Bundesliga

Klinsmann: "Nicht heiß auf sofortiges neues Abenteuer"

Interview mit dem Weltmeister von 1990

Klinsmann: "Nicht heiß auf sofortiges neues Abenteuer"

Jürgen Klinsmann bei der Feier zum 125. Geburtstag von Hertha BSC.

Jürgen Klinsmann bei der Feier zum 125. Geburtstag von Hertha BSC. picture alliance

kicker: Herr Klinsmann, Sie haben am Rande der Feierlichkeiten zum 125. Geburtstag von Hertha BSC noch einmal die besondere Beziehung Ihrer Familie zu dem Klub betont. Sie sind seit 2004 Hertha-Mitglied, was bedeutet es Ihnen, dass Ihr Sohn Jonathan jetzt in Berlin unter Vertrag steht?

Jürgen Klinsmann: "Mein Vater war glühender Hertha-Fan, er hat mich als kleiner Bub beim Spiel Stuttgart gegen Hertha das erste Mal mit ins Stadion genommen - mit einer blau-weißen Fahne. Dass Jonathan jetzt die Chance erhalten hat, über ein Probetraining einen Vertrag bei Hertha zu ergattern, ist eine tolle Geschichte auch für uns als Familie. Und für ihn ist es ein wundervoller Startschuss in eine hoffentlich lange Karriere."

Trainersteckbrief Dardai
Dardai

Dardai Pal

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Klinsmann

Klinsmann Jürgen

Spielersteckbrief Klinsmann
Klinsmann

Klinsmann Jonathan

Hertha BSC - Vereinsdaten
Hertha BSC

Gründungsdatum

25.07.1892

Vereinsfarben

Blau-Weiß

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kicker: Welche Rolle haben Sie bei dem Transfer gespielt?

Klinsmann: "Ich habe Michael Preetz mal drauf aufmerksam gemacht, sie haben Jonathan dann bei der U-20-WM beobachtet. Wir sind immer in Kontakt geblieben. Es lagen am Ende verschiedene Möglichkeiten auf dem Tisch. Ich habe meinem Sohn gesagt, dass sich Hertha ihn erst einmal für zehn Tage anschauen wolle. Und ich habe ihm gesagt: Wenn du es schaffst, bist du ganz nah an der 1. Liga."

kicker: Wie bewerten Sie es, dass Ihr Sohn einen ähnlichen Weg wie Sie gehen möchte?

Klinsmann: "Bei uns war zunächst der Wunsch da, dass er studiert, weil die Universitäten gerade in den USA unglaublich wichtig sind. Er hat das zwei Jahre gemacht, das Studium kann er jederzeit fortsetzen. Er wusste schon, dass die U-20-WM in Südkorea ein Sprungbrett sein kann. Er hat sich bei dem Turnier und auch schon in der Qualifikation präsentiert. Ich habe ihm erklärt, dass, wenn er richtig nach oben und in Europa Fuß fassen will, er dann jetzt gehen muss, weil sonst die Lücke zu groß wird."

kicker: Sie kennen auch die Schattenseiten des Geschäfts. Inwieweit haben Sie Ihren Sohn vor dem Schritt nach Europa gewarnt?

Klinsmann: "Überhaupt nicht. Er ist ein grundlegend optimistischer Mensch. Er scheut das Risiko auch nicht. Als mich Michael Preetz und Pal Dardai nach ihm gefragt haben, habe ich ihnen gesagt, dass er sich sehr gut auf das Spiel konzentrieren und seine Ruhe behalten kann. Bis er 12 Jahre alt war, hat er im Feld gespielt. Er hat auch Basketball auf einem sehr hohen Niveau gespielt. Er wird jetzt nicht unruhig, er überdreht nicht. Er weiß, dass er sich als Nummer 3 erst einmal anstellen muss und dass er von Rune Jarstein und Thomas Kraft viel lernen kann und wird."

"Er weiß, dass der Name Klinsmann nicht immer einfach ist"

Jonathan Klinsmann

"Er ist ein grundlegend optimistischer Mensch." Jürgen Klinsmann traut Sohnemann Jonathan den Durchbruch zu. picture alliance

kicker: Im Trainingslager ist Ihrem Sohn die nicht unkomplizierte Frage gestellt worden, welcher der beiden Klinsmänner über mehr Talent verfüge. Was antworten Sie?

