Bundesliga

Lutz Michael Fröhlich im Interview zum Videobeweis: "Anzahl der Checks ist stark zurückgegangen"

Videobeweis-Projektleiter im Interview

Fröhlich: "Anzahl der Checks ist stark zurückgegangen"

Der Videobeweis - hier gibt Schiedsrichter Bastian Dankert in Gladbach das Zeichen - liefert weiter Diskussionsstoff.

Der Videobeweis - hier gibt Schiedsrichter Bastian Dankert in Gladbach das Zeichen - liefert weiter Diskussionsstoff. imago

Am vergangenen Spieltag gab es ungewöhnlich viele Korrekturen von Abseitsentscheidungen. Stehen jetzt kalibrierte Linien zur Verfügung, Herr Fröhlich?

Nein. Es waren einfach nur so viele knappe Situationen. Die Assistenten an der Linie, die in der Regel einen tollen Job machen, hatten nicht alle ihren besten Tag. Szenen wie in Frankfurt oder Mönchengladbach wären aber mit Video-Assistent auch nicht auflösbar gewesen, dafür waren sie zu komplex. Kalibrierte Linien gibt es nach wie vor nicht, die FIFA hat noch keine Version eines Dienstleisters zertifiziert.

Markus Schmidt hat sich in Köln mehrfach durch frühe Pfiffe um die Möglichkeit gebracht, eine angezeigte Abseitsposition nach Abschluss der Szene kontrollieren zu können. Haben Deutschlands Schiedsrichter noch Steigerungspotenzial bei der Umsetzung des Videobeweises?

Schiedsrichter sollten das Spiel laufen zu lassen, wenn ein Angreifer im vermeintlichen Abseits einen direkten Abschluss zum Tor hat. Die FIFA trainiert in ihren Lehrgängen die Variante, dass die Assistenten im Zweifelsfall gar nicht winken sollen, sondern warten, bis der Ball ggfs. im Tor ist. Dann kann die Position im Nachhinein überprüft werden.

Können Sie den Ärger der Kölner nachvollziehen?

Ich habe mir die vom FC angesprochene Szene mit dem Hamburger Tor durch Filip Kostic in Leipzig oft angeschaut. Es lässt sich vermuten, dass er im Abseits steht, aber es bleiben Restzweifel. Deswegen hat der Video-Assistent nicht eingegriffen. Das wird es im Fußball immer geben, dass jemand im Quervergleich zu einem früheren Spieltag sagt: Da hat es Elfmeter gegeben, und bei uns in einer vergleichbaren Szene nicht. Diese Diskussionen bekommt man auch durch den Video-Assistenten nicht aus der Welt.

Es gibt Überlegungen, eine standardisierte Kommunikation für die Schiedsrichter zu entwickeln. Wenn ein Check in einen Reviewprozess mündet, dann sollte es darüber auch mehr öffentliche Transparenz geben.

Lutz Michael Fröhlich

Sollte man dann nicht aus Gründen der Wettbewerbsgleichheit darauf verzichten, enge Abseitspositionen zu überprüfen, bis die technischen Voraussetzungen mit kalibrierten Linien gegeben sind?

Am vergangenen Spieltag wurden alle knappen Abseitsentscheidungen mit Hilfe des Video-Assistenten korrekt gelöst. Über die gesamte Saison sind es inzwischen 15 Abseitssituationen. Alles ohne kalibrierte Linie. Sollte man darauf verzichten?

Ein Vorwurf lautet, dass die Transparenz fehlt. In Italien werden überprüfte Szene jetzt im Stadion gezeigt, in den USA ist dies schon lange üblich. Kommt das bald auch in Deutschland und können Sie sich sogar vorstellen, dass der Schiedsrichter eine Entscheidungsfindung live und öffentlich kommentiert?

