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Im Zwischentief: Borussia Dortmund und die Sehnsucht nach Marco Reus - Bundesliga

Beim freudlosen in 0:0 fehlte es dem BVB an vielen Dingen

Im Zwischentief: Dortmund und die Sehnsucht nach Reus

Nur noch drei Punkte Vorsprung: Die Leichtigkeit ist dem BVB ist abhandengekommen.

Nur noch drei Punkte Vorsprung: Die Leichtigkeit ist dem BVB ist abhandengekommen. imago

Verletzungen sind für Fußballer nie schön. Man ist raus aus dem täglichen Betrieb, weg von der Mannschaft, allein mit sich und dem lädierten Körper. Für Marco Reus allerdings muss die derzeitige Zwangspause schier unerträglich sein. Der überragende Bundesliga-Spieler der Hinrunde ist seit der Halbzeitpause des DFB-Pokalspiels seines BVB gegen Werder Bremen zum Zuschauen gezwungen. Ein Muskelfaserriss bremst den monatelang so formstarken 29-Jährigen aus.

Tatenlos musste er seit seiner Auswechslung gegen Bremen dabei zusehen, wie sein Team erst im Elfmeterschießen an Werder scheiterte, dann beim 3:3 gegen Hoffenheim eine 3:0-Führung verspielte und vier Tage später das Achtelfinal-Hinspiel in der Champions League bei Tottenham Hotspur mit 0:3 vergeigte . Und auch am Montag dürfte Reus auf der heimischen Couch mehrmals voller lauter Verzweiflung den Impuls verspürt haben, in die Tischkante zu beißen.

Durch das 0:0 beim Tabellenletzten Nürnberg ist der Vorsprung auf den FC Bayern nach dem 22. Spieltag von fünf auf drei Punkte geschrumpft. Noch immer ist die Tabellensituation für die vor der Saison nicht als Meisterschaftskandidat gehandelte Borussia zwar einigermaßen komfortabel, zumal auch das Torverhältnis noch für den BVB (+31 zu +24) spricht. Beachtliche vier Zähler allerdings hat der BVB gegenüber dem Rekordmeister verspielt, seitdem Reus nicht mehr mitspielt.

Die individuellen Defensivfehler hätte auch Reus nicht verhindern können

Man würde es sich beim BVB zu leichtmachen, die spielerische Delle der vergangenen Auftritte, die sich nicht zuletzt in den Ergebnissen widerspiegelt, allein am Fehlen Reus' festzumachen. Natürlich fehlt der Kapitän als Kopf auf dem Platz, als Torschütze und Vorbereiter, als Mann, der Ehrfurcht beim Gegner auslöst. Doch individuelle Defensivfehler seiner Teamkollegen wie sie gegen Bremen, Tottenham und Hoffenheim auftraten, hätte auch er nur schwerlich verhindern können.

Nürnberg hat mit elf Mann am eigenen Strafraum verteidigt. Wir müssen dafür Lösungen finden. Aber es fehlt uns Durchschlagskraft, auch der Körper. Wir sind oft unterlegen

Roman Bürki

Mehrmals forderte Keeper Roman Bürki - neben Reus der deutlichste Mahner im Team - zuletzt eine größere Robustheit und Durchsetzungsstärke ein . Zuletzt am Montag in Nürnberg, wo seine Vorderleute zumindest defensiv wieder deutlich besser agierten als in den drei Spielen zuvor. Es sei "schwierig" derzeit, gab der Schweizer zu und lieferte die Begründung gleich mit, warum seine Mannschaft seiner Meinung nach zum zweiten Mal nacheinander ohne eigenes Tor geblieben war: "Die Gegner wissen um unsere Stärken, stellen sich entsprechend auf. Nürnberg hat mit elf Mann am eigenen Strafraum verteidigt. Wir müssen dafür Lösungen finden. Aber es fehlt uns Durchschlagskraft, auch der Körper. Wir sind oft unterlegen."

Der BVB trifft in der Schlussphase nicht mehr

Nun waren die Dortmunder auch in der Hinrunde nicht größer oder kräftiger als aktuell. Es fiel nur nicht so auf, weil die Leichtigkeit des Seins größer war als aktuell, wo den Schwarz-Gelben alles etwas schwerer fällt. Sie entwischten den Gegnern spielerisch, spielten nach einem schwerfälligen Saisonstart temporeich und kreativ, waren für den Gegner auch aufgrund der Vielzahl an Torschützen nur schwer ausrechenbar. Und: Sie trafen häufig in der Endphase eines Spiels, nachdem sie den Gegner müde gespielt hatten. 20 Tore fielen wettbewerbsübergreifend allein in der Schlussphase. 21 Treffer wurden von eingewechselten Spielern erzielt.

