Bundesliga

Herthas Manager Michael Preetz: "Ziemlich daneben"

Manager verteidigt Digital-Ausrichtung und kritisiert Banner

Preetz: "Ziemlich daneben"

Deutliche Worte: Herthas Manager Michael Preetz.

Deutliche Worte: Herthas Manager Michael Preetz. imago

Die Plakate am Samstagabend transportierten eine klare Botschaft - eine Absage an den Wandel des Klubs, der sich zunehmend digitaler ausrichtet und in diesem Veränderungsprozess viele Traditionalisten vor den Kopf stößt. Adressat der Kritik: Paul Keuter (43), Mitglied der Geschäftsleitung und verantwortlich für Kommunikation, Markenführung, Digitale Transformation und Corporate Social Responsibility (CSR). "Keuter! Der Ball fliegt immer noch analog ins Tor", war auf einem Plakat zu lesen, auf einem anderen: "In der Presse gegen Fans hetzen und sich gegen M.Kind & Co. nicht widersetzen. Ihr repräsentiert uns nicht!" Und auf dem im Ton schärfsten und mit Abstand geschmacklosesten Banner stand: "Wer zu viele Smileys postet, hat irgendwann nichts mehr zu lachen. Keuter, dein Ende naht!"

Im Gespräch mit dem kicker nannte Manager Michael Preetz am Ostermontag die Banner "unter mehreren Gesichtspunkten ziemlich daneben". Preetz: "Die Menschen, die solche Banner anbringen, machen einen großen Fehler. Sie denken, dass bei uns ein Einziger für die digitale Ausrichtung des Klubs verantwortlich ist. Aber hinter diesem Weg stehen die komplette Geschäftsführung und alle Gremien."

Hertha BSC - Vereinsdaten
Hertha BSC

Gründungsdatum

25.07.1892

Vereinsfarben

Blau-Weiß

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Bundesliga - 28. Spieltag
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Bundesliga - Tabelle
Pl. Verein Punkte
1
Bayern München Bayern München
69
2
FC Schalke 04 FC Schalke 04
52
3
Borussia Dortmund Borussia Dortmund
48

Wer sagt, dass die Digitalisierung den Fußball kaputt macht, hat den Schuss nicht gehört.

Paul Keuter

Keuter, der im Januar 2016 zu Hertha BSC wechselte und zuvor bei Twitter inc. als Global Sports Chair für die Strategie im Sportbereich des US-Unternehmens tätig war, gilt etlichen Hertha-Fans als Gesicht eines Wandels, den sie in seinem Ausmaß, seinem Tempo und mit seinen Begleiterscheinungen teilweise oder komplett ablehnen. In einem Interview mit der BILD-Zeitung hatte Keuter unlängst erklärt: "Wer sagt, dass die Digitalisierung den Fußball kaputt macht, hat den Schuss nicht gehört. Wir befinden uns in einem riesengroßen, gesellschaftlichen Wandel, einem Kulturwandel. Die Digitalisierung ist eine Riesenchance, neu zu denken. Wenn wir uns weigern, werden wir überrannt."

Die Entfremdung zwischen der Klub-Spitze und der aktiven Fan-Szene hat für tiefe Gräben gesorgt, die Harlekins Berlin 98, eine maßgebliche Ultra-Gruppierung, haben nicht zum ersten Mal die Kommunikation mit der Geschäftsführung eingestellt. In einem ausführlichen Interview in der Berliner Morgenpost (Samstagausgabe) erklärten zwei Mitglieder der Harlekins, was sie an der Entwicklung des Klubs stört. Dass Hertha "mehr Zuschauer ins Stadion locken will, kann ich verstehen", sagte einer der beiden, die nicht mit echten Namen genannt wurden. "Das soll der Verein gern versuchen, von mir aus auch mit neuen Wegen. Aus meiner Sicht macht man aber den größten Fehler, wenn man die Basis dabei verliert. Der starke Fokus auf Social Media kann auch vergraulen. Trotz der sportlich soliden Saison sinkt der Zuschauerschnitt." Und weiter: "Andere Vereine schaffen diesen Spagat zwischen Vermarktung und der Bewahrung von Idealen sehr viel besser."

Vorwurf der Fans: Zu hip, zu glatt, zu künstlich

Bei einem Fantreffen, zu dem der Förderkreis Ostkurve vor acht Tagen geladen hatte und zu dem etwa 400 Teilnehmer erschienen waren, hatte ein Redner kritisiert: "Es wird ein Bild von Hertha erzeugt, das nicht die Werte repräsentiert, für die wir eigentlich stehen." Zu hip, zu glatt, zu künstlich - eine offenbar wachsende Zahl an Fans fühlt sich abgehängt und nicht (mehr) ernstgenommen, wie auch die beiden Vertreter der Harlekins im Morgenpost-Interview deutlich machten: "Früher saßen wir mit der Geschäftsführung regelmäßig an einem Tisch. Selbst bei Meinungsverschiedenheiten gab es einen guten Austausch. Heute fehlen dafür die Voraussetzungen, weil zu oft über den Haufen geworfen wurde, was besprochen war. Wir werden nicht als Gesprächspartner auf Augenhöhe wahrgenommen. Für Hertha ist der Dialog nur ein Feigenblatt."

In der Geschäftsführung des Klubs sieht man das anders - und Auswüchse wie die Pyro-Exzesse beim Pokalspiel in Rostock in dieser Saison oder Banner, deren Botschaften wiederholt unter die Gürtellinie gehen, betont kritisch. An der Bereitschaft zur Wiederaufnahme des Dialogs ändert das indes nichts, wie Preetz gegenüber dem kicker versichert: "Von Seiten der Geschäftsführung sind wir dazu bereit. Dass es hilfreich wäre, miteinander zu reden, ist klar." Klar ist nach der Plakat-Flut vom Karsamstag aber auch: Von einer Annäherung ist man weiter denn je entfernt.

Steffen Rohr