Bundesliga

BVB-Trainer Thomas Tuchel: "Vielleicht war ich zu optimistisch"

Dortmunds schwierige emotionale Lage im Saisonendspurt

Tuchel: "Vielleicht war ich zu optimistisch"

"Wir wollen keine Alibis und keine Entschuldigungen, aber...": Thomas Tuchel am Freitag in Dortmund.

"Wir wollen keine Alibis und keine Entschuldigungen, aber...": Thomas Tuchel am Freitag in Dortmund. Getty Images

Normal ist auch anderthalb Wochen nach dem Sprengstoffanschlag nichts beim BVB, das spüren die Beteiligten ganz konkret. Ob in Monaco, auf dem heimischen Gelände oder am Flughafen: "Von so viel schwer bewaffneter Polizei umgeben zu sein, ist total nachvollziehbar, gibt mir persönlich aber nicht immer das Gefühl, megabeschützt zu sein", sagt Trainer Thomas Tuchel. "Sondern erinnert einen eigentlich ständig daran, dass etwas nicht normal ist."

Immerhin, es gibt Zeichen der Besserung, die sich anbahnende Aufklärung der Tat vor allem. "Ich weiß von vielen Spielern, dass ihnen das helfen würde", so Tuchel, der das mutmaßliche Motiv des Tatverdächtigen, pure Habgier, "weder emotional noch rational nachvollziehen" kann. Und doch bleibt alles sehr fragil. Auch "das kommende Spiel in Gladbach steht ganz sicher in einer Klammer", sagt er. Man müsse sehr vorsichtig sein, "inwieweit wir Kritik üben, Kritik üben dürfen, wo vermischt sich der Sportler mit dem Menschen. Es ist schon ein krasser Einschnitt gewesen."

Ich bin mir sicher, dass wir es nicht restlos einfordern dürfen: Leistung, Verbissenheit. Und ich glaube, dass das letztendlich der entscheidende Vorteil für Monaco war.

Thomas Tuchel

Ihm persönlich gehe es "aktuell sehr gut damit, aber ich traue mich das nicht, für meine Spieler zu sagen, nicht für jeden Spieler", betont Tuchel. "Ich bin mir sicher, dass wir es nicht restlos einfordern dürfen: Leistung, Verbissenheit. Und ich glaube, dass das letztendlich der entscheidende Vorteil für Monaco war, das verdient weitergekommen ist."

Seine Analyse: "Wir haben eine Mannschaft gesehen, die, denke ich, mit uns auf Augenhöhe ist, aber die frei war, die verbissen war, die um die Chance ihrer bisherigen Laufbahn gekämpft hat und so aufgetreten ist. Im Gegenzug unsere Mannschaft, die schon vor acht Tagen komplett aus ihrem Bezugsrahmen gerissen wurde und auch Selbstzweifel hat und nicht die Verbissenheit und Sorgenfreiheit an den Tag legen konnte, die nötig ist, um ins Halbfinale eines so schwierigen Wettbewerbs einzuziehen."

Tuchels Versuch der Aufbruchsstimmung plötzlich konterkariert

Er habe vor dem Rückspiel versucht, für Ablenkung zu sorgen. "Und vielleicht war ich da auch ein bisschen zu optimistisch in der PK gegen Monaco, aber es war dann auch eine Abwägung, dieses Sportliche komplett in den Mittelpunkt für dieses Spiel zu stellen, um auch eine kleine Aufbruchsstimmung reinzugeben. Das wurde dann durch die 20 Minuten Wartezeit vor dem Spiel ( die verzögerte Bus-Abfahrt , d.Red.) so was von konterkariert, das kann man sich einfach nicht vorstellen. Da waren wir irgendwie wieder wie am Anfang, wie drei Tage vorher."

Und auch jetzt im Kampf um die Champions-League-Qualifikation und den Einzug ins DFB-Pokal-Finale müsse man irgendwie "einen Mittelweg finden und sehr ehrlich mit der Mannschaft sein: Wer ist in der Lage dazu, sich emotional voll darauf einzulassen und wen müssen wir ein bisschen mehr mitnehmen, wer braucht aktuell etwas mehr Verständnis? Das wird uns jetzt eine ganze Weile begleiten, ohne dass es jetzt in den Mittelpunkt gestellt werden sollte", sagt Tuchel. "Wir sind natürlich Leistungssportler, wollen keine Alibis und keine Entschuldigungen die ganze Zeit haben, wenn etwas nicht klappt, trotzdem ist es jetzt irgendwie ein Teil von uns geworden, deswegen fühlt es sich ein bisschen diffus an und schwierig, auch für mich als Trainer."

Auf Reus muss Tuchel in Gladbach wohl verzichten

Ein Erfolgserlebnis in Gladbach am Samstag (18.30 Uhr, LIVE! bei kicker.de) "würde uns natürlich noch mal einen unglaublichen Schub geben", und er selbst traue sich "auf jeden Fall zu, mit der ganzen Emotion die Spieler vorzubereiten und auch während des Spiels zu coachen. Ich weiß aber auch, dass es nicht jedem Spieler so geht. Deshalb ist wirklich die Aufgabe, da eine Balance herzustellen."

Auf Marco Reus wird Tuchel voraussichtlich verzichten, die 90 Minuten in Monaco haben Spuren hinterlassen. Tuchel hatte nach dem zwischenzeitlichen 1:2 noch auf eine Aufholjagd gehofft und Reus deshalb auf dem Platz gelassen, und "als dann die Entscheidung gefallen war, hatten wir keine Möglichkeit mehr auszuwechseln. Deswegen ist da leider auch erhöhte Vorsicht geboten."

Der BVB bezieht vor dem Borussen-Duell übrigens lediglich ein Tageshotel. Die Nacht auf Samstag sollen die Spieler zuhause bei ihren Familien verbringen.

jpe