Bundesliga

Der Wilmots-Elfmeter: Kopfkino mit dem "Kampfschwein"

Schalker UEFA-Cup-Held wollte gar nicht schießen

Der Wilmots-Elfmeter: Kopfkino mit dem "Kampfschwein"

"Ich habe zu mir gesagt, Du schaust diesen Torwart jetzt nicht an": Marc Wilmots gestand Erstaunliches in Bezug auf den Elfmeter in Mailand.

"Ich habe zu mir gesagt, Du schaust diesen Torwart jetzt nicht an": Marc Wilmots gestand Erstaunliches in Bezug auf den Elfmeter in Mailand. imago

Szene 1: Der belgische Patient

21. Mai 1997, Giuseppa-Meazza-Stadion, nach 23 Uhr: Die Verlängerung ist vorbei, Schalke hat das 0:1 nach der regulären Spielzeit gehalten, das Elfmeterschießen muss über den Titel entscheiden. Feierabend für Wilmots? Mitnichten. Und das zu seiner eigenen Überraschung: "Ich wollte ja gar nicht schießen", beteuert Wilmots im kicker-Interview für das Sonderheft "Die Eurofighter". "Meine Schulter hat mir wehgetan, das Sprunggelenk auch. Ich war vor diesem Elfmeterschießen ein Fall für die Werkstatt."

Szene 2: Der vierte Mann

Doch statt eine Massage gab es eine Mission, und zwar von ganz oben. Wilmots erinnert sich noch gut: "Und dann kam Huub Stevens zu mir und sagte nur: Du schießt als Vierter. Da habe ich geschluckt." Er sei aber nun einmal gemeinsam mit Olaf Thon einer der erfahrensten im Team gewesen. Und so rückte das Kampfschwein eben an. "Ich hatte mehr als 40 Europacupspiele zu dem Zeitpunkt, also habe ich mir gesagt: 'Okay, du musst jetzt schießen.'"

Szene 3: Fifty-Fifty

Doch wohin eigentlich? Wilmots hatte nämlich ein handfestes Problem, als er sich Richtung Elfmeterpunkt bewegte - ihm fehlte beinahe komplett die Erfahrung. "Ich habe erst einmal gedacht, dass ich vorher nur zwei Elfmeter geschossen hatte, heute kann ich das ja sagen", so Wilmots. "Einen flach unten in die Ecke - drin, Tor. Der zweite: Da habe ich überlegt und rechts halbhoch geschossen. Und halbhoch ist scheiße, das kannst Du nicht machen. Der Torwart hat natürlich gehalten." Wilmots hatte also eine 50-Prozent-Quote vorzuweisen.

Szene 4: So weit die Füße tragen

Mit diesen Gedanken machte sich Wilmots also auf den langen Marsch Richtung Elfmeterpunkt. Würde er treffen, wäre Schalke UEFA-Cup-Sieger. Kurios: Wilmots dachte schon weiter. "Wir waren in der Bundesliga ja nur Zwölfter, aber durch diesen UEFA-Cup-Sieg waren wir jetzt wieder qualifiziert für die nächste Europapokalsaison. Das ging mir sofort durch den Kopf, schon als ich zum Elfmeterpunkt gehen musste. Wilmots habe "an unseren Plan gedacht. Es war doch erst meine erste Saison auf Schalke." Schließlich wollte Rudi Assauer aus den Knappen die dritte Kraft in Deutschland machen. "Ich wusste vor dem Elfmeter: Wenn Du jetzt triffst, dann geht dieser Traum weiter."

Szene 5: Shoot 'em up

Doch da musste ja noch dieser Elfmeter rein. "Ich habe zu mir gesagt, Du schaust diesen Torwart jetzt nicht an. Du schießt flach in eine Ecke und rein ins Netz. Und wenn man sich das heute auf Video anschaut, dann sieht man das: Ich schaue den Torwart Pagliuca nicht ein einziges Mal an. Ich weiß genau, wohin ich schießen will." Nämlich links unten, doch das ahnt Pagliuca nicht. "Ich war voll konzentriert, egal, wie laut die 81.000 Leute im Stadion im Moment waren. Und zack, drin!"

Szene 6: From dusk till dawn

Marc Wilmots

Nennt Schalke sein "Zuhause": Marc Wilmots. kicker

Ein Schuss, der gleichzeitig ein Startschuss ist - für eine Pott-Party, wie sie Schalke seitdem nicht mehr erlebt hat. "25.000 Fans sollen in Mailand gewesen sein. Unser Sieg hat die Menschen tief berührt, viele haben richtig geweint. Da gibt es Videos, da siehst du große tätowierte Kerle, die weinen." Auch bei den Spielern krachte es gewaltig. "Wir haben eine ganze Woche gefeiert. Und das war ehrlich gesagt zu lange. Am Ende war ich total kaputt." Auch die Frauen seien mit dabei gewesen. "Das war damals keine Modenschau auf Schalke, das waren noch normale Frauen mit Jeans, die richtig mit uns feiern konnten. Das war Schalke."

Szene 7: Hangover

Doch jeder Höhenflug ist auch mal zu Ende, wie die Eurofighter nach einer rauschenden Party in Billerbeck schmerzlich feststellen mussten. "Jeder hatte Kopfschmerzen, unglaubliche Kopfschmerzen. Wir waren alle platt, voller Alkohol und sehr müde. Da wurde nicht mal laut Guten Morgen gesagt, da wurde nur noch gegrummelt." Nicht der schönste Moment für Wilmots, das ist klar. Welcher war es denn für ihn persönlich zu Zeiten der legendären Eurofighter? Darüber muss er nicht lange nachdenken: "Der Elfmeter in Mailand", lautet seine Antwort.

Warum Wilmots kurzzeitig zum Zigarrenraucher wurde, wie er zu seinen Spitznamen "Kampfschwein" und "Champagner-Willy" kam, warum ihm die Prämie "scheißegal" war und wie er Huub Stevens einst zum Schweigen brachte - das alles und noch viel mehr über den UEFA-Cup-Sieg 1997 erfahren Sie im kicker-Sonderheft "Typen und Triumphe - Die Eurofighter".

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