Klinsmann: "Ich denke, dass er eine gute Entscheidung getroffen hat, als er sich für die Torhüterposition entschieden hat. Das macht ihm am meisten Spaß. Natürlich weiß er auch, dass er da nicht so sehr mit mir verglichen wird. Er weiß, dass der Name Klinsmann nicht immer einfach ist, aber er hat gelernt, damit umzugehen. Ich habe fünfeinhalb Jahre die USA trainiert. Da musste er sich hier und da auch einen Spruch anhören. Er bekommt jede familiäre Unterstützung, aber er weiß auch, dass er jetzt selbst für sich zuständig ist. Er wird seine Fehler machen, er wird seine Erfahrungen sammeln. Das Wichtigste ist, dass er sich nicht beirren lässt und zielstrebig bleibt. Bis jetzt war er in allem, was er gemacht hat, sehr zielstrebig. Wir machen uns keine Sorgen."

Er soll sich nicht beirren lassen, wenn es mal ein Tief gibt. Das wird kommen, das ist ganz normal. Er soll einfach Schritt für Schritt gehen.

Jürgen Klinsmann über seinen Sohn Jontahan

kicker: Ohne Ihren Sohn zu sehr unter Druck zu setzen, was trauen Sie ihm in seiner Karriere zu?

Klinsmann: "Ich wünsche ihm, dass er die Freude und den Spaß nicht verliert und sich an das Niveau in Deutschland ranarbeitet. Es ist eine Riesenumstellung für ihn vom College- auf Profi-Fußball. Er soll sich nicht beirren lassen, wenn es mal ein Tief gibt. Das wird kommen, das ist ganz normal. Er soll einfach Schritt für Schritt gehen. Insgesamt wird alles noch seine Zeit brauchen. Er hat den Ehrgeiz, sich hier durchzuboxen. Er ist wissbegierig, er stellt Fragen, er ist ein guter Zuhörer. Das ist sehr wichtig."

kicker: Glauben Sie, dass Öffentlichkeit und Medien Ihrem Sohn diese Zeit geben werden?

Klinsmann: "Ich weiß nicht, wie die Erwartungen von außen sind, ich glaube aber, dass die ihn weniger beschäftigen. Er hat seine eigenen Erwartungen. Die Zeit wird dann zeigen, wie es sich entwickelt. Er hat Talent, er verfügt über ein gesundes Selbstvertrauen. Es kommt ja auch nicht von ungefähr, was er auch schon in Amerika gezeigt hat. Er hätte in jeder MLS-Mannschaft unterschreiben können, die haben sich alle gemeldet. Sein Ziel war es aber immer, nach Europa zu gehen und zu sehen, wie weit er es bringen kann."

kicker: Nachdem wir über Ihren Sohn gesprochen haben - wie sieht es bei Ihnen aus, seitdem Sie Ende 2016 als US-Coach beurlaubt wurden?

Klinsmann: "Es ist für mich eine wirklich sehr willkommene Pause. Es kam alles zu einem richtig guten Zeitpunkt, weil ich im vergangenen halben Jahr mal wieder Zeit für viele andere Dinge hatte, sowohl in persönlicher als auch in familiärer Hinsicht. Nächstes Jahr kann ich schauen, ob sich etwas Neues für mich ergibt. Ich bin überhaupt nicht heiß drauf, sofort wieder ein neues Abenteuer anzugehen."

Klinsmann: "Es muss auch familiär passen"

kicker: Suchen Sie wieder eine Aufgabe als Nationaltrainer oder lieber bei einem Klub?

Klinsmann: "Beides ist faszinierend und hat immer seinen eigenen Reiz. Bei uns ist es aber auch so, dass unsere Tochter 15 ist und in die zehnte Klasse geht. Da kann man nicht einfach sagen: Ich gehe nach Europa und übernehme einen Klub. Da müsste die Familie mitgehen. Eine Nationalmannschaft wäre aufgrund der familiären Situation sicher einfacher. Entscheidend ist also nicht alleine, dass es sportlich für mich optimal passt. Es muss auch familiär passen. Daher gibt es auch keine Eile."

kicker: Was würde Sie in sportlicher Hinsicht reizen? Wieder eine Aufgabe als Entwickler und Aufbauhelfer oder möchten Sie gerne eine fertige Mannschaft übernehmen?

Klinsmann: "Das kommt immer auf die jeweilige Situation an, auf die Nation, auf eine Kultur, auf die Sprache, auf die vorhandene Qualität."

Interview: Jan Reinold