Bundesliga

Rekordspieler Marcel Schäfer beim VfL Wolfsburg: Vom Rasen ins Büro

"Ich will Verantwortung übernehmen und muss viel lernen"

Rekordspieler Schäfer: Vom Rasen ins Büro

Sein Arbeitstag geht derzeit von acht bis acht: Wolfsburgs Sportdirektor Marcel Schäfer.

Sein Arbeitstag geht derzeit von acht bis acht: Wolfsburgs Sportdirektor Marcel Schäfer. imago

Der direkte Schritt vom Rasen ins Büro. Die Karriere ist beendet, die Tampa Bay Rowdies in den USA waren die letzte Station des achtmaligen Nationalspielers. Am Donnerstag sprach Schäfer erstmals öffentlich in neuer Funktion über...

...den abrupten Rollentausch: Er war Fußballer mit Leib und Seele, präsentierte sich auch in den USA noch topfit und beendete nun von einem Tag auf den anderen seine Laufbahn. Ein Schritt, der lange geplant war und dennoch eine große Umstellung bedeutet. "Ich stehe nun nicht mehr auf dem Platz, sondern an der Seitenlinie", sagt Schäfer, der sich in den ersten Tagen häufig gemeinsam mit Geschäftsführer Jörg Schmadtke beim Training in der Beobachterrolle befindet. "Bei aller Freude und Dankbarkeit, dass ich hier nun Sportdirektor sein darf, ist auch etwas Wehmut. Ich war Fußballer und habe diesen Job von Herzen gerne ausgeübt."

...seine neue Aufgabe: Gedanklich hat sich Schäfer schon lange auf seinen Job eingestellt, nun füllt er seine neue Rolle mit Leben. Sein Arbeitstag: "Aktuell von acht bis acht." Der Sportdirektor führt Gespräche en masse, mit Spielern, potenziellen Neuzugängen, Mitarbeitern. "Dieser Job", sagt er, "ist vielfältig und spannend. Viele Dinge sind neu. Ich bin Bindeglied zwischen der Geschäftsführung, der Mannschaft, der Akademie. Ich werde meine Stärken einbringen, meine Erfahrungen, die ich gesammelt habe. Ich will Verantwortung übernehmen, weiß aber auch, dass ich viel lernen muss. Jeder muss lernen, ich in meinem jungen Alter vielleicht noch ein bisschen mehr."

...Jörg Schmadtke: Es war der 20. Dezember 2016, der VfL Wolfsburg gewann bei Borussia Mönchengladbach mit 2:1. Marcel Schäfer musste wegen EINES Innenbandrisses im Knie verletzt zuschauen und saß auf der Tribüne zufällig neben seinem heutigen Boss. Schäfer und Schmadtke, sie unterhielten sich über Fußball, über dies und das. Nicht ahnend, dass sie rund anderthalb Jahre später gemeinsam den Neuaufbau in Wolfsburg angehen werden.

Nachdem Schmadtke den VfL-Job übernahm, suchte er schnell das Gespräch mit dem Mann, der ohnehin im Sommer 2019 zurückkehren sollte zu seinem Klub. Schäfer flog von Tampa nach Deutschland, traf sich mit dem Geschäftsführer. Sie unterhielten sich wieder, nun über mehrere Stunden. "Wir haben uns kennengelernt und schnell gemerkt, dass wir einen ähnlichen Ansatz haben, wie es beim VfL zukünftig aussehen könnte. Ich bin sehr dankbar, dass er mir das Vertrauen gibt."

Jörg Schmadtke und Marcel Schäfer

Beobachterrolle: Marcel Schäfer mit Geschäftsführer Jörg Schmadtke beim Wolfsburger Training. imago

Das neue sportliche Führungsduo legt großen Wert auf Teamarbeit: "Wir werden sehr eng zusammenarbeiten, führen die meisten Gespräche mit den Spielern gemeinsam. Es ist wichtig, dass wir als Team agieren." Wo künftig wer sitzt während der Spiele, ist noch nicht klar. "Ich denke aber", sagt Schäfer, "es reicht, wenn einer unten auf der Bank sitzt."

...das Verhältnis zur Mannschaft: Mit zahlreichen Spielern hat Schäfer noch selbst zusammengespielt, durch den großen Umbruch in der vergangenen Saison hat sich das Gesicht der Mannschaft, die Schäfer im März 2017 verlassen hatte, dennoch verändert. Schäfer hat in den USA ein wenig Distanz gewonnen, die ihm nun den Wechsel in die neue Rolle erleichtern könnte. Der 34-Jährige aber stellt fest: "Als Mensch werde ich mich 0,0 verändern. Aber natürlich habe ich jetzt eine andere Aufgabe, die auch Gespräche und Entscheidungen erfordert, die nicht angenehm sein werden."

...seine Ziele: Schäfer weicht nicht von dem Kurs ab, den Schmadtke und auch Trainer Bruno Labbadia bereits vorgegeben haben. Vollmundige Vorgaben wird es in Wolfsburg erst einmal nicht mehr geben. "Wir waren zuletzt zweimal in der Relegation, das würde völlig an der Realität vorbeigehen." Gleichwohl will Schäfer als Sportdirektor wie schon als Spieler "das Maximale erreichen". Aber: "Das sollten wir Schritt für Schritt angehen. Bodenständigkeit ist etwas, das für den VfL, die Stadt Wolfsburg und Volkswagen steht."

...seine Werte: Schmadtke rief bei seiner Vorstellung bereits ein neues Wertesystem aus, auch Schäfer spricht darüber. "Arbeit, Fußball, Leidenschaft" - das Wolfsburger Vereinsmotto war zuletzt beim VfL nur noch überall zu lesen, aber nicht mehr zu spüren. "Diese Werte müssen wir leben, das habe ich vom ersten Tag an getan, das erwarten wir auch von unseren Spielern. Wir müssen uns bewusst sein, dass es ein absolutes Privileg ist, Fußballer zu sein." Schäfers klare Ansage: "Gemeinschaft und Vertrauen. Dafür werden wir stehen, es vorleben und bedingungslos einfordern."

Fehlende Identifikation der Spieler zum Klub und zur Stadt sollen nach Möglichkeit der Vergangenheit angehören. "Wir werden den Fokus auf die Arbeit auf dem Platz legen. Aber wir werden präsenter sein als Mannschaft, als Team. Wir werden uns mit der Region Wolfsburg auseinandersetzen. Wir sind in einer Vorbildfunktion." Als Spieler hat Schäfer es gehasst, zu verlieren. Als Sportdirektor wird das nicht anders sein. "Fehler passieren. Aber die Jungs sollen mutig sein, sollen sich weiterentwickeln. Dazu gehören auch Fehler." Aber: "Wenn Arbeit, Fußball, Leidenschaft nicht da ist, werden wir es kritisieren."

Thomas Hiete