Bundesliga

"Ete" Beer wird 70 - und feiert nach

Auch ohne Titel wurde er bei Hertha BSC zur Legende

"Ete" Beer wird 70 - und feiert nach

Klublegende der Berliner Hertha: Erich Beer.

Klublegende der Berliner Hertha: Erich Beer. imago

Einer der beiden Söhne arbeitet in London, die Familie kommt erst an Weihnachten zusammen und wird dann die Feier für den Jubilar nachholen. Der wird am Freitag viele Glückwünsche auch aus Berlin entgegennehmen, wo er bei Hertha BSC zwischen 1971 und 79 zur Klub-Legende wurde. Mit Pal Dardai (286 Einsätze), Michael Sziedat (280) und Holger Brück (261) absolvierten nur drei Hertha-Profis mehr Bundesliga-Spiele für den Klub als Beer (253). Seine 83 Bundesliga-Tore für Hertha waren lange Klubrekord, erst Michael Preetz (84 Tore) zog im April 2003 auf der Zielgeraden der Karriere so eben noch vorbei.

Holsts Lockrufe: "Meister kannst du auch bei uns werden"

Der in Neustadt bei Coburg geborene Beer gab 1968/69 seinen Bundesliga-Einstand beim 1. FC Nürnberg, mit dem Club stieg er wie später mit Rot-Weiss Essen (1969 bis 71) ab. Als er 1971 nach Berlin wechselte, wie zuvor schon die Franken Tasso Wild, Charly Ferschl, Luggi Müller und der gebürtige Rheinländer und "eingemeindete" Franke Franz Brungs, nahm Beer an, er wechsele zu einem Spitzenteam. Auch der FC Bayern und der Hamburger SV hatten ihm in jenem Sommer ein Angebot unterbreitet, aber Beer erlag den salbungsvollen Worten von "Mister Hertha" Wolfgang Holst, damals Vizepräsident. Der sagte zu Beer in den Verhandlungen: "Meister kannst du auch bei uns werden." Es kam anders. Der Bundesliga-Skandal erschüttert Hertha BSC in den Grundfesten, die Mannschaft, die auf dem Weg nach ganz oben schien, zerfiel beinahe – und wurde mit Beer als Zugpferd neu aufgebaut. Später sagte Beer: "Wir hatten ein tolles Team. Wenn der Skandal nicht dazwischengekommen wäre, hätten wir Titel gewonnen."

Kein Mann der großen Töne - 24 Länderspiele

1975 wurde Hertha unter Trainer Georg Kessler Vizemeister, 1977 (gegen den 1. FC Köln) und 1979 (gegen Fortuna Düsseldorf) erreichten die Berliner mit Beer jeweils das DFB-Pokalfinale und verloren. Der Erfolg mit Berlin führte den Spätberufenen auch in den Kreis der bundesdeutschen Nationalmannschaft, sein Debüt gab er 1975 mit fast 29 Jahren gegen die Niederlande. Doch auch im Nationalteam blieb ihm wie auf Klubebene ein Titel versagt. 1976 gehörte Beer bei der Europameisterschaft, als Uli Hoeneß‘ Elfmeter-Fehlschuss in den Nachthimmel von Belgrad die Titelträume im Finale gegen die Tschechoslowakei platzen ließ, zur deutschen Stammelf. Auch bei der WM 1978 in Argentinien war er am Start, nach dem 2:3 gegen Österreich, der "Schmach von Cordoba", war für ihn nach 24 Länderspielen (sieben Tore) Schluss in der Nationalmannschaft. "Auch wenn der ganz große Wurf ausblieb, habe ich für meine Verhältnisse viel erreicht und bin zufrieden damit", sagt Beer. "Ich war nie einer, der die großen Töne geliebt und sich in den Vordergrund gedrängt hat." Er war immer einer, der eher über die Laufstärke kam als über die Lautstärke. Und seine Schusskraft war sagenhaft. Der kongeniale Lorenz Horr war ihm der liebste Mitspieler, sie fanden sich mit ihren Zuspielen traumwandlerisch sicher. Erich rief und ruft ihn in Berlin kein Mensch. "Selbst meine Frau und meine Enkel", hat Beer schmunzelnd mal verraten, "nennen mich Ete." Schuld an der Namensgebung war Mitspieler Arno Steffenhagen, der 1971 beim ersten Hertha-Training von Beer auf den Neuen zuging und schneidig sagte: "Erich? Gibt es in Berlin nicht. Hier gibt es nur Ete."

Alles geben bis zum Schluss: Erich Beer war vor allem auch für seine Laufstärke bekannt.

