Bundesliga

Eiskalt vom Punkt - keiner knackt Nushöhrs Rekord

73 weitere Spieler machen zwei Elfmetertore

Eiskalt vom Punkt - keiner knackt Nushöhrs Rekord

Eiskalt: Michael Nushöhr jubelt über einen seiner drei Treffer vom Punkt.

Eiskalt: Michael Nushöhr jubelt über einen seiner drei Treffer vom Punkt. imago

Fortuna Düsseldorf? Spielt auswärts. Der 1. FC Köln ebenso. Und der 1. FSV Mainz 05 ist damals, 1986, noch kein Bundesligist. Bleibt noch die Karnevalshochburg Stuttgart. Ein Witz? Na ja, eher eine Frage der Perspektive. Jedenfalls beginnt an diesem Samstag, den 8. Februar, das Bundesligaspiel zwischen dem VfB und Hannover 96 bereits um 14.30 Uhr, also eine Stunde vor der üblichen Anstoßzeit, um den Freunden des Faschings, wie es offiziell von Vereinsseite heißt, "nicht die abendlichen Freuden zu verderben".

Mutmaßlich sind die nachmittäglichen Freuden sogar noch intensiver für die jecken Schwaben, denn sie schlagen die Niedersachsen 7:0! Damit stellen sie ihren Vereinsrekord ein. Doch es ereignet sich noch etwas Historisches, das umso bemerkenswerter ist, wenn man die fast schon skurrile Vorgeschichte kennt: Michael Nushöhr erzielt an diesem bitterkalten Samstag vor nur 10.000 Fans im Neckarstadion drei Treffer. Das allein ist bei dem Mann, den die Welt nicht als Torjäger in Erinnerung hat, schon erstaunlich. Noch wichtiger: Er ist bis dato der einzige Bundesligaprofi, der in einem Spiel drei Elfmetertore erzielt.

Bundesliga - 22. Spieltag
mehr Infos
Bundesliga - Tabelle
Pl. Verein Punkte
1
Werder Bremen Werder Bremen
35
2
Bayern München Bayern München
31
3
Bor. Mönchengladbach Bor. Mönchengladbach
31
VfB Stuttgart - Vereinsdaten
VfB Stuttgart

Gründungsdatum

09.09.1893

Vereinsfarben

Weiß-Rot

mehr Infos
Hannover 96 - Vereinsdaten
Hannover 96

Gründungsdatum

12.04.1896

Vereinsfarben

Schwarz-Weiß-Grün

mehr Infos

zum Thema

Nushöhr setzt sich im Wettbewerb gegen Pasic durch

Nushöhr, heute Technischer Leiter beim Bündner Fußballverband in der Schweiz, ist überrascht, dass seine Bestmarke noch immer Bestand hat. "Es ist schon erfreulich, dass man immer wieder darauf angesprochen wird." Möglich gemacht hat dies die Übungseinheit am Tag vor dem Match. Es ist, vorsichtig gesagt, wohl nicht gängige Praxis, dass ein Trainer sich erst nach dem Abschlusstraining festlegt, wer am kommenden Spieltag die Elfmeter schießt. Möglicherweise ist es ja auch die Karnevalszeit, die Trainer Otto Baric – Spitzname "Otto Maximal" – dazu bewegt. Jedenfalls haben zuvor Jürgen Klinsmann, Guido Buchwald und Asgeir Sigurvinsson für den VfB Elfmeter vergeben. Im Training also setzt sich Nushöhr im Wettbewerb gegen Predrag Pasic durch. "Ich habe im Jugendbereich auch Verantwortung übernommen. Für mich war es also nicht ganz neu. Ich habe die Ruhe bewahrt", sagt Nushöhr rückblickend.

Es ist schon erfreulich, dass man immer wieder darauf angesprochen wird.

Michael Nushöhr

Und wie. Und das gleich dreimal! Ein Hand-, zwei Foulelfmeter, zum 2:0, 3:0 und 4:0 (37., 63. und 67. Minute). Unten links, unten rechts, oben links. So ist es in Nushöhrs Erinnerung manifestiert. Damals sagt er keck nach seiner Punktlandung aus elf Metern: "Ich hätte auch noch den vierten Elfmeter verwandelt..." Das bezweifelt auch Jürgen Rynio nicht, sehr zu seinem Leidwesen.

7:0 ist das letzte Spiel für Rynio

Der Mann ist damals der Torhüter der 96er, musste eine Woche zuvor schon einspringen und kassierte dabei aufmunternde fünf Gegentore gegen den FC Bayern. Nach dem 0:5 im Niedersachsenstadion hat er schon genug, doch das 0:7 in Stuttgart wird zum letzten Match seiner Karriere, nachdem er zuvor quasi nur reaktiviert worden war. Zu den Elfmetertoren ist in Rynios Gedächtnis geblieben: "Es war kalt, es war windig. Ich glaube, er musste auch noch auf dem Elfmeterpunkt herumhacken." Um gefrorene Stellen zu beseitigen, versteht sich, nicht wie Marwin Hitz 29 Jahre später, um dem Gegner aus Köln die Ausführung zu erschweren.

Michael Nushöhr (li.) und Guido Buchwald

Gut gelaunt nach Spielende: Michael Nushöhr (li.) und Guido Buchwald freuen sich über den Kantersieg.

Drei Elfmeter-Treffer weiterhin einzigartig

Nushöhr wird zum ersten und einzigen Mal in seiner Karriere zum kicker-Mann des Tages gekürt, ob seiner historischen Leistung. Selbstverständlich verfolgt er auch das aktuelle Bundesligageschehen noch. In den 30 Jahren seit seinem Elfmeter-Festival musste er noch nicht einmal zittern. Zwar erzielten 73 weitere unterschiedliche Spieler in einer Partie in der Bundesligageschichte zwei Elfmetertore in einem Spiel, doch nie konnte einer der Profis einen dritten Versuch starten.

Hannover steigt damals sang¬ und klanglos ab, Rynio bereits zum fünften Mal mit dem fünften Klub in seiner Karriere. Auch ein Rekord. Und das, obwohl er gar kein schlechter Torwart war. Apropos nicht schlecht: Nushöhr erzielt in dieser Saison 1985/86 noch ein viertes Tor für den VfB Stuttgart. Am 5. April 1986 gegen Frankfurt - per Elfmeter.

Thomas Böker