Bundesliga

Herrlichs Rotationsidee und die Zwickmühle

Defensiv fehlen passende Alternativen, offensiv wären Änderungen knifflig

Herrlichs Rotationsidee und die Zwickmühle

Bayer 04 Leverkusen: Dritter Pflichtspielsieg in Serie?

Bayer 04 Leverkusen: Dritter Pflichtspielsieg in Serie? imago

Es geht Schlag auf Schlag. Für Bayer steht am Mittwoch in Düsseldorf die vierte Partie innerhalb von zwölf Tagen an. Ein Fakt, der Heiko Herrlich wieder zu personellen Veränderungen animiert. So erklärte der Trainer am Dienstag: "Natürlich haben wir vor, auf der einen oder anderen Position wieder zu rotieren. Aber es gibt auch feste Bestandteile, bei denen wir schauen müssen, dass sie fest bleiben."

Rein statistisch wären Kai Havertz, Jonathan Tah und Wendell die ersten Wechselkandidaten, da dieses Trio auf die meisten Einsatzminuten kommt. Havertz und Tah verpassten in den sechs Pflichtspielen keine einzige Minute, Wendell einzig am 2. Spieltag gegen Wolfsburg eine halbe Stunde. Rotiert Herrlich also einen oder mehrere von diesen drei Akteuren am Mittwoch aus der Startelf?

"Wir müssen schon schauen, dass die Achse stimmt"

Es sieht nicht danach aus: Bezüglich des in den vergangenen beiden Spielen überragenden Havertz, ganz und gar nicht. "Das werde ich nicht verraten", sagte der Trainer zwar, fügte aber eindeutig an: "Aber wir müssen schon schauen, dass die Achse stimmt, dass wir eine gewisse Stabilität haben. Aber wir werden auch frische Leute bringen." Womit Havertz genauso beginnen dürfte, wie Tah. Der Innenverteidiger, alles andere als optimal in die Saison gestartet, leistete sich zwar auch gegen Mainz einen Aussetzer. Doch abgesehen davon zeigt die Kurve in Sachen Zweikampfstärke und Passspiel nach oben. Tah sollte beginnen, auch wenn Herrlich hier mit Aleksandar Dragovic eine Alternative zur Verfügung hätte. Anders als zu Wendell. Einen passenden Ersatz hat Herrlich nach dem Verkauf von Benjamin Henrichs nach Monaco auf der Linksverteidiger-Position nicht. Erst recht nicht gegen einen tief stehenden Gegner wie Düsseldorf, gegen den offensivstarke Außenverteidiger, die aus dem Lauf flanken können, gefragt sind (womit es auch nicht naheliegend ist, den rechten Offensivverteidiger Mitchell Weiser durch Defensivakteur Tin Jedvaj zu ersetzen).

Systemumstellung wäre riskant

Nur mit einer Systemumstellung auf ein 3-4-3, in dem Leon Bailey die linke Seite defensiv abdecken müsste, könnte Herrlich Wendell eine Pause geben. Doch ob eine so eingreifende Veränderung sinnvoll ist in einer Phase, in der sich Bayer trotz zuletzt zweier Siege immer noch finden muss? Riskant wäre sie allemal. Mit dem Systemwechsel kämen allerdings automatisch frische Spieler in die Elf: Dragovic als dritter Innenverteidiger. Und offensiv würde ein Platz für Kevin Volland frei, wenn Herrlich - wie schon praktiziert - auch rechts im Mittelfeld mit Julian Brandt eine Offensivkraft im 3-4-3 bringt.

Doch pokert Herrlich wirklich so hoch? Bleibt er beim 4-2-3-1, steckt er in einer Zwickmühle bei der Verteilung der Plätze, wenn er wirklich rotieren lassen möchte. In der Viererkette und auf der Doppelsechs kann er es aufgrund der Personallage kaum sinnvoll. Und in der Offensive stellte sich dann die Frage: Wo darf Kevin Volland ran?

Vergangene Saison mit einem Startelf-Abo, kam der von Herrlich aufgrund seiner emsigen Defensivarbeit hoch geschätzte Vorarbeiter im Angriff zuletzt zweimal von der Bank. Ihn als vorderste Spitze gegen die vielbeinige Fortuna-Abwehr zu positionieren, käme Volland selbst nicht entgegen, der lieber aus der Tiefe kommt. Gerade in diesem Spiel erscheint ein Wand- und Kopfballspieler wie Lucas Alario als die viel besser passende Lösung im Sturmzentrum.

Herrlich vor kniffliger Entscheidung

Rechts vorne hingegen würde Volland aber Bailey aus der Elf verdrängen. Doch der Jamaikaner stellt als schussstarker Dribbler, der auch von außerhalb des Strafraums Torgefahr erzeugen kann, eigentlich den Spielertyp dar, der gegen Düsseldorf zwingend als "Dosenöffner" gefragt ist. Dass Herrlich aber für Volland Havertz von der Zehn weg verschiebt und mit dem offensiveren Part in der Doppelsechs betraut, scheint auch nicht schlüssig. Warum sollte der Trainer seinen derzeit besten Akteur, der als einer von wenigen in Topform ist, von dessen Idealposition abziehen, von der aus er auch seine Kopfballstärke vor dem Tor am besten ausspielen kann?! Bliebe nur noch Julian Brandt. Doch der links vorne eingesetzte Nationalstürmer präsentierte sich zuletzt klar verbessert - und harmoniert auffällig gut mit Havertz.

Also Brandt und Havertz auseinanderreißen? Oder Volland wieder nur auf die Bank setzen? Oder ohne Bailey beginnen? Oder Havertz von der Zehn abziehen? Oder ohne Wandspieler im Sturm starten? Eine Zwickmühle. Und eine knifflige Entscheidung für Herrlich. Zumindest wenn er wirklich rotieren möchte...

Stephan von Nocks