Bundesliga

"Der SV Putin Wiesbaden würde Champions League spielen"

Mainz: Vorstands-Chef Kaluza über Vereinsstrukturen und 50+1

"Der SV Putin Wiesbaden würde Champions League spielen"

Kritisiert die Aushöhlung der 50+1-Regel: Der Mainzer Vostandsboss Johannes Kaluza.

Kritisiert die Aushöhlung der 50+1-Regel: Der Mainzer Vostandsboss Johannes Kaluza. imago

"Ich fand es sehr wichtig, als Herr Watzke sagte, wir haben eine Vereinskultur und uns über Jahre etwas aufgebaut. Wir haben Traditionsvereine, die stolz auf ihre Vergangenheit sind. Mittlerweile haben wir ja reine Kunstvereine. Ich sehe kritisch, dass die 50+1-Regel ausgehöhlt wird - das könnte zu aberwitzigen Ergebnissen führen", sagte Kaluza. Er freue sich bereits auf einen Austausch mit Hannover-Boss Martin Kind zu diesen Themen - Möglichkeit dazu bietet sich bereits am kommenden Samstag ab 15.30 Uhr, wenn sich der FSV und H96 am 1. Spieltag der neuen Bundesliga-Saison gegenüberstehen.

Seine eigene Sicht erläuterte Kaluza im Gespräch mit dem kicker anhand eines Beispiels: "Wir haben hier in der Region den SV Wehen Wiesbaden. Dieser Verein hat vieles richtiggemacht und sich Liga für Liga hochgearbeitet. Der Klub hat nur einen Fehler gemacht: den falschen Sponsor gewählt.

1. FSV Mainz 05 - Vereinsdaten
1. FSV Mainz 05

Gründungsdatum

16.03.1905

Vereinsfarben

Rot-Weiß

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Und wir armen Mainzer würden zugucken - Tradition hin oder her. Wollen wir das haben?

Johannes Kaluza

Wenn Sie statt BRITA einen reichen russischen Oligarchen gewählt hätten; am besten den reichsten, also Wladimir Putin, dann würde heute der SV Putin Wiesbaden in der Champions League spielen. Und wir armen Mainzer würden zugucken - Tradition hin oder her. Wollen wir das haben? Das ist eine zentrale Frage, die der ganzen Diskussion um 50+1 zugrunde liegt. Wir in Mainz haben gesagt: Wir wollen 100 Prozent im Vereinsbesitz. Die Mehrheit im Vereinsbesitz ist die zentrale Basis unserer deutschen Fußball-Vereins-Kultur."

Von diesen angesprochen 100-Prozent-Vereinen "gibt es nur noch drei", so Kaluza. Darüber habe ihn Freiburgs Präsident Fritz Keller jüngst informiert, als der Mainzer Vorstands-Chef ihn besucht hatte. In diesem Gespräch zwischen den beiden Klub-Oberhäuptern ging es vor allem um gewisse Abläufe, die in Freiburg und Mainz einige Parallelen aufweisen.

Es ist wie bei Asterix und Obelix. Mainz ist ein gallisches Dorf, das gegen die römische Übermacht des Kapitals ankämpft. Unser Zaubertrunk besteht aus Teamgeist und Fankultur.

Johannes Kaluza

"Wir und Freiburg haben ähnliche Vereinsstrukturen, auf dieser Basis habe ich mich mit Fritz Keller ausgetauscht. Er hat mich darauf aufmerksam gemacht, dass es in der Bundesliga nur noch drei Vereine gibt: Freiburg, Schalke, Mainz. Nur diese Vereine führen ihre Lizenzspieler noch in den Vereinsstrukturen - ohne Ausgliederung, ohne Anteilsverkauf, ohne Investor und nicht als Kapitalgesellschaft. Mainz ist also einer dieser 100-Prozent-Vereine. Es ist ein wenig wie bei Asterix und Obelix. Mainz ist ein gallisches Dorf, das gegen die römische Übermacht des Kapitals ankämpft. Unser Zaubertrunk besteht aus Teamgeist und Fankultur."

Langwierige Diskussionen habe es zuletzt gegeben, erklärt Kaluza. Diese Debatten führten sogar soweit, dass sich der Bundesgerichtshof dieser Thematik widmete: "Ausgangspunkt war ein Streit über einen Verein, der Kindertagesstätten betreut in Berlin. Dieser Verein betreibt auch kommerziell Kindertagesstätten. In einer Größenordnung, zudem das Amtsgericht in Berlin gesagt hat: So können wir dich nicht mehr als Verein führen. Dagegen haben sie Berufung eingelegt. Im Landesgericht wurde dann bestätigt: Dieser Verein muss gelöscht werden. Am 16. Mai 2017 hat nun der Bundesgerichtshof entschieden, diese beiden Urteile nichtig sind. Jeder Verein hat das Recht, einen für ihn passenden Geschäftsbetrieb in unbeschränkter Höhe zu führen." Das wiederum heißt, "dass Mainz, Freiburg und Schalke kein Risiko laufen. Wir können weiter unsere Lizenzspielerabteilung gefahrlos in unseren Vereinsstrukturen führen. Damit ist eine monatelange Diskussion hinüber. Diesen Punkt wollte ich gerne in die Öffentlichkeit bringen."

Eine Ausgliederung hat auch Vorteile. Aber das kann der Verein selbst entscheiden. Einen Zwang gibt es nicht mehr.

Johannes Kaluza

Dennoch müsse man über eine Ausgliederung nachdenken, findet der Mainzer Vorstandsvorsitzende: "Man kann natürlich - auf die Bundesliga bezogen - nur dann erstklassig sein, wenn man auch im Verein erstklassig organisiert ist. Daher war es für uns enorm wichtig, dass wir mit einem Aufsichtsratsvorsitzenden eine Struktur bekommen, wie sie in einer Aktiengesellschaft gilt. Mit dem aktuellen Problem der Ausgliederung hat das allerdings nichts zu tun. Es gibt keinen Zwang, wir haben das Wahlrecht. Und deshalb können wir wählen: Wollen wir in diesen Strukturen bleiben, oder wollen wir eine Ausgliederung? Eine Ausgliederung hat auch Vorteile: Sie schafft mehr Transparenz. Aber das kann der Verein selbst entscheiden. Einen Zwang gibt es nicht mehr."

Georg Holzner