Beim Spiel in Frankfurt hat Felix Zwayer am Montag sehr intensiv kommuniziert, auf dem Spielfeld wusste jeder Bescheid. Es gibt Überlegungen, eine standardisierte Kommunikation für die Schiedsrichter zu entwickeln. Wenn ein Check in einen Reviewprozess mündet, dann sollte es darüber auch mehr öffentliche Transparenz geben. Das ist zumindest das Ziel. Der Weg sollte mit der Liga und den Klubs besprochen werden.

Fall Ribery in Wolfsburg: "Das entspricht dem Protokoll des IFAB"

In Wolfsburg wurde bei Franck Ribery eine Entscheidung kontrolliert, die stark im Graubereich war. Das sollte doch nicht mehr vorkommen?

Der Schiedsrichter hat die Szene gesehen, Freistoß gegeben und keine Karte gezeigt. Der Video-Assistent war der Meinung, Riberys Armbewegung hatte die Qualität eines Schlages und hätte Rot verdient. Der Schiedsrichter hat diese Bewegung so nicht wahrgenommen - er hatte ja auch gar keine Karte gezeigt. Daher kam vom Video-Assistenten die Empfehlung an den Schiedsrichter, sich die Situation am Monitor anzuschauen. Das tat der Schiedsrichter und hat dann Gelb gezeigt. Er, der Schiedsrichter, hat den Vorgang abschließend bewertet und entschieden. Das entspricht dem Protokoll des IFAB.

In Hamburg und Freiburg gab es bei klareren Fehlentscheidungen keine Überprüfung.

In beiden Fällen hatten die Schiedsrichter eine gute Position, sie haben den Vorgang vollständig wahrgenommen, bewertet und jeweils Gelb gegeben. Damit war der Video-Assistent laut Vorgabe des IFAB raus. In beiden Fällen gibt es durchaus auch Argumente für Rot, aber ein klarer und offensichtlicher Fehler durch den Schiedsrichter liegt jeweils nicht vor und deswegen soll der Video-Assistent auch nicht eingreifen. Das hätte er übrigens auch beim Spiel Augsburg gegen Stuttgart und dem Zweikampf zwischen Martin Hinteregger und Mario Gomez nicht tun sollen. Aber das war im Jahr 2018 bisher das einzige Mal, das der Video-Assistent nicht strikt an der Fragestellung "War die Schiedsrichterentscheidung klar und offensichtlich falsch?" geblieben ist. Die Anzahl der Checks ist seit dem 14. Spieltag stark zurückgegangen. An den ersten 13 Spieltagen gab es im Durchschnitt noch 75 Checks pro Spieltag, vom 14. bis zum 22. waren es nur noch 50 Checks pro Spieltag.

Lutz Michael Fröhlich

"Entwicklung und Ergebnisse sind auf einem guten Weg": Lutz Michael Fröhlich. imago

Am ersten März-Wochenende fällt die Entscheidung, ob der Videobeweis ins Regelwerk aufgenommen wird. Was erwarten Sie?

In der Diskussion über den Video-Assistenten steckt viel Dynamik, die Stimmung in der Öffentlichkeit war teilweise negativ. Aber Entwicklung und Ergebnisse sind auf einem guten Weg.

Dann werden wir den Videobeweis bei der WM erleben?

Die FIFA bereitet die Schiedsrichter schon länger sehr akribisch und intensiv vor. Eine WM ist ein anderer Wettbewerb als eine Meisterschaftssaison, die Schiedsrichter sind die ganze Zeit zentral untergebracht, kommen fast täglich zusammen und sind rund um die Uhr auf den Wettbewerb fokussiert. Da kann man sehr gut nacharbeiten und schulen.

Gibt es den Videobeweis auch in der nächsten Bundesliga-Saison?

Davon gehe ich aus. Vielleicht wird auch die Testphase verlängert. Wir wollen und müssen nach wie vor Erfahrungen sammeln, uns darüber mit den Klubs austauschen und das Instrument Video-Assistent weiterentwickeln. Dabei ist auch das Feedback aus der Öffentlichkeit und in den Medien wichtig.

Interview: Thomas Roth

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