Bundesliga

Kehl: "Fremdbestimmt? Aus dieser Enge wollte ich raus"

Ex-BVB-Kapitän über die Monate nach dem Karriereende

Kehl: "Fremdbestimmt? Aus dieser Enge wollte ich raus"

"Ich habe gemerkt, wie schwierig es ist, nicht in diesen Floskeln zu quatschen": Sebastian Kehl.

"Ich habe gemerkt, wie schwierig es ist, nicht in diesen Floskeln zu quatschen": Sebastian Kehl. imago

Als Borussia Dortmund am 15. August Borussia Mönchengladbach zum Saisonauftakt empfing, schaltete sogar Sebastian Kehl ein. "Das war in Hawaii, ich bin frühmorgens aufgestanden", erzählt er im "Zeit"-Interview. Er war mittendrin in einer viermonatigen Reise durch die Welt - Los Angeles, Hawaii, Kanada, New York, Kuba, Indien - und ein bisschen auch zu sich selbst.

Kehl tat nach seinem Karriereende im Mai Dinge, die ihm als Profifußballer bei allen Annehmlichkeiten verwehrt geblieben waren. "In den Jahren zuvor konnten wir immer nur höchstens zehn Tage zusammen wegfahren", sagt Kehl, diesmal tourte er mit seiner Familie zunächst fünf Wochen durch die USA. "Als die Familie im Flugzeug nach Deutschland saß, war ich allein in Los Angeles, habe mir die Weltkarte angesehen und gedacht: So, was jetzt? Mexiko? Kanada? Alaska? Einen Tag später bin ich nach Hawaii geflogen. Als ich ankam, wurde ich im Hotel gefragt: Wie lange bleiben Sie? Ich antwortete: Ich weiß es nicht. Das war ein neues und beglückendes Gefühl."

Bundesliga - Tabelle
Pl. Verein Punkte
1
Bayern München Bayern München
46
2
Borussia Dortmund Borussia Dortmund
38
3
Hertha BSC Hertha BSC
32
Borussia Dortmund - Vereinsdaten
Borussia Dortmund

Gründungsdatum

19.12.1909

Vereinsfarben

Schwarz-Gelb

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Die Bequemlichkeit ist bei vielen sehr ausgeprägt, das ist ein großer Nachteil. Man muss ja auch auf dem Platz Verantwortung übernehmen.

Sebastian Kehl

Reisen ohne Trainingsplan und ohne "Uhr, die die Trainingsdaten an den Verein schickte, zur Kontrolle", diese Erfahrung wollte Kehl nun, mit 35 Jahren, auch endlich einmal machen. "Als Fußballer bist du oft fremdbestimmt", sagt er. "Aus dieser Enge wollte ich raus." Und so entschied er sich für Länder, in denen "Fußball kein großes Thema und Samstag ein Tag wie jeder andere" war.

Was er dabei gelernt hat? "Ich glaube, dass ich etwas gelassener geworden bin." Und "wenn doch mal Fragen zum Fußball kamen, habe ich mich freier gefühlt, einfach zu erzählen. Da habe ich übrigens gemerkt, wie schwierig es ist, nicht in diesen Floskeln zu quatschen, auf die man als Fußballer getrimmt wird. Das Geschäft", hat er registriert, "lässt einen schon in manchen Bereichen abstumpfen, es hemmt die eigenen Gedanken." Und es fördert Bequemlichkeit. "Die", mahnt Kehl, BVB-Kapitän von 2008 bis 2014, "ist bei vielen sehr ausgeprägt, das ist ein großer Nachteil. Man muss ja auch auf dem Platz Verantwortung übernehmen."

Es kommt der Tag, an dem das Leben als Berufsfußballer mit all den Vorteilen vorbei ist. Das Flutlicht geht aus, und du musst mit dir selbst weiterleben.

Sebastian Kehl

Kehl will eines Tages in dieses Fußballgeschäft zurückkehren, er hat ein Sportmanagementstudium bei der UEFA begonnen. Die Profizeit aber ist endgültig Vergangenheit. "Der Ball rollt weiter. Jeder ist ersetzbar. Viele Fußballer begreifen das nicht oder zu spät", glaubt er. "Es kommt der Tag, an dem das Leben als Berufsfußballer mit all den Vorteilen vorbei ist. Das Flutlicht geht aus, und du musst mit dir selbst weiterleben."

Ihm selbst wurde das an jenem Augusttag in Hawaii bewusst, als er seine früheren Kollegen nach dem 4:0 gegen Gladbach mit den BVB-Fans jubeln sah. "Die Jungs standen vor der Süd und haben sich feiern lassen. In dem Moment wurde mir klar: Jetzt ist es wirklich vorbei. Dieses Adrenalin wirst du so nicht mehr spüren. Es war gut, dass ich in diesem Moment in einer ganz anderen Welt war."

jpe

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