Bundesliga

Kommentar von Jörg Jakob: Schmeißt den ganzen Tisch um!

Kommentar von kicker-Chefredakteur Jörg Jakob

Schmeißt den ganzen Tisch um!

Ein Abgang, der überfällig war: Reinhard Grindel.

Ein Abgang, der überfällig war: Reinhard Grindel. imago

Womöglich denkt Reinhard Grindel, der Ex-DFB-Präsident, an seinen Parteifreund Christian Wulff, den Bundespräsidenten a. D. Die beiden Niedersachsen verbindet ein krachendes Scheitern im hohen Amt. Wulff erfuhr mit einigem Abstand einen gewissen Trost, weil Teile der Medien sich schließlich auch selbst fragten, ob sie bei einzelnen Schritten des Zerlegens zu weit gegangen waren. Grindel, der frühere CDU-Bundestagsabgeordnete, ist nun zurückgetreten, wie es sich in der Politik, auch in der Sportpolitik, gehören sollte, wie es aber nicht immer geschieht, um weiteren Schaden zu vermeiden. Für diesen Rücktritt war es höchste Zeit. Schon bevor das "Uhrenstück" veröffentlicht wurde, liefen im Hintergrund konkrete Vorbereitungen für Grindels Aus, spätestens beim Bundestag im September.

Grindel, in erster Linie ein Amateurvertreter, gefiel sich sehr in seiner Rolle. Nun hat es eine gewisse Tragik, dass der Mann, der als Junge nach Ochsenzoll pilgerte, um sein Idol "Uns Uwe" zu erleben, mit seiner letzten repräsentativen Handlung ausgerechnet der Ikone Seeler zur Aufnahme in die Hall of Fame gratulieren durfte. Und es wirkt wie pure Ironie, dass der vermeintliche Erneuerer in Sachen Compliance schlussendlich über ein höchst zweifelhaftes Präsent stürzte. Ob aus Dummheit, im Dauerstress oder mit Dreistigkeit? Jedenfalls wird in dieser vorerst finalen Episode deutlich, wie und warum der Ex-DFB-Schatzmeister und frühere ZDF-Journalist an der Spitze des deutschen Fußballs keine gute Figur abgab. Seine Amtszeit besteht aus Fallen, die ihm vornehmlich im eigenen Haus gestellt wurden, und aus Fettnäpfchen, in die er häufig, es hatte manchmal den Anschein: mit Vergnügen trat.

Grindels Schwächen überwiegen

Sein fleißiger Einsatz für die vielzitierte Basis, die erfolgreiche Bewerbung um die EM 2024, verbesserte finanzielle Abschlüsse mit Sponsoren, Strukturveränderungen in der Zentrale, auch der Schulterschluss mit UEFA-Chef Aleksander Ceferin bei den Ränkespielen im Weltverband konnten die Schwächen kaum aufwiegen. In der Führung und Moderation der "Abteilung" Nationalmannschaft, der egal ist, wer unter ihr als Präsident agiert, in den üblichen Machtproben mit den Bossen im Profilager und vor allem in der Bewertung und Akzeptanz der Öffentlichkeit war der Präsident nicht stark genug.

Jörg Jakob, Leiter kicker-Chefredaktion.

Jörg Jakob, kicker-Chefredaktion. kicker

Mit dem Ende dieser Personalie ist das Kernproblem des DFB jedoch weder erkannt noch gelöst. Der Verband mit mehr als 7 Millionen Mitgliedern, einer jährlichen Bilanzsumme von mehr als 320 Millionen Euro und mehreren hundert Beschäftigten wird nach Theo Zwanziger und Wolfgang Niersbach sowie Grindel auch mit dem nächsten Nachfolger weder glücklich noch zukunftsfähig.

An der Spitze des deutschen Fußballs darf nicht mehr einfach nur neu eingedeckt werden. Schmeißt den ganzen Tisch um! Es braucht, ähnlich der DFL, eine hauptamtliche, operativ verantwortlich agierende Geschäftsführung und einen Aufsichtsrat, dessen Vorsitz der DFB-Präsident inne haben kann. Mit einem scheinheiligen Ehrenamt lügt sich die sogenannte Fußball-"Familie" nur länger in die eigene Tasche.

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