Alles geben bis zum Schluss: Erich Beer war vor allem auch für seine Laufstärke bekannt. imago

Der Spitzname wurde zu seinem Markenzeichen. Im April 1979 verfehlte er unter Trainer Kuno Klötzer haarscharf das UEFA-Cup-Finale, gegen Roter Stern Belgrad (0:1 auswärts, 2:1 zu Hause) machten Belgrads später Treffer und ein nicht gegebener Elfmeter für Beer das Drama im Halbfinal-Rückspiel vor 75 000 Zuschauern im Berliner Olympiastadion perfekt. Es war einer der letzten ganz großen Abende für Beer in Berlin. Hertha, finanziell in schwersten Nöten, musste 1979 Leistungsträger verkaufen, um die Lizenz zu sichern: Norbert Nigbur ging für 700 000 Mark zu Schalke, Hanne Weiner, bei dem Beer Trauzeuge war, für 450 000 Mark zum FC Bayern und Beer für 400 000 Mark in die Wüste. Dettmar Cramer lockte ihn zu Al-Ittihad nach Dschidda/Saudi-Arabien. "Zwei schöne Jahre" verlebte Beer mit der Familie dort, die Annehmlichkeiten hörten nicht beim Fußball auf: Umgerechnet elf Pfennige kostete ein Liter Benzin, seinen Mazda konnte Beer seinerzeit für 6,50 Mark volltanken. Um die saudi-arabische Nationalmannschaft perfekt für die WM-Qualifikation für Spanien 1982 vorbereiten zu können, ruhte der Ligabetrieb dann ein ganzes Jahr – für Beer nach zwei Jahren in der Ferne das Signal zur Rückkehr in die Heimat. Als 34-Jähriger wechselte er zu Zweitligist 1860 München, wo er mit den früheren Hertha-Mitspielern Thomas Zander und Wolfgang Sidka auf alte Bekannte traf. Manager Jupp Kapellmann und Trainer Carl-Heinz Rühl waren voll des Lobes über den Routinier, Rühl sagte: "Erich hat eine vorbildliche, profihafte Einstellung. Er ist der Typ, der sich durchkämpft."

Das ist meine zweite Heimat, dort habe ich noch einen Koffer.

Erich Beer

Das galt für Beers ganze Karriere, die ohne Skandale und laute Töne ablief. Weil ihn Eitelkeiten und andere Auswüchse der Branche eher störten, betrieb er seine Trainerkarriere nicht mit letzter Konsequenz. Bei 1860 sprang er bei den Profis zweimal als Interimslösung ein, später führte er die SpVgg Bayreuth in die 2. Liga. Die Gespräche über einen neuen Vertrag scheiterten an einer Differenz von 1000 Mark, Beer ließ ab vom großen Fußball und wechselte zu BMW, wo er in der Abteilung Entwicklung viele Jahre für den Fuhrpark und 700 Fahrzeuge verantwortlich war. Selbst kicken – das tat der Mann, der in insgesamt 342 Bundesliga-Spielen für Nürnberg, Essen und Hertha 95 Tore erzielte, noch jahrelang für die Promi-Mannschaft des FC Schmiere. Als er ein neues Kniegelenk bekam, war endgültig Schluss mit dem Fußball. Tennis geht noch, "wir spielen ja nur Doppel, keine Einzel", immer montags mit früheren Profis des FC Bayern und von 1860 wie Hans Rebele, Bernd Patzke, Peter Kupferschmidt, Herbert Waas oder Bernd Dreher. Er schaut noch heute Hertha-Spiele, so oft er kann. Jedes Jahr kommt er ein paar Mal nach Berlin, "das ist meine zweite Heimat, dort habe ich noch einen Koffer". Er ist Ehrenmitglied bei Hertha, Mitgliedsnummer "8", die damals seine Trikotnummer war. Er hat seine Enkel Flint und Felicitas zügig nach deren Geburt als Hertha-Mitglied angemeldet, er hat den Klub und die Stadt vor 37 Jahren verlassen, aber die Zuneigung ist nicht kleiner geworden seitdem, eher größer. Wenn er in Berlin ins Olympiastadion geht, erkennen ihn selbst jugendliche Fans. Und Beer sagt: "Hertha ist mein Verein, Hertha wird immer in meinem Herzen sein." Er ist sich immer treu geblieben, selbst beim Feiern. Schon zum 60. Geburtstag 2006 entschwand der Wanderfreund, der mit der Gattin vor Jahren den Jakobsweg gelaufen ist, in ein Wellness-Hotel in Bayern, jetzt, zum 70., wieder. Alles Gute zum Geburtstag!

Steffen Rohr

Viererpacker, treu und fair: Alles Gute, "Ete" Beer