34 Ballkontakte sammelte Goretzka in seiner 64-minütigen Einsatzzeit, so ziemlich jeder wurde von Pfiffen begleitet. Schon vor Anpfiff wurde klar: Das wird kein leichtes Spiel für den zukünftigen Münchner: "Weder Kohle noch Titel sind mehr wert als unser Verein. Wer das nicht schätzt, kann sich sofort verpissen", stand auf einem Spruchband, das beim Aufwärmen präsentiert wurde. Die Reaktion, als sein Name bei der Mannschaftsaufstellung vorgelesen wurde: Pfiffe.
Auch wenn Goretzka letztlich eine unauffällige Leistung auf dem Feld bot, so richtig beeindruckt schien er nicht von der Stimmung zu sein. Alles ganz normal also? "Nein, natürlich nicht", sagte er anschließend. "Da brauche ich mich selbst und niemanden anlügen. Es war natürlich schon eine besondere Situation." Er sei aber in erster Linie froh, dass die Stimmung im Stadion gegenüber der Mannschaft positiv geblieben sei, "das steht immer über allem. Und dass dann viele Fans ihren Unmut bekunden, beispielsweise bei der Mannschaftsaufstellung, damit habe ich ja gerechnet. Im Großen und Ganzen ist alles im Rahmen geblieben, das freut mich natürlich sehr." Aber: "Wenn dich deine eigenen Fans auspfeifen, tut das natürlich weh."
Goretzka will bis Sommer bleiben
Ein besonderer "Fan" ist Vereinsboss Clemens Tönnies, der mit einigen Aussagen am Vormittag für Wirbel gesorgt hatte . Unter anderem hatte Tönnies erklärt: "Wenn es für die Mannschaft besser ist, kann es auch sein, dass Leon bis zum Ende der Saison auf der Tribüne sitzt." So richtig befasst habe sich Goretzka damit nicht. Der Satz sei aber, soweit er gehört habe, "aus dem Kontext gerissen". Fakt ist: Trainer Domenico Tedesco beorderte ihn nach seiner Verletzungspause prompt in die Startelf . Dass er schon im Winter zum FC Bayern wechselt, davon nahm Goretzka übrigens Abstand. "Der Verein hat immer klar gesagt, dass es nur die Option gibt, dass ich verlängere oder bis zum Sommer der Mannschaft helfe. Das ist auch mein ganz klarer Plan. Ich werde mich komplett zerreißen und alles in die Waagschale werfen."
Wenn man das rationalisiert, waren wir vor dem Spiel einen Sieg vor dem neunten Platz.
Leon Goretzka
Doch warum nicht Schalke? Warum Bayern? Offenbar fehlte Goretzka eben doch die letzte Überzeugung, dass S04 auch am Saisonende dort steht, wo es jetzt steht. "Ich möchte niemals die Euphorie hier bremsen", sagte Goretzka. Die Entwicklung sei "gut", der Trainer "hervorragend", der Weg geht "in die richtige Richtung". Aber, so rechnete er vor: "Wenn man das rationalisiert, waren wir vor dem Spiel einen Sieg vor dem neunten Platz."
Klare Ansage: Die Schalker Fans nehmen Goretzka den Wechsel übel. imago
Nach dem 1:1 gegen Hannover sind es übrigens inzwischen vier Zähler, während Goretzkas zukünftiger Klub mit 16 Punkten Vorsprung von oben grüßt. Über Dinge wie Champions-League-Teilnahme muss man sich an der Säbener Straße keine Sorgen machen. Die sichere Perspektive beim Rekordmeister, sie gab wohl letztlich den Ausschlag pro FCB. Die sportliche Entwicklung auf Schalke habe letztlich gar nicht den Ausschlag gegeben, sondern vielmehr eine Art Selbstfindungstrip. "Es war ein Entscheidungsprozess. Ich habe in mich selber reingehört, wohin ich möchte, wo meine Ziele sind. Dementsprechend hat es länger gedauert, als es dem einen oder anderen lieb war." Er glaube aber, seine Ziele "am besten mit dem FC Bayern erreichen zu können". Die Entscheidung zum Wechsel sei aber definitiv erst im laufenden Jahr gefallen.
Ob Goretzka diesen nochmal bereuen wird? "Das waren die schwersten Tage meiner Karriere. Die Entscheidung zu treffen, war schon nicht besonders leicht", sagte er. Doch inzwischen sei er sich "sehr sicher, dass es der richtige Schritt ist".