Bundesliga

Bayer: 90 Minuten wie eine Bankrotterklärung

Leverkusen verliert beim HSV und Europa aus den Augen

Bayer: 90 Minuten wie eine Bankrotterklärung

Ömer Topraks Geste spricht Bände: Auch der Kapitän scheint ob des desolaten Vortrags beim HSV ratlos.

Ömer Topraks Geste spricht Bände: Auch der Kapitän scheint ob des desolaten Vortrags beim HSV ratlos.

90 Minuten ohne eine herausgespielte Torchance gegen den bis dato Tabellenvorletzten. 90 Minuten, die kein spielerisches Konzept erkennen ließen. 90 Minuten wie eine Bankrotterklärung. Mehr Ernüchterung ist nicht möglich. Brutaler konnten Spieler und Verantwortliche nicht vor Augen geführt bekommen, wie schlimm es um Bayer 04 derzeit bestellt ist. Eine Vorstellung, die es fast schon verbietet, die Begriffe Anspruch und Wirklichkeit in einen Satz zu packen.

Völler restlos bedient

Also demonstrierten die Beteiligten danach eine Mischung aus Ratlosigkeit und Entsetzen. "Wenn du eine vernünftige Torchance hast, ist das natürlich zu wenig", erklärte ein völlig bedienter Rudi Völler zu dem Spiel, bei dem einzig einen Lattenkopfball von Stefan Kießling nach einem Eckball für Leverkusener Torgefahr gesorgt hatte: "Das war definitiv an Harmlosigkeit nicht zu überbieten", watschte der Sportdirektor die Minusleistung des Campions-League-Teilnehmers ab.

Trainersteckbrief Schmidt
Schmidt

Schmidt Roger

Spielersteckbrief Kampl
Kampl

Kampl Kevin

Noch spielt Bayer 04, das im Achtelfinale auf Atletico Madrid trifft, in der Königsklasse. Für die kommende Saison ist dies nach übereinstimmender Ansicht aus dem Leverkusener Lager ausgeschlossen. "Natürlich war das ein Rückschritt. Bevor wir uns irgendwelche Ziele setzen, sollten wir wieder mal ein Spiel gewinnen. Wir sollten mal versuchen, wieder ein richtig gutes Spiel abzuliefern. Am besten schon gegen Frankfurt. Mehr kann ich Ihnen nicht sagen. Wir können’s besser und wir müssen’s besser machen", erklärte Völler zu dem Thema.

Das wird sicher keine überragende Bundesligasaison mehr für uns.

Kevin Kampl

Mittelfeldantreiber Kevin Kampl stellte eindeutig fest: "Was soll ich von der Champions League reden, wenn wir Neunter sind. Wir müssen schauen, dass wir den Anschluss wieder herstellen zu den Plätzen 5 und 6." Die Hoffnung, dass es zu mehr reicht, hat der Slowene aufgegeben. "Wir müssen sehen, dass wir eine vernünftige Saison daraus machen. Dass wir möglichst noch einige Punkte holen und noch ein paar Plätze nach oben gutmachen. Aber das wird sicher keine überragende Bundesligasaison mehr für uns."

Widerspruch wird es dafür keinen geben. Präsentierte sich die Elf von Roger Schmidt gegen den beherzt kämpfenden und auf viele hohe lange Pässe setzenden HSV doch völlig hilflos. "Hamburg konnte sich im vorderen Bereich durchsetzen. Das ist uns im über weite Strecken der 90 Minuten so gut wie gar nicht gelungen. Uns fehlte die Qualität, die Präzision im Spiel nach vorne, das Entscheidungsverhalten und das Durchsetzungsvermögen", analysierte Schmidt, der nach der Gladbach-Pleite eine Trotzreaktion erwartet hatte.

Umso erschreckender, dass seine Mannschaft einfach den Hamburger Abstiegskampf mitspielte und nicht versuchte, die aufgrund der individuellen Klasse zwangsläufig vorhandenen spielerischen Vorteile zu nutzen. "Wir haben uns zu sehr beeinflussen lassen von diesem Spiel von Hamburg mit den langen Bällen", monierte Kampl.

Schmidt: Calhanoglus Ausfall eine Belastung

Bayer 04 fehlte eine Idee, ein eigener Ansatz, die Fähigkeit, gegen einen zähen Gegner über Ballbesitzfußball Chancen zu erspielen. Ein Armutszeugnis bei so einem Ensemble hochkarätiger Profis. Selbst wenn am Freitag Hakan Calhanoglu wegen einer viermonatigen Sperre nicht mitwirken konnte. Der Offensivspieler hatte kurz vor der Abreise nach Hamburg erfahren, dass er wegen eines Transfervergehens aus Karlsruher Zeiten bis Saisonende kein Fußball mehr spielen darf.

Schmidt hätte angesichts des Offenbarungseides, den seine Mannschaft für ihn leistete, gut daran getan, diese Personalie nicht mit der Minusleistung in Verbindung zu bringen. Doch nachher erklärte der Trainer zu Calhanoglus Fehlen: "Natürlich ist es nicht schön, am Flughafen quasi aus dem Mannschaftsbus auszusteigen und wieder nach Hause zu fahren. Dass das insgesamt die Mannschaft auch ein bisschen belastet hat, ist klar."

Das sind zwei grundverschiedene Dinge. Das hat heute mit dem Spiel nichts zu tun.

Rudi Völler über Calhanoglus Fehlen und die unzureichende Leistung.

Sein Sportdirektor hatte zuvor hingegen schon zu der Sperre des türkischen Nationalspielers bezüglich des grausigen Auftritts festgestellt: "Das sind zwei grundverschiedene Dinge. Das hat heute mit dem Spiel nichts zu tun."

Stephan von Nocks