Bundesliga

Fanforscher warnt vor Ausschreitungen in Deutschland

Nationalelf und EM: Teil 6 der Serie "Fan-Report 2016"

Fanforscher warnt vor Ausschreitungen in Deutschland

Sicherheitskräfte im Einsatz rund um ein Fußballspiel.

Sicherheitskräfte im Einsatz rund um ein Fußballspiel. imago

Diese Einschätzung stützt ein Hooligan in einem anonymen Gespräch mit dem kicker. Er bezeichnet sich als "erlebnisorientierten Fußballfan", sein allgemeines Interesse und das seiner Gleichgesinnten beschreibt er so: "Wir wollen, dass es knallt."

"Aufgrund der aktuellen Terrorgefahr wird die französische Polizei eine Null-Toleranz-Strategie fahren und sehr präsent sein", sagt Prof. Dr. Gunter A. Pilz. "Ich kann mir gut vorstellen, dass sich angesichts dieser allgemeinen Lage manch ein Hooligan zweimal überlegt, ob er nach Frankreich fährt." Nicht vergessen dürfe man allerdings die Reisewege der Fans, gibt der 71-Jährige zu bedenken. "Wenn Polen, Russen, Kroaten, Ukrainer oder andere in Massen durch Deutschland fahren, kann es etwa auf deutschen Autobahnrastplätzen oder Bahnhöfen zu Auseinandersetzungen kommen. Das hat es schon öfter gegeben." Er sei sich aber "sicher, dass die Polizei der einzelnen Länder das gut im Griff hat, zumal es unter ihnen einen intensiven Austausch gibt".

Pilz ist unter anderem seit 2001 Leiter der AG "Aktivitäten und Projekte" der Daniel-Nivel-Stiftung, jener Stiftung also, die nach dem Polizisten benannt ist, der 1998 bei der WM in Frankreich von deutschen Hooligans schwer verletzt wurde. "Zwischen Mitte und Ende der 90er galt der Hooliganismus als Auslaufmodell, mittlerweile findet aber eine Wiederbelebung statt", sagt Pilz. "Vor allem Hooligans aus der rechten Szene machen verstärkt auf sich aufmerksam, speziell im Osten Deutschlands, aber beileibe nicht nur dort." Seines Erachtens sind die Gruppen dennoch noch überschaubar. "Von früheren Verhältnissen, als es regelrechte Straßenschlachten gab, sind wir weit entfernt. Trotzdem darf man das nicht verharmlosen."

Polizei als sportlicher Gegner für Hooligans

Warnt vor einer Renaissance des Hooliganismus: Gunter A. Pilz.

Warnt vor einer Renaissance des Hooliganismus: Gunter A. Pilz. imago

Während sich Ultras von der Polizei sehr schnell provoziert fühlen und auf sie entsprechend feindselig reagieren, "sehen Hooligans die Polizei als einen sportlichen Gegner, der für Recht und Ordnung und dafür zu sorgen hat, dass die gewalttätigen Auseinandersetzungen nicht aus dem Ruder laufen", sagt Pilz. Ein Hooligan, der in der Szene die Farben eines westdeutschen Profifußballvereins vertritt, bestätigt gegenüber dem kicker Pilz' Erkenntnisse in einem anonymen Gespräch. Zu Auseinandersetzungen mit der Polizei komme es in erster Linie bei oftmals eher spontanen so genannten ,Oldschool‘-Begegnungen größerer Gruppen an Spieltagen mitten in der Stadt. "Das ist das, was die Öffentlichkeit häufig mitbekommt", sagt der Hooligan, der sich selbst als "erlebnisorientierten Fußballfan" bezeichnet. Die Polizei gehöre "zum Katz- und Mausspiel dazu".

Manchmal haut man sich auf die Nase und geht danach zusammen ein Bier trinken.

Pilz sagt: "Inzwischen kommt es häufiger auf Wald- und Wiesenwegen zu Hooligan-Auseinandersetzungen. Erleichtert wird das von den veränderten Kommunikationswegen, die die moderne Technik vor allem dank der Mobiltelefone bietet. Die Hooligans können sich etwa in Internetforen leicht und eben oft auch unbemerkt zu solchen Treffen verabreden." Auch das bestätigt der Hooligan im Gespräch mit dem kicker: "Die Anführer, die in der Regel zu den Erfahreneren jenseits der 40 zählen, kennen sich untereinander gut und koordinieren das, etwa in geheimen Internetforen", erzählt er. "Wir führen ja keinen Krieg, sondern haben nur Interesse an ein und derselben Sache. Manchmal haut man sich auf die Nase und geht danach zusammen ein Bier trinken. Es geht einfach um den allgemeinen Adrenalinkick. Er beginnt schon damit, nicht zu wissen, auf wen wir wo treffen und nicht einschätzen zu können, was der Gegner so drauf hat."

Lesen Sie im letzten Teil unserer sechsteiligen Serie "Fan-Report 2016" in der aktuellen Montagausgabe des kicker, wie sich die Fanstruktur bei der deutschen Nationalmannschaft verändert hat und warum es der DFB für angebracht hält, seinen Anhängern eine Anleitung zum Fansein mit an die Hand zu geben.

Toni Lieto