Bundesliga

Dardai und Stocker: Es kriselt weiter

Hertha: Ein Verkauf des Schweizers rückt näher

Dardai und Stocker: Es kriselt weiter

Haben ein spezielles Verhältnis: Valentin Stocker und Hertha-Coach Pal Dardai.

Haben ein spezielles Verhältnis: Valentin Stocker und Hertha-Coach Pal Dardai. imago

Seine Maßnahme hat Dardai dem als feinfühlig geltenden 36-fachen Schweizer Nationalspieler nicht erklärt. "Darüber brauche ich nicht reden, denke ich", sagt der Coach. "Die Profis müssen es akzeptieren, so steht es im Vertrag. Wenn wir etwas Großes schaffen, müssen sich die Spieler daran gewöhnen, dass es nicht jede Woche die gleiche Mannschaft geben kann und wird." Mit etwas Großem meint Dardai die Europa League. Ob Stocker, dessen Kontrakt bis zum 30. Juni 2018 datiert ist, in der kommenden Saison überhaupt noch in Berlin spielt, ist inzwischen fraglicher denn je. Gespräche über eine Vertragsverlängerung mit dem sowohl auf dem Flügel als auch im Zentrum verwendbaren Offensivspieler hat Manager Michael Preetz bislang nicht geführt. Den WM-Teilnehmer von 2014 im Sommer 2018 ablösefrei ziehen zu lassen, ist eher nicht Herthas bevorzugtes Modell.

Im Januar sagte Stocker im kicker, er könne sich eine Vertragsverlängerung bei Hertha "vorstellen, aber darüber mache ich mir erst im Sommer Gedanken - ich habe mich in meiner Karriere bisher immer auf meinen Bauch verlassen und lag gut damit". Die Nichtberücksichtigung für den 18er-Kader gegen Darmstadt begründet Dardai mit taktischen Gründen: "Wir haben ein anderes System (4-4-2 statt 4-2-3-1, d. Red.) gespielt. Ich musste die Spieler mitnehmen, die da reinpassen." Also nominierte er keinen Zehner wie Stocker, sondern Arne Maier (18), der als Sechser oder Achter spielen kann und in der Schlussphase in Darmstadt zu seinem Bundesliga-Debüt kam.

Spielersteckbrief Stocker
Stocker

Stocker Valentin

Trainersteckbrief Dardai
Dardai

Dardai Pal

Stocker fühlt sich nicht ausreichend wertgeschätzt

Die taktischen Belange mögen am Wochenende die maßgebliche Rolle gespielt haben, doch die Probleme zwischen Dardai und Stocker sind grundsätzlicher Natur. Für einen Außenbahnspieler attestiert der Coach dem Profi zu wenig Dynamik, in der Zentrale moniert er seit längerem "zu viel Risiko bei Ballbesitz und die Passquote". Im Klartext: Für Dardais Geschmack verliert Stocker zu viele Bälle. Der Profi seinerseits fühlt sich nicht ausreichend wertgeschätzt. Klar ist: Im Berliner Kader, in dem außer Vedad Ibisevic und Salomon Kalou kaum ein Spieler wirkliche Torgefahr ausstrahlt, sticht Stocker mit seinen Abschlussqualitäten heraus. In der laufenden Saison verbuchen nur Ibisevic (12 Tore/5 Assists) und Kalou (7/5) mehr Scorerpunkte als der Schweizer (4/3 bei 17 Einsätzen). Insgesamt stehen für Stocker nach drei Jahren Bundesliga und zwei Trainern (Jos Luhukay, Pal Dardai), die ihn über Gebühr kritisch sahen und sehen, manierliche Zahlen in der Bilanz: 65 Spiele, 8 Tore, 12 Assists. "Alles, was mit Scorerpunkten zu tun hat, ist Stockis Stärke", gibt Dardai zu. "Er hat eine Nase dafür, dort zu sein, wo es dem Gegner wehtut."

Es gibt in England zwei, drei Städte, wo es Spaß machen würde, Fußball zu spielen.

Valentin Stocker

Aber die Vorzüge des Mannes, der mit dem FC Basel sechsmal Schweizer Meister und dreimal Pokalsieger wurde, machen aus Dardais Sicht die Defizite nicht wett. Zudem soll Stocker nach seiner relativ frühen Auswechslung gegen Leipzig, die ihn selbst und einige Beobachter überraschte, mit Dardai zu dessen Missfallen nicht korrekt abgeklatscht haben. Nebengeräusche, mehr nicht - aber sie illustrieren das spezielle Verhältnis der beiden. Kurios: Ohne Stockers starke Rückrunde 2014/15 wäre Hertha mit dem seinerzeit im Februar ins Amt gehievten Jung-Trainer Dardai mutmaßlich abgestiegen. "Vali", sagte Dardai damals ehrlich, "hat uns gerettet." Aber die Meriten von einst zählen nicht. Stockers Ex-Klub FC Basel macht sich gerade - nicht zum ersten Mal seit dem Fortgang des Hochbegabten 2014 - Gedanken über eine Rückholaktion. Marco Streller, seit April FCB-Sportchef, ist mit Stocker gut befreundet. Der Noch-Berliner schwärmt seinerseits seit längerem vom englischen Fußball. Im kicker sagte Stocker schon im Winter: "Es gibt in England zwei, drei Städte, wo es Spaß machen würde, Fußball zu spielen." Privat schätzt er Berlin über alle Maßen: "Diese Stadt ist der Wahnsinn und bietet so unglaublich viel." Was ihm Berlin derzeit nicht bietet: dauerhaften Spaß im Job und beständige Einsatzzeiten. Steffen Rohr

Steffen Rohr