Bundesliga

Eintracht-Keeper Zimmermann: "Ich bin dankbar für jede Kleinigkeit"

Frankfurts Rückkehrer blickt auf schwere und schöne Zeiten zurück

Zimmermann: "Ich bin dankbar für jede Kleinigkeit"

Glücklich über jeden Moment auf dem Platz: Frankfurts Neuzugang Jan Zimmermann.

Glücklich über jeden Moment auf dem Platz: Frankfurts Neuzugang Jan Zimmermann. imago

Als Fußballer hat Ante Budimir in Deutschland keinen bleibenden Eindruck hinterlassen. Drei Tore glückten ihm in der Saison 2014/15 für St. Pauli, nach einem Jahr und 19 Einsätzen für den Kiez-Klub verschwand er zum FC Crotone nach Italien.

Glück im Unglück mit Budimir

Jan Zimmermann wird den Namen des Kroaten dagegen nie vergessen. Der Stürmer rettete ihm am 8. November 2014 gewissermaßen das Leben. Unfreiwillig zwar, aber was spielt das schon für eine Rolle? Die 18. Minute lief, als der damalige Keeper des FC Heidenheim mit Budimir unglücklich zusammenprallte. Zimmermann blieb benommen liegen, trug eine Gehirnerschütterung und ein Schleudertrauma davon. Eine MRT-Untersuchung, die auf Drängen des Mannschaftsarztes zur Sicherheit vorgenommen wurde, lieferte die Schock-Diagnose: Gehirntumor.

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Doch der Torwart hatte Glück im Unglück, der Tumor wurde rechtzeitig entdeckt, die Operation verlief erfolgreich. Schon am 1. März 2015 stand Zimmermann im Heimspiel gegen Düsseldorf wieder zwischen den Pfosten. "Meine ganze Lebensweise hat sich dadurch verändert", erzählt Zimmermann. Was das genau bedeutet? "Darüber könnten wir vier Stunden reden und ich wäre immer noch nicht fertig. Kurz gefasst: Das Bewusstsein zum Leben hat sich dramatisch verändert. Ich bin dankbar für jede Kleinigkeit." Wenn die Kollegen nach den ersten harten Tagen der Vorbereitung erschöpft stöhnen, "beklage ich mich nicht, sondern bin einfach glücklich, dass ich das machen kann".

Manche Dinge haben an Wichtigkeit verloren, andere an Wichtigkeit gewonnen. Das erhöht meine Lebensqualität.

Jan Zimmermann

So makaber es im ersten Moment klingt: Der Tumor hat schlussendlich sogar positive Auswirkungen gehabt. "Ich nehme Sachen viel bewusster wahr. Manche Dinge haben an Wichtigkeit verloren, andere an Wichtigkeit gewonnen. Das erhöht meine Lebensqualität", sagt der Keeper. Dass sich die Operation so gravierend auf sein Leben auswirken würde, hätte er selbst nicht gedacht. "Vor der OP sagte ich: Der Tumor kann mich gar nicht so groß verändern, weil ich schon immer ein positiver Mensch war. Zwei Monate nach der OP stellte ich fest: Was war ich für ein Vollidiot! Das hat mich auf links gedreht."

Die enorme Lebensfreude wurde durch die Rückkehr zur Eintracht noch einmal gesteigert. Nach dem Abstieg mit 1860 München ergab sich die Möglichkeit, sieben Jahre nach seinem Abschied zu den Hessen zurückzukehren. Mitte Juni unterschrieb der 1,90 Meter große Schlussmann einen Zweijahresvertrag in Frankfurt. "Ich bin extrem glücklich, dass ich die Chance bekommen habe, hier wieder als Spieler zum Verein zu gehören. Ich bin voller Euphorie und Ehrgeiz. Die Entscheidung fiel mir nicht schwer", betont Zimmermann.

Der frühere Jugendtorwart der Eintracht absolvierte zwischen 2005 und 2009 gerade mal fünf Bundesligaspiele für Frankfurt - alle gingen verloren. Nach 16 Jahren Vereinszugehörigkeit verabschiedete er sich 2010 zu Darmstadt 98, vier Jahre später stieg er mit den Lilien in die 2. Liga auf. Den Bundesliga-Aufstieg ein Jahr später verfolgte er nur aus der Ferne, da er sich 2014 dem FC Heidenheim anschloss, wo er sofort zum Leistungsträger avancierte. "Ich bin gottfroh, diese Entscheidung getroffen habe. Wäre ich nicht gegangen, wäre der Tumor vielleicht nicht entdeckt worden", sagt Zimmermann.

