Bundesliga

Tawatha: Aberglaube, Demut, Ehrgeiz

Frankfurt: Schwerer Start mit wenig Spielzeit

Tawatha: Aberglaube, Demut, Ehrgeiz

Er erhielt bislang 21 Minuten Spielzeit in der Bundesliga: Taleb Tawatha.

Er erhielt bislang 21 Minuten Spielzeit in der Bundesliga: Taleb Tawatha. imago

Erst wenige Tage hatte Tawatha in der Sommerpause mit seiner neuen Mannschaft trainiert, da erlitt er prompt einen leichten Leistenbruch. Wie er sich die Verletzung zugezogen hat, ist nicht bekannt. Der israelische Nationalspieler (5 Länderspiele) findet einen ungewöhnlichen Erklärungsansatz: "Ich bin ein sehr abergläubischer Mensch. Mein Wechsel zur Eintracht war ein sehr großes Thema in Israel, alle haben darüber gesprochen, und einige haben mir nicht nur Gutes gewünscht. Aus dem Aberglauben heraus ist vielleicht die erste Verletzung entstanden, man weiß es nicht."

1,3 Millionen Euro hatten sich die Hessen die Verpflichtung kosten lassen, womit Tawatha zum teuersten Zugang im Sommer avancierte. Andere Angebote aus dem Ausland schlug er aus, die Chance in der Bundesliga wollte er unbedingt nutzen. Die Skepsis, die der Transfer weckte, konnte der Verteidiger noch nicht beiseite wischen. 21 Minuten Spielzeit erhielt er bislang in der Bundesliga, wo er dreimal in der Schlussphase eingewechselt wurde. Bei seinem Startelf-Debüt im Pokal gegen Ingolstadt wirkte er überfordert und wurde nach 69 Minuten ausgewechselt (kicker-Note 5). In Israel hätte diese Partie, vor allem aber die Note 6, die er in einer anderen Zeitung erhielt, für große Schlagzeilen gesorgt. "Das war sehr enttäuschend."

Taleb ist lernwillig und gibt sich im Training total hin.

Niko Kovac

Trainer Niko Kovac verteidigte den Neuzugang damals vehement: "Der Junge kommt aus Israel, hat sein Umfeld verlassen, war verletzt und musste danach umso mehr im konditionellen Bereich aufarbeiten. Ich hatte das Gefühl, dass er übermotiviert war, weshalb ihm einige Stockfehler unterlaufen sind, die ihm normal nicht passieren." Tawatha bestätigt diesen Eindruck. "Ich war sehr aufgeregt, das hat meine Leistung gehemmt", räumt der Linksverteidiger ein. Sein Coach mahnte schon damals zu mehr Geduld: "Viele Spieler aus kleineren Ligen brauchen Eingewöhnungszeit. Taleb ist lernwillig und gibt sich im Training total hin. Man darf Spieler nicht nach einer Partie beurteilen. Wir haben richtig gut hingeschaut, als wir uns für ihn entschieden haben."

Das Pech ereilte Tawatha erneut Mitte November, als er sich im Training bei der Nationalmannschaft einen Innenbandanriss im rechten Knie zuzog - womit die Hinrunde vorzeitig beendet war. Jetzt greift Tawatha neu an. Beim Pokalspiel in Hannover kam er zur Pause für den verletzten David Abraham (Zerrung) in die Partie. Zwar verschuldete er zunächst das Gegentor zum 0:1 maßgeblich, mit seinem Kopfballtreffer zum 1:1 brachte er Frankfurt aber rasch zurück ins Spiel. Nun hofft er auf weitere Bewährungschancen. Allzu lange wird er wohl nicht warten müssen, sein Konkurrent Bastian Oczipka steht bei vier Gelben Karten und droht demnächst für ein Spiel auszufallen.

Lob für Oczipkas Darbietungen

Die Situation, nur auf der Bank zu sitzen, ist für Tawatha neu. In Israel war er stets Stammkraft. Doch er meckert nicht und spricht mit Demut über Oczipkas Darbietungen: "Er spielt eine grandiose Saison, ich erkenne seine Leistung hoch an. Die ganze Mannschaft spielt gut und gewinnt, wir stehen auf dem dritten Platz - es gibt nicht viele Argumente, etwas zu ändern. Für mich persönlich ist das etwas schwierig, weil ich immer spielen will. Ich hoffe, dass ich die Chance kriege und meinen Teil dazu beitragen kann, dass wir die Saison vielleicht auf dem dritten Platz beenden."

Wunderdinge sollte man von ihm in dieser Saison freilich nicht erwarten. Dass er noch Zeit zur Anpassung benötigt, ist völlig normal und kein Grund zur Kritik. Die Umstellung ist schließlich gewaltig. "Es gibt israelische Klubs, die es schon mit Bundesligisten aufnehmen könnten. Der große, entscheidende Unterschied ist die Intensität des Trainings. Hier musst du in jedem Training 100 Prozent geben und topfit sein, sonst fehlt der entscheidende Prozentpunkt. Das macht die Qualität in der Bundesliga aus", erklärt Tawatha. Sein Landsmann Almog Cohen, der beim kommenden Gegner Ingolstadt spielt, hatte ihm das vor dem Wechsel in einem beratenden Gespräch angekündigt. "Jetzt merke ich, wie recht er hatte", sagt der Abwehrspieler.

Anpassungsprozess läuft - Enger Kontakt zu Hector

Zur besseren Integration stellte ihm die Eintracht zu Beginn einen hiesigen Israeli zur Seite, der ihm im Alltag und bei der Wohnung half. Seit November leben auch seine Frau und sein kleines Kind in der Mainmetropole. Mit zwei weiteren in Frankfurt lebenden Israelis und mit Mitspieler Michael Hector ("Wir verstehen uns super") pflegt er einen engen Kontakt. Gleichwohl sei der Anpassungsprozess noch nicht abgeschlossen: "Der Schritt von Israel nach Deutschland war sehr schwer. Es hat Zeit gebraucht und dauert vielleicht immer noch, hier anzukommen. Ich fühle mich sehr wohl, aber ich habe noch nicht genügend Spielminuten, um wirklich sagen zu können, das ganze Potenzial wäre ausgeschöpft." Deutsch zu sprechen fällt ihm noch schwer, Fragen versteht er allerdings schon. Wenn bei taktischen Besprechungen mal Unklarheiten auftreten, helfen ihm die Mannschaftskameraden auf Englisch weiter.

Man darf gespannt sein, ob es Tawatha gelingt, sich nachhaltig zu empfehlen und eines Tages vielleicht sogar aus Oczipkas Schatten zu treten. Mit seiner Schnelligkeit und Dynamik bringt er eine wesentliche Eigenschaft für die Position des Linksverteidigers mit. Als weitere Stärke nennt er das Umschalten in die Offensive und Eins-gegen-eins-Situationen. In Israel hätte er viel zum Angriffsspiel beitragen müssen. Ob er taktisch, körperlich und im Zweikampf auf höchstem Niveau mithalten kann, muss sich indes erst noch zeigen. Zeit zur Anpassung wird ihm Kovac gewähren - es liegt an ihm, ob er sie nutzt.

Julian Franzke