Schließlich war die sportliche Entwicklung der gesamten Mannschaft sowie der einzelnen Spieler mit dem von Geschäftsführer Rudi Völler gewählten Begriff der "Stagnation" noch in der maximal möglichen positiven Version beschrieben worden. Wer diese Hinrunde verfolgt hat, hat viel zu oft erlebt, dass Bayer 04 nicht nur von den Ergebnissen her dem eigenen hohen Anspruch eines Champions-League-Anwärters nicht gerecht geworden ist. Aufgrund dieses Gesamteindrucks war der Trainerwechsel richtig.
Allerdings hat sich Bayer viel Zeit gelassen mit der Entscheidung. Zu viel. Denn dass die Werkself ihre beiden letzten Hinrundenspiele noch gewinnen und so Herrlich-Nachfolger Peter Bosz eine akzeptable Basis für eine Aufholjagd Richtung Europa liefern würde, war für Leverkusens Bosse pures Glück. Mit gewiefter sportlicher Strategie ließ sich das Zögern jedenfalls nicht begründen. Wären nur allein diese beiden letzten Spiele schiefgelaufen, hätte es für Bayer ein Ende mit Schrecken gegeben. Eine Trennung von Herrlich wäre schon in den Länderspielpausen im Oktober und im November möglich und schlüssig gewesen.
Riskante Interessenabwägung beim neuen Geschäftsführer Fernando Carro
kicker-Redakteur Stephan von Nocks.
Bayers Bosse, die Herrlichs Aus schon vor dem Hertha-Spiel beschlossen hatten, waren bei ihrer Entscheidung mit Fortuna im Bunde. Besonders auch der neue Vorsitzende der Geschäftsführung Fernando Carro. Dieser hatte die unterschiedlichen Positionen von Völler und der damaligen Sportdirektor Jonas Boldt dazu genutzt, das Machtgefüge im Klub umzustrukturieren. Erst jetzt nach Boldts Abschied und trotz des Ergebnis-Aufschwungs positionierte er sich intern offen gegen Herrlich. Eine riskante Interessenabwägung, die nur mit reinem Glück für den Klub zu keinem größeren sofortigen Schaden geführt hat.