Bundesliga

Schiedsrichter - Videobeweis-Zahlenvergleich: Bundesliga-Rückrunde besser als WM

Fröhlich: Kein Zerwürfnis zwischen Brych und Zwayer

Videobeweis-Zahlenvergleich: Rückrunde besser als WM

Bilanzierende Gedanken und Ausblicke: Schiedsrichterboss Lutz Michael Fröhlich und der künftige Projektleiter Dr. Jochen Drees (li.).

Bilanzierende Gedanken und Ausblicke: Schiedsrichterboss Lutz Michael Fröhlich und der künftige Projektleiter Dr. Jochen Drees (li.). picture alliance

Die Hinrunde, wo es "Startschwierigkeiten zu überwinden" galt, wollte Fröhlich gar nicht mehr groß thematisieren: "Die Rückrunde lief ganz gut, da waren beim Einsatz des VA schon dicht bei dem, was man dann bei der WM gesehen hat." Zwei große Unterschiede bei den Spielen hat der 60-Jährige ausgemacht: "In der Rückrunde hatten wir mit 40 an der Zahl extrem viele knappe Abseitsentscheidungen, während es bei der WM nur ein Handvoll waren. Dafür gab es bei der WM deutlich mehr knifflige Strafraumsituationen als in der Bundesliga-Rückrunde."

Handspiel-Auslegung auf gutem Weg

Während die Unparteiischen beim Abseits künftig im Kölner Videocenter auf die Hilfe kalibrierter Linien zurückgreifen können, müssen die anderen Situationen weiterhin auf Basis der Regelauslegungen individuell beurteilt werden. Laut Fröhlich sei man insbesondere beim ewigen Aufregerthema "Handspiel" auf einem guten Weg. "Wenn die Arme weit vom Körper abgespreizt sind oder der Arm beziehungsweise die Hand zum Ball gehen, handelt es sich um ein strafbares Handspiel", erklärte Fröhlich mit Verweis auf eine gute Praxis-Anwendung in der Rückrunde.

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VA-Zahlenvergleich: Bundesliga vs. WM

Dem vielfach vorherrschenden Meinungsbild, bei der WM habe der VA-Einsatz vorbildlich funktioniert, während in der Bundesliga zu oft Chaos herrschte, traten DFB und DFL entgegen. In Form von Zahlen (siehe Schaubild). In der Rückrunde gab es nur 0,25 VA-Interventionen pro Spiel (38/153), während es bei der WM 0,31 waren (20/64). Falsche Eingriffe gab es laut der Analyse weder in der Bundesliga-Rückserie noch beim Weltturnier, die Zahl der fehlenden VA-Eingriffe (3) ist identisch, wobei in der Rückrunde natürlich deutlich mehr Spiele als in Russland stattfanden. Interessant: Ab Januar dauerten die Reviews in Deutschland Eliteklasse durchschnittlich nur 53 Sekunden, bei den globalen Titelkämpfen hingegen 80 Sekunden im Mittel.

Video-Assist - Vergleich Bundesliga - WM 2018

Video-Assist - Vergleich Bundesliga - WM 2018. DFL

Die Fakten bestätigen also, dass sich das Projekt VA nach einer schwachen Hinrunde (0,33 Interventionen pro Spiel, elf falsche VA-Eingriffe) in der Bundesliga auf dem richtigen Weg befindet, sogar besser performte als bei der WM. Warum fällt die Wahrnehmung dennoch eher gegensätzlich aus: "Bei der WM wurde Chaos erwartet, während man in der Bundesliga anfangs von Perfektion und der Annahme, es werde keine Fehler mehr geben, ausgegangen ist", führt DFB-Vizepräsident Ronny Zimmermann die unterschiedliche Erwartungshaltung als eine Ursache an. Was Zimmermann nicht sagte: Die hohen Ansprüche in der Bundesliga wurde vor einem Jahr durch den DFB selbst geschürt, vor allem in Person des damaligen VA-Projektleiters Hellmut Krug.

Zimmermann: "Es werden weiterhin Fehler passieren"

Ein solch an Arroganz grenzendes Selbstverständnis des deutschen Profifußballs, der mit einer reibungslosen VA-Anwendung weltweiter Vorreiter sein wollte, soll der Vergangenheit angehören. Daher betonte Zimmermann trotz der deutlichen Fortschritte in der Rückrunde: "Es sind weiterhin Menschen am Werk und es werden weiterhin Fehler passieren. Man wird sich auch künftig mal streiten, ob es nun ein klarer Elfmeter war, oder nicht."

