auch ankam, hat der Verein nicht abgeholt. Hertha entfachte in Berlin und auch direkt vor der eigenen Haustür zu wenig Feuer für das Projekt, das für die Entwicklung des Klubs existenziell wichtig ist.

Zeit für Plan B

Vor Wochenfrist hatte Manager Michael Preetz über das Stadion-Thema gesagt: "Ich kann Ihnen versichern, dass wir auf alle Fragen eine Antwort haben." Jetzt stellen sich viele Fragen neu - oder wieder. Der Ball liegt wieder in Herthas Hälfte. Der Klub muss Antworten finden - und geben. Wenn er die eher ablehnende Stimmung in der Stadt und in der Landespolitik realistisch eingeschätzt hat, hat er das jetzt eingetretene Szenario einkalkuliert. Es ist Zeit für Plan B.

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