Bundesliga

Von 16 auf 0: Deutsche Klubs machen Bogen um Türkei

Politische Unruhen und Anschläge säen Zweifel

Von 16 auf 0: Deutsche Klubs machen Bogen um Türkei

Verwaist: Die Trainingsplätze in der Türkei werden kaum Auslastung erfahren.

Verwaist: Die Trainingsplätze in der Türkei werden kaum Auslastung erfahren. imago

Bochums Coach Gertjan Verbeek ist ein Mann klarer Worte. "Wir fliegen nicht in die Türkei. Mit Erdogan will ich nichts zu tun haben." Durch die Politik des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan driftet das Land am Bosporus zusehends in eine Autokratie ab. Seit dem Militärputsch im Juli kam es in der Türkei zu tausenden Entlassungen und Verhaftungen.

Hinzu kommen zahlreiche Anschläge. Im Juni starben 48 Menschen bei einem Attentat auf den Istanbuler Flughafen, das Tourismusministerium meldete ein Minus von 40 Prozent bei den Besucherzahlen aus dem Ausland.

Und so hagelte es Absage um Absage für die Sportressorts in Belek & Co. - auch von den Fußballklubs. "Wir haben uns dieses Jahr auch aufgrund der unsicheren politischen Lage in der Türkei gegen ein Trainingslager in Belek entschieden", teilte die Presseabteilung des Hamburger SV mit. Stattdessen fliegen die Hanseaten nach Dubai, ins Land ihres Hauptsponsors Emirates. "Es ist selbstredend, dass die Türkei ausfällt", hatte schon vor Wochen der kürzlich beim SV Darmstadt entlassene Sportchef Holger Fach erklärt, der stattdessen ein Domizil in der Nähe von Alicante/Spanien wählte: "So optimal wie in der Türkei wird es nicht mehr sein, weil es in Europa keinen Ort gibt, wo 50 Mannschaften sind, wo man immer spielen kann. Das ist eben der Preis der politischen Situation." Auch in Mönchengladbach wurde gezweifelt, ob man denn überhaupt Testspielgegner finden würde, und so buchten die Fohlen nun eine Reise nach Marbella/Spanien. Fünf Jahre in Folge waren sie in Belek zu Gast gewesen.

Anschläge auch in Antalya

Schauplätze des Terrors wie Istanbul oder Ankara liegen zwar von den Sportressorts weit entfernt. Doch erst im Oktober schlug auch nahe Antalya eine Rakete in einer Lagerhalle ein, in der Stadt selbst explodierte ein Auto. Leidtragende sind natürlich auch die Türken selbst: Die Provinz Antalya, zu der auch das 7000-Einwohner-Dorf Belek gehört, sind auf den Tourismus und die Besuche der Klubs in der Winterpause angewiesen. Bereits bei den Unruhen um die Verhaftung des ehemaligen PKK-Chefs Abdullah Öcalan im Jahr 1999 blieben viele Hotels verwaist. Nun also die nächste Krise.

Von den Absagen profitiert vor allem die iberische Halbinsel. Viele Vereine wählen als neue Destination Spanien (z.B. Werder Bremen, Hannover 96, Hertha BSC), Rekord-Aufsteiger RB Leipzig und Bundesliga-Absteiger VfB Stuttgart schlagen ihre Zelte in Lagos in Portugal auf. Gar nicht erst wegfahren werden 1899 Hoffenheim, der FC Ingolstadt und der 1. FC Köln.

Wenn sich die Lage beruhigt, ist Belek und die Türkei für uns auch wieder eine Option als Wintertrainingslager.

Hertha-Manager Michael Preetz

Wie lange die Hotels sich mit Dumping-Preisen über die Runden retten, ehe sie auf der Strecke bleiben, ist kaum vorhersehbar. "Was sich dort abspielt, ist ein Trauerspiel. Die Einbußen sind dramatisch", sagt auch Hertha-Manager Michael Preetz. "Wir hatten dort immer erstklassige Bedingungen: gute Hotels und Plätze, kurze Wege, starke Testspielgegner. Wenn sich die Lage beruhigt, ist Belek und die Türkei für uns auch wieder eine Option als Wintertrainingslager."

Die türkischen Anlagen haben schließlich noch einen Vorteil für die deutschen Klubs: Sie sind günstig. Es wäre also für alle Beteiligten eine Win-Win-Situation, wenn im Winter 2017 wieder Normalität einkehren würde.

las/mri/sid