Mehr Betroffenheit in der Bundesliga

Dies bedinge vor allem der höhere Grad der Betroffenheit der deutschen Öffentlichkeit bei Bundesliga-Spielen im Vergleich zu WM-Partien ohne deutsche Beteiligung. Für Zimmermann der zweite Grund, warum die WM-Leistungen der VA so viel wohlwollender als jene in der Bundesliga begleitet worden seien. "Bei der Ringereinlage gegen Harry Kane bei England gegen Tunesien oder dem Handspiel im WM-Finale gab es in Deutschland eine sehr sachliche Diskussion. Passiert das gleiche Handspiel bei Schalke gegen Dortmund, werden die Reaktionen anders aussehen, weil es dann mindestens einen Betroffenen gibt."

Zerwürfnis zwischen Brych und Zwayer?

Einen vom VA-Geschehen in Russland Betroffenen gab es ja aber doch aus deutscher Sicht. Spitzenschiedsrichter Brych musste nach nur einem Einsatz die Heimreise antreten. Vor allem wohl, weil er im Spiel Serbien gegen die Schweiz nach einer Ringereinlage von zwei Schweizer Verteidigern gegen Serbiens Stürmer Mitrovic nicht auf Strafstoß entschieden hatte. Auch Felix Zwayer, der deutsche VA dieser Partie, hatte nicht interveniert, kam jedoch im Gegensatz zu Brych zu weiteren WM-Einsätzen.

Danach war aus verschiedenen Quellen von einem Zerwürfnis zwischen den beiden Bundesliga-Schiedsrichtern zu hören. "Das kann ich so nicht bestätigen, dass es zwischen den beiden ein Zerwürfnis gibt", sagte Fröhlich am Freitag: "Beide waren im Schiedsrichter-Trainingslager in Grassau, zumindest zeitweise, weil sie nach der WM noch ein bisschen Pause brauchten." Auch über die betreffende Szene sei gesprochen worden. Mit welchem Urteil seitens der DFB-Schiedsrichter-Kommission-Elite? "Wir sehen darin keinen Grund für einen Konflikt. Es war ein normaler Ablauf, Felix Brych hat die Situation für sich entschieden und keine VA-Intervention ignoriert. Es fand keine statt, denn es gab Bildmaterial, mit dem sich das ursprüngliche Urteil Stürmerfoul nicht klar widerlegen ließ", erklärte Fröhlich. Für die meisten Beobachter war es unterm Strich jedoch ein klares Foul von zwei Verteidigern an Mitrovic im Strafraum.

Aufregerszene bei Serbien vs. Schweiz: Auch in der Bundesliga möglich

Soll ein VA in der kommenden Bundesliga-Saison in einer vergleichbaren Situation eingreifen, oder nicht? "Es ist eine sehr komplexe Situation. Der Grundsatz sollte immer herrschen, dass der Schiedsrichter auf dem Platz die Entscheidung trifft. Wenn der Schiedsrichter, wie in diesem Fall Felix Brych, auf das initiale Vergehen Stürmerfoul entscheidet, würde ich das als Video-Assistent so stehen lassen. Auch wenn die Detailanalyse nachher vielleicht ergibt, dass das zweite Vergehen das heftigere war. Sollte sich in der Kommunikation jedoch ergeben, dass die Wahrnehmung des Schiedsrichters und die des Video-Assistenten klar unterschiedlich sind, dann erwarten wir, dass sich der Schiedsrichter in der Review Area ein eigenes Bild von der Szene macht und seine Wahrnehmung eventuell korrigiert", erläuterte Dr. Jochen Drees, der ab 1. Oktober hauptamtlich die Leitung des Projektes Video-Assistent übernimmt. "Das war in diesem konkreten Fall aber nicht angedacht, weil Felix Brych eine klare Meinung zu der Szene hatte, daher würde dieser Vorgang wohl auch bei uns in der kommenden Saison so ablaufen", so Drees weiter.

Fritz neuer Schiedsrichter-Sprecher

Man darf gespannt sein, welche strittigen Szenen das anstehende Bundesliga-Spieljahr bereithält und ob das technische Hilfsmittel Video-Assistent seinen Aufwärtstrend fortsetzt. Auch wird es interessant zu sehen sein, wie sich Brych nach seinem WM-Frust präsentiert und ob er künftig nochmal zusammen mit Zwayer für eine Partie angesetzt wird. Eine Zusatzaufgabe ist Brych jedenfalls los, als Sprecher der Schiedsrichter löst ihn Bundesliga-Kollege Marco Fritz ab, der am Sonntag das Supercup-Spiel Frankfurt gegen Bayern leitet. Neben Korb gehören Benjamin Brand und Schiedsrichter-Assistent Guido Kleve dem neuen Vertretungsgremium der Referees an.

Carsten Schröter-Lorenz