Bundesliga

Tim Kleindiensts Plädoyer für die "Ost-Power" im Sturm des SC Freiburg

Freiburgs Angreifer reflektiert seine Achterbahnfahrt im Oberhaus

Kleindiensts Plädoyer für die "Ost-Power" im Sturm

Hinrunden-Highlight für Tim Kleindienst (r.): Drei Assists beim 3:3 in Augsburg.

Hinrunden-Highlight für Tim Kleindienst (r.): Drei Assists beim 3:3 in Augsburg. imago

Aus Freiburgs Trainingslager in Sotogrande berichtet Carsten Schröter

"Wir sind unglücklich gestartet mit einem harten Auftaktprogramm. Zum Ende hin haben wir uns aufgerafft, und konnten auch in den entscheidenden Situationen endlich punkten. Weil wir unten standen, war es extrem wichtig, dass wir uns rausgekämpft haben." Kleindienst bezieht die Frage nach seiner Hinrunden-Bilanz auf die gesamte Mannschaft - und liefert doch die gewünschte Antwort. Seine persönliche Formkurve hat sehr vieles mit der des gesamten SC-Teams gemein.

Spielersteckbrief Kleindienst
Kleindienst

Kleindienst Tim

Zunächst einmal ist es positiv für den Rückkehrer - 2016/17 absolvierte er auf Leihbasis 27 Spiele (sieben Tore, vier Vorlagen) für Heidenheim - zu Beginn seines zweiten Anlaufs in Freiburg zum kickenden Personal zu zählen. Europa-League-Quali, DFB-Pokal, Bundesligastart - bei den ersten vier Pflichtspielen steht Kleindienst zweimal in der Startelf, zweimal wird er eingewechselt. Bei seiner Premiere im Oberhaus am ersten Spieltag gegen Frankfurt (0:0) hat der als einzige Spitze aufgebotene 1,94-Meter-Mann Pech, dass sein Treffer durch das erstmalige Eingreifen des Video-Assistenten wegen Abseits nicht gegeben wird. An Spieltag drei und vier, gegen Dortmund (0:0) und in Leverkusen (0:4), bekommt er zwei weitere Startelfmandate, überzeugt jedoch nicht - und verschwindet für satte zehn Spieltage aus der Einsatzstatistik.

"Ich war in ein Loch gefallen" – Streichs Kritik

"Ich war in ein Loch gefallen", verrät Kleindienst. Das Verhalten während dieser Phase gefällt vor allem Christian Streich nicht: "Wir haben immer wieder gesagt, dass es sein kann, dass einer spielt und beim nächsten Mal draußen ist, wegen der Schwierigkeiten, eine Mannschaft zu finden. Tim ist nicht ganz so gut damit umgegangen. Er hat zu viel gehadert, auch im Training, war emotional zu sehr verstrickt. Das war nicht gut, da war ich überhaupt nicht zufrieden. Er hat uns nicht mehr die Möglichkeit gegeben, ihn aufzustellen." Es spricht für Freiburgs Trainer, dass er diese deutliche Kritik erst öffentlich macht, als Kleindienst wieder drei Einsätze an den Spieltagen 14, 15 und 16 hinter sich hat.

Ich habe mich selbst wachgerüttelt.

Tim Kleindienst

Während Kleindiensts Schwächephase gibt es direkte Gespräche zwischen den beiden. "Der Trainer hat mir gesagt, dass ich emotional manchmal zu heftig reagiere. Ich war eben noch nie einer solchen Situation, erst gespielt zu haben und dann ruckartig vorübergehend aussortiert zu sein. Da war ich natürlich verärgert. Es hat sich ein ganzer Komplex zusammengeschlossen, der zu einer negativen Körpersprache geführt hat, im Training habe ich lautstark gehadert", reflektiert Kleindienst diese lehrreiche Periode und fügt mit einem Lächeln an: "Umso mehr freut es mich, dass ich es abstellen konnte, ich habe mich selbst wachgerüttelt, alles andere ausgeblendet und mir gesagt: Nur noch Fußball und ich und los."

Durch gute Trainingsleistungen spielt er sich zurück in den Kader, profitiert beim 4:3 in Köln vor allem von Streichs früher Umstellung nach 0:2-Rückstand auf zwei Spitzen. Joker Kleindienst trägt seinen Teil zur irren Aufholjagd bei und bleibt in der Elf.

Drei Assists in einem Spiel - aber noch kein Tor

Am letzten Hinrunden-Spieltag in Augsburg (3:3) folgt für ihn mit drei Assists ein seltenes "Highlight, auch wenn das Ergebnis immer noch blöd ist". Worauf der Stürmer allerdings noch wartet: Das erste Bundesliga-Tor. "Das ist natürlich mein Wunsch. Gegen Gladbach an die Latte, gegen Frankfurt ein aberkanntes Tor, gegen Dortmund eine Großchance vergeben - aber irgendwann stocher' ich einen rein", sagt der American-Football-Fan (Lieblingsteam Seattle Seahawks) mit einem Grinsen. Insgesamt ist ihm noch kein Pflichtspieltreffer für die SC-Profis gelungen. In der Zweitliga-Saison 2015/16 war er auch wegen Verletzungen nur zu sieben Einsätzen gekommen. Bei dieser Zahl steht er nun auch in Deutschlands Eliteklasse.

Petersen: Vorbild, Partner und Kumpel

Die Chancen stehen gut, dass in Kürze weitere Spiele dazukommen. Auch wenn er beim Jahresabschluss im Pokal in Bremen (2:3) wegen einer Erkältung fehlte, habe er durch die kurze Winterpause kaum etwas an Form und Fitness eingebüßt. "Wir müssen es wieder auf den Platz kriegen und dem Trainer signalisieren, dass es so bleiben kann", erklärt Kleindienst. Er meint damit vor allem den zuletzt erfolgreichen Doppelsturm mit Petersen. "Das ist echte Ost-Power", sagt der fast sieben Jahre Jüngere und lacht. Das Duo harmoniert nicht nur auf dem Platz. "Wir sprechen viel über die Heimat und frühere Zeiten", erzählt Kleindienst, geboren in Jüterbog (Brandenburg), Petersen in Wernigerode (Sachsen-Anhalt).

Tim Kleindienst und kicker-Redakteur Carsten Schröter

Zog im Trainingslager Bilanz: Freiburgs Angreifer Tim Kleindienst (l.), hier mit kicker-Redakteur Carsten Schröter. kicker

Kleindienst verbrachte seine Jugendzeit (2008 bis 2015) in Cottbus, wo er Profi Petersen bewunderte, der sich in seiner zweiten Saison bei Energie mit 25 Zweitligatoren für einen Vertrag bei Bayern München empfahl. "Das würde ich auch gerne erreichen", sagt Kleindienst und schwärmt vom Kollegen: "Ich würde mich freuen, wenn ich diesen extremen Riecher vor dem Tor hätte. Das ist Gold wert. Manchmal fragt man sich, wie er das wieder gemacht hat. Es ist schon teilweise unglaublich, wie er Tore schießt. Auch beim Schusstraining ist er ist wahnsinnig präzise. Diese Abschlussstärke macht ihn aus."

"Ich hoffe, dass ich mich festspielen kann"

Eine Voraussetzung, um in ähnliche Qualitätssphären vorstoßen zu können, bringt Kleindienst schon mal mit: seine Beidfüßigkeit, wie Petersen durch die gute Ausbildung an einem Sportinternat in den neuen Bundesländern erlernt. Kopfballstark ist der sprungkräftige Hüne ebenfalls, vor allem in Sachen Ballverarbeitung und sauberem Passspiel möchte sich Kleindienst noch verbessern. Gelingt das, hat der Ost-Power-Sturm beim SC gute Zukunftsaussichten. "Ich hoffe, dass ich mich festspielen kann", stellt Kleindienst klar.

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