Bundesliga

Michael Zorc: "Der deutsche Fußball wird links und rechts überholt"

BVB-Macher Zorc und Ricken über den Nachwuchs

"Der deutsche Fußball wird links und rechts überholt"

"Top-Qualität" findet er vor allem im Ausland: BVB-Sportdirektor Michael Zorc.

"Top-Qualität" findet er vor allem im Ausland: BVB-Sportdirektor Michael Zorc. imago

Lars Ricken ist Deutschlands Gold- und Titelschmied. Als Chef der BVB-Jugendabteilung verantwortete er zwischen 2014 und 2018 fünf Deutsche Meisterschaften, zweimal mit der U 19, dreimal mit der U 17 der Borussia, in jedem Jahr eine. Ricken weiß also, wie man erfolgreich arbeitet. Umso mehr Gewicht besitzt sein Urteil, das er jetzt über den Zustand des deutschen Fußball-Nachwuchses fällt.

"Wenn wir die U-Nationalmannschaften als Speerspitze des deutschen Nachwuchsfußballs betrachten, bleibt festzuhalten, dass das Abschneiden in den vergangenen Jahren - von Ausnahmen abgesehen - nicht gut war", äußert Ricken in einem Doppelinterview, das er gemeinsam mit Sportdirektor Michael Zorc dem BVB-Mitgliedermagazin "Borussia" gab.

Man müsse "die Thematik leider größer fassen", sagt Ricken

Und er ergänzt: "Auch in diesem Sommer finden in den Jahrgängen verschiedene Europameisterschaften statt, und ich kann aktuell nicht erkennen, dass wir zu den Titelfavoriten zählen." Dortmunds Nachwuchskoordinator glaubt allerdings nicht, "dass es sich hier nur um Auffälligkeiten im Bereich der 16- bis 20-Jährigen handelt, sondern dass man die Thematik leider größer fassen muss."

Zorc holte vielversprechende Talente wie Jacob Bruun Larsen, Christian Pulisic, Ousmane Dembelé, Jadon Sancho oder Dan-Axel Zagadou aus dem Ausland. "Wir haben im deutschen Nachwuchs zurzeit nicht diese absolute Top-Qualität", bemängelt er, "ich habe leider das Gefühl, dass der deutsche Fußball links und rechts überholt wird." Ausnahmen stellen für ihn allenfalls Kai Havertz (19, Bayer Leverkusen) und Leroy Sané (23, Manchester City) dar. "Was die 17- bis 21-Jährigen angeht, stehen wir im internationalen Vergleich einfach nicht so gut da, wie das vor einigen Jahren noch der Fall war."

Die völlig unterschiedlichen Schulsysteme sind ein Grund für Ricken

Als einen Grund dafür, dass "unsere Spieler in ihrer Entwicklung im internationalen Vergleich ein bis zwei Jahre hinterherhinken", hat Ricken die völlig unterschiedlichen Schulsysteme ausgemacht. Seine Argumentation: "Es ist schon ein Unterschied, ob du morgens um 8 Uhr individuell trainierst, danach sieben Stunden Schule hast und am Abend erst eine Mannschaftseinheit absolvierst, oder ob du dich - wie zum Beispiel in England - schon in so jungen Jahren vornehmlich auf den Fußball konzentrieren kannst." Ricken versichert, dass er "nicht unser Schulsystem von Grund auf ändern" wolle. "Aber wir sehen schon Optimierungsbedarf."

Thomas Hennecke