Einstige Stärken, die derzeit verschwunden sind. Nur Axel Witsel traf für den BVB bislang in der Rückrunde während der Schlussviertelstunde - beim 5:1-Sieg über Hannover. Ein Jokertor steht in der zweiten Saisonhälfte aktuell noch gar nicht in der Bilanz, auch weil der in der Hinrunde vor allem als Einwechselspieler so stark knipsende Paco Alcacer seit dem 18. Dezember ohne Torerfolg ist.

In Nürnberg fehlte nicht nur das Tempo

In Nürnberg aber fehlte nicht nur das Tempo, das man benötigt, will man eine so tiefstehende Mannschaft wie den Club auseinanderziehen. Es mangelte auch an der letzten Konsequenz am und im Strafraum, an der noch in der Hinrunde so großen Entschlossenheit, Spiele für sich zu entscheiden, am Ende auch an der von Favre so oft eingeforderten Geduld. Mehrmals segelten Flanken aus dem Halbfeld in den Nürnberger Strafraum. Dort allerdings stand niemand, der sie hätte verwerten können: Sowohl Mario Götze, der mit Abstand beste und gefährlichste Borusse am Montag, als auch der eingewechselte Alcacer waren allein schon aufgrund ihrer Körpergröße von 1,75 bzw. 1,73 Meter gänzlich ungeeignete Abnehmer für die planlos in die Mitte geschlagenen hohen Bälle. Es hätte kreativerer Mittel bedurft, das Abwehrbollwerk des Aufsteigers zu knacken.

Dahoud hätte die kreativen Mittel im Repertoire - doch Delaney spielte

Mahmoud Dahoud ist so ein Spieler, der grundsätzlich über das nötige Repertoire verfügt. Doch der Mittelfeldspieler, an guten Tagen gesegnet mit der Fähigkeit, durch schnelle Drehungen auch auf engsten Räumen neuen Platz zu schaffen, kam nicht zum Einsatz. Stattdessen spielte Thomas Delaney von Beginn an, obwohl die größten Qualitäten des körperlich robusten Abräumers im defensiven Mittelfeld angesichts der immensen Ballbesitzzeiten des BVB nicht gefordert waren. Favre erkannte das erst spät in der zweiten Hälfte, als er Delaney nach 80 Minuten durch Jacob Bruun Larsen ersetzte. Doch es nützte nichts mehr - auch weil der in der Hinrunde noch so überraschend starke Bruun Larsen derzeit wie so viele Borussen (Hakimi, Diallo, Pulisic, Alcacer, mit Abstrichen auch Witsel) nicht die Form des ersten Halbjahres erreicht.

Mahmoud Dahoud

Seine Kreativität hätte dem BVB in Nürnberg helfen können: Mahmoud Dahoud (r.). imago

Wiedersehen mit Bosz - Werden Reus und Piszczek fit?

Unterm Strich stehen so fünf sieglose Spiele in Serie in der jüngsten BVB-Bilanz - das gab es in Dortmund zuletzt unter Peter Bosz am Jahresende 2017. Und ausgerechnet mit ihm gibt es am Sonntag ein Wiedersehen im Signal Iduna Park. Der Niederländer trainiert inzwischen bekanntlich Bayer Leverkusen. Und das recht erfolgreich: Die Werkself ist mit 12 Punkten aus fünf Partien die derzeit beste Mannschaft der Rückrunde. Dortmund dagegen ist in diesem Ranking nur Fünfter - zuletzt mit Tendenz nach unten.

Der Glaube beim BVB ist groß, dass sich der Trend der vergangenen Tage spätestens mit der Rückkehr von Reus wieder umkehrt. Doch noch ist nicht gesichert, dass er am Sonntag wieder zur Verfügung steht, ähnlich sieht es beim ebenfalls schmerzlich vermissten Stabilitätsanker Lukasz Piszczek aus. "Es wird eine knappe Geschichte werden", sagte der um Ruhe und Realismus bemühte Sebastian Kehl, Dortmunds Leiter der Lizenzspielerabteilung, am Montag. "Aber die Hoffnung ist da."

Matthias Dersch

Bilder zur Partie 1. FC Nürnberg - Borussia Dortmund