Turbulente Zeiten bei 1860: "Wussten nicht, was wir vorfinden würden"

Eine verrückte Zeit erlebte er zuletzt bei 1860 München, wo er seinen Stammplatz nach nur 13 Spieltagen verlor. Kosta Runjaics Nachfolger Daniel Bierofka entschied sich für Stefan Ortega im Tor. Bierofka habe seine Entscheidung damit begründet, dass er Ortega besser kenne. Nach der Winterpause, glaubt Zimmermann, seien es dann "keine sportlichen, sondern politische Gründe" gewesen, "auch einige Mitspieler wurden plötzlich nicht mehr berücksichtigt". In nur einer Spielzeit bei 1860 hat er mehr erlebt, als es ihm lieb sein kann. "Dieses Jahr war extrem intensiv. Für uns Spieler war es eine sehr schwierige Zeit. Wir sind oft zum Training gefahren und wussten nicht, was wir vorfinden würden. Nach dem Abstieg habe ich eine Woche gebraucht, um herunterzukommen", berichtet Zimmermann. "Das Jahr hat einige Geschichten gebracht, die ich abends beim kühlen Bier erzählen werde."

Sein bitteres Fazit: "Leider hat sich nach dem Abstieg nichts geändert. Normalerweise kann ein Abstieg ein reinigender Prozess sein, aber der hat nicht stattgefunden."

Wenn er seine Zeit am Böllenfalltor mit der in München vergleicht, könnte der Unterschied größer nicht ausfallen. "In Darmstadt sind wir nur über die Mentalität gekommen, 1860 hatte für die Liga eine extrem hohe Qualität, aber keine Mentalität. Wenn es im Team nicht stimmt, nicht jeder für jeden kämpft, dann läuft es nicht", erklärt der Routinier. Bei der Eintracht spürt er bereits nach wenigen Tagen ein anderes Zusammengehörigkeitsgefühl: "Du merkst ein ganz anderes Wir-Gefühl, ein ganz anderes Miteinander."

Mit der Rolle als Nummer 2 hat er bei allem Ehrgeiz keine Probleme. "Grundsätzlich ist Lukas Hradecky die Nummer 1", sagt Zimmermann. Er betont aber auch: "Ich werde mich nicht zufrieden auf die Couch legen und das sportlich abschenken. Ich will immer Vollgas geben. Als Konkurrent muss man sich immer anbieten und den Stammkeeper fordern. Ich war auch jahrelang die Nummer 1, da ist man froh, wenn der andere ein bisschen kratzt und beißt, nicht menschlich, aber durch Leistung. Das bringt einen voran. Außerdem hat man immer die Möglichkeit, an Positionen zu rütteln, wenn man wirklich herausragend trainiert." Mit seinem finnischen Konkurrenten habe er sich "von Anfang an super verstanden, er ist ein sehr angenehmer, positiver Typ. Und natürlich ist er auch sehr guter Torwart, das hat er eindrucksvoll bewiesen".

Emotionales Ja zur Eintracht

Trotzdem stellt sich für Außenstehende die Frage, warum ein Torwart zu einem Klub wechselt, wo er nicht die Nummer 1 ist. Für Zimmermann hat diese Entscheidung indes nicht nur eine sportliche, sondern auch eine emotionale Komponente. "Mein Herz, mein Gefühl hat Ja zu Eintracht Frankfurt gesagt, weil das mein Verein ist. Die Eintracht ist für mich nicht irgendein Klub", bekräftigt der Torhüter. Hinzu kommt, dass er nicht zuletzt durch die höhere Qualität der Mitspieler die Chance sieht, sich weiter zu verbessern.

In den nächsten Tagen muss er aber erst mal etwas kürzertreten. Auf Rat eines Dermatologen ließ er sich vor zwei Wochen ein auffälliges Muttermal entfernen, die Wunde musste genäht werden. Beim Trainingsauftakt am Samstag riss die Haut unter der Naht etwas auf, sodass Zimmermann am Sonntag erneut genäht wurde. Der guten Laune der Frohnatur kann so eine Kleinigkeit freilich nichts anhaben.

Julian